Porträt: Ein Schwabe im Norden
Mit Anfang 20 fing die Leidenschaft für Städtereisen an. Damals stellte sich Tobias Gölz, Gesellschaftsführender Geschäftsführer bei der Biopin-Gruppe, eine Liste aller Hauptstädte sowie für ihn interessante Städte in Europa zusammen. „Die wollte ich alle einmal sehen und besuchen,“ sagt der Baden-Württemberger. Teilweise allein, mit Freunden oder mit Nichten und Neffen streicht er in den Jahren ein Ziel nach dem anderen von seiner Liste. „Mittlerweile habe ich über 40 Länder bereist und deutlich mehr Städte gesehen“, sagt der 42-Jährige, der auch durch seine berufliche Tätigkeit, oder vielmehr seine zahlreichen Dienstreisen, die Liste der besuchten Orte stetig erweitert.
Durch Zufall zu den Naturfarben
Schritt für Schritt nähert er sich seinen Zielen. Das war schon immer so. Über die Hauptschule kam er auf die Realschule und macht schließlich 2001 sein Abitur am Technischen Gymnasium in Göppingen. Nach der Schule sollte es vorerst kein Studium sein, das stand für den Geschäftsführer früh fest: „Ich bin ganz klar praktisch veranlagt und habe eine Ausbildung dem Studium vorgezogen“. In Göppingen gab es nicht viel Auswahl und so ist Gölz eher zufällig in die Farbenbranche, genauer gesagt in die Naturfarbenbranche gekommen. Er absolviert eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Biofa Naturprodukte W.Hahn. Direkt nach der Ausbildung übernimmt er die IT-Leitung und den Vertrieb.
Nach vier Jahren trennen sich vorerst die Wege von Gölz und dem Naturfarbenhersteller. „Ich habe in der Zeit als IT-Leiter ein ERP-System im Unternehmen eingeführt. Das Softwareunternehmen hat mich ganz klassisch rekrutiert und ich habe mich dann entschieden, etwas Neues auszuprobieren“, sagt Gölz über den Berufswechsel. Als Projektmanager ERP-Software Blending ist er gut zwei Jahre tätig. Aber auch in dieser Zeit gibt es immer wieder Kontakte in Farben- und Lackbranche. Denn auch in diesen Unternehmen führt er ERP-Systeme und bekommt einen Einblick in die Abläufe von konventionellen Farbenherstellern. Auch zu Biofa reißt der Kontakt nie ganz ab. Nach seinem kurzen Ausflug in die Software-Branche kehrt er zum Naturfarbenhersteller zurück und übernimmt gleich Verantwortung als Betriebsleiter und Prokurist. Erst war angedacht, dass Gölz das Unternehmen übernehmen soll, da eine Nachfolge innerhalb der Familie nicht gesichert war. Schließlich übernahm doch ein Sohn die Geschäfte.
Auszeit führt in Selbstständigkeit
„Ich nahm mir ein Sabbatjahr und wollte mich orientieren, wie geht es weiter und was will ich machen“, sagt der Unternehmer. Mit seiner Erfahrung mit Naturfarben hätte er bei vielen Farbenherstellern anfangen können. „Ich fühle mich mit meinem Spezialwissen in einer Nische besser aufgehoben, wir haben eine andere Denkweise und Ansprache. Greenwashing ist außerdem nichts für mich“, erklärt Gölz. Er sei zwar ein Teamplayer, aber er habe auch seinen Kopf und brauche deswegen viele Freiheiten.
Zu dritt, gemeinsam mit zwei ehemaligen Kollegen, gründet er schließlich die Firma Gnature. „Wir wollten eigene Naturfarben herstellen und sind grandios gescheitert“, gibt er rückblickend zu. Gölz beschreibt sich selbst als Macher und Entscheider, habe aber in seinem Leben mit dieser Einstellung auch viel Lehrgeld zahlen müssen. Als das Unternehmen fast vor dem Aus steht, bahnt sich ein Geschäft in Russland an. „Anfangs hatte ich immer meine Frau bei den Geschäftsreisen mit. Sie ist gebürtige Tadschikin und hat sprachliche Barrieren aus dem Weg geräumt. Einerseits läutete diese Geschäftsbeziehung eine Wende für unser Unternehmen ein und andererseits hatte ich die Möglichkeit in der Region mehrere Orte mit meiner Frau zu besuchen. Eine absolute Win-Win-Situation für mich“, sagt Gölz.
Die eigene Firma prosperiert und wächst schneller als erwartet. „Irgendwann konnten wir dem Wachstum nicht mehr gerecht werden. Durch die Geschäftsbeziehungen Russland haben wir auch Kontakt zu Biopin gehabt. So kam es schließlich zum Verkauf von Anteilen unserer Firma und seitdem sind wir Teil der Biopin-Gruppe,“ sagt Gölz.
Wurzeln schlagen im Norden
Seit 2019 ist der Urschwabe, wie er sich selbst gerne bezeichnet, nach in den hohen Norden nach Jever gezogen. „Die Stadt stand definitiv nicht auf meiner Liste“, scherzt Gölz. Mit seiner Frau fühlt er sich mittlerweile an der Küste aber sehr wohl. „Wir sind sehr zufrieden hier. Die Nähe zur See und das Klima gefällt uns beiden sehr gut“, betont der Unternehmer, der sich erst gerade in der Region ein Haus gekauft hat. „Mir fehlen aber dennoch ab und an die Berge und der Schnee. Vor allem aber gute Spätzle.“ Auch das Reisen kam in der Pandemie zu kurz und soll bald wieder intensiviert werden. Denn es gibt noch genügend Städte auf der Liste von Tobias Gölz.