Materialien sind die Basis für Innovation

Interview: Dr. Tanja Zimmermann ist seit 1. Juni 2022 Direktorin der Empa. Seit Mitte Mai hat sie zudem zwei Assoziierungen an den Hochschulen ETH und EPFL als ordentliche Professorin.

Dr. Tanja Zimmermann ist seit 1. Juni 2022 Direktorin der Empa
Dr. Tanja Zimmermann ist seit 1. Juni 2022 Direktorin der Empa. Bildquelle: Empa

Dr. Tanja Zimmermann ist seit 1. Juni 2022 Direktorin der Empa. Sie ist damit die erste Frau an der Spitze der schweizerischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, die seit immerhin 142 Jahren besteht. Zuvor war die promovierte Materialwissenschaftlerin Leiterin des Departements „Functional Materials“ und Co-Leiterin des Forschungsschwerpunktes „Nachhaltiges Bauen“.

Erzählen Sie bitte etwas über Ihre Karriere bei der Empa.

Es ist ein bisschen wie eine Tellerwäschergeschichte: Die ersten Erfahrungen an der Empa habe ich als Praktikantin während meines Studiums gesammelt. Da habe ich in der Schreinerei Holz gespalten. Dann habe ich alle Stufen durchlaufen. So blieb es immer spannend, und ich kenne verschiedene Sichtweisen. Ich weiß, wie sich eine Praktikantin, eine Master-Studentin und eine Doktorandin fühlen, wie es ist, als Gruppenleiterin zu arbeiten und ein neues Forschungsthema aufzubauen, wie es ist, mit großer Budgetverantwortung und entsprechendem Druck, für die Einnahme von genügend Drittmitteln, eine Abteilung zu führen, wie es ist, in der Direktion zu sein, als Departemementsleiterin und jetzt eben als Direktorin. Das ist insofern speziell, als bisher für die Leitung der Empa stets „Externe“ rekrutiert wurden.

Welche Ziele und Wünsche haben Sie für Ihre neue Position?

Es gibt für mich zwei zentrale Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen müssen wir uns den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen widmen, etwa die erfolgreiche Umsetzung der Energiestrategie 2050 oder die Entwicklung einer personalisierten Medizin, vor allem für unsere alternde Gesellschaft. Das andere ist, dass wir die für die Schweiz wichtigen Industriesektoren unterstützen wollen, um auch in Zukunft noch innovativ und damit international wettbewerbsfähig zu bleiben – denn damit verdienen sie Geld und tragen so zu unserem Wohlstand bei. Dementsprechend haben wir uns auch ganz klar mit unseren Forschungsschwerpunkten positioniert.

Ich möchte also, dass wir in der Material- und Technologieentwicklung der wichtigste Ansprechpartner für die Industrie in der Schweiz – und hier vor allem für die zahlreichen KMUs – sind, um gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu ermöglichen. Die Empa soll ein international anerkanntes „Leading House“ in der industrienahen Materialforschung sein, vor allem in den Themenbereichen Energie, nachhaltiges Bauen und Gesundheit. Dabei spielen neue Fertigungstechnologien eine wichtige Rolle, und in diesem Bereich sind wir extrem stark, etwa im Advanced Manufacturing, in der additiven Fertigung, bei 3D-Druck-Methoden usw. In Zukunft wollen wir uns auch stark auf Dekarbonisierungstechnologien konzentrieren. Daran arbeiten wir bereits in verschiedenen Bereichen. Wir betreiben etwa verschiedene Technologietransferplattformen wie „move“ im Mobilitätsbereich und „NEST“ im Bau- und Energiebereich als Brücke zur Industrie; dort können wir mit unseren Industriepartnern in größerem Maßstab bestimmte Technologien validieren und weiterentwickeln. Dabei spielt das Thema „Data Science“ eine zunehmend zentralere Rolle. Ein Querschnittsthema, in dem immer mehr Forschende etwa in den Bereichen Modellierung, Simulation, digitale Zwillinge tätig sind.  Mir schwebt vor, in diesem Bereich eine alle Departemente übergreifende Einheit zu schaffen.

Welche Forschungsaktivitäten gibt es speziell im Bereich Beschichtungen und Klebstoffe?

Wir haben zum einen unser „Coating Competence Center“, wo wir neue Beschichtungstechnologien entwickeln. Das betreiben wir in einer „Public-Private Partnership“, d.h. wir arbeiten hier direkt mit Industrieunternehmen zusammen, die unserem Zentrum z.B. Maschinen und größere Geräte zur Verfügung stellen, so dass wir unsere Neuentwicklungen schneller in Richtung praktische bzw. industrielle Umsetzung bringen können.

Zudem arbeiten wir etwa im Holzbereich an neuartigen Verklebungs- und Oberflächentechnologien, also beispielsweise neue Klebstoffe, die man auch wieder lösen kann, so dass man die damit verklebten Materialien nach dem Rückbau länger im Kreislauf halten kann, Stichwort Kreislaufwirtschaft. Wir wollen schauen, wie man nachhaltige Materialien noch weiter in einer Bioökonomie nutzen kann. Und bei den Oberflächen sind nach wie vor transparente Beschichtungen gefragt, die einen guten UV- und Feuchteschutz bieten, so dass sich das Holz möglichst lange nicht verfärbt.

Wie ist es zu Ihrer Begeisterung für die Materialwissenschaft gekommen?

Materialien sind die Basis für Innovation – und zwar fast überall. Ich finde es hochspannend, was man mit Materialien alles machen kann, wie man durch neue Technologien effizienter werden und das Anwendungsspektrum erweitern kann. Auch die Vielfalt an Materialien, mit denen wir uns beschäftigen, und diese in ungewöhnlichen Kombinationen zusammenzubringen, um die Vorteile verschiedener Materialien synergetisch nutzen zu können – das ist alles enorm spannend.

Sie sind die erste weibliche Direktorin der Empa. Wie sieht es generell mit dem Frauenanteil aus, auch in Führungspositionen?

Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Wir sind derzeit bei einem Frauenanteil von rund 30 %, das ist für ein Materialforschungsinstitut gar nicht so schlecht. Aber wir haben nach wie vor zu wenige Frauen in Führungspositionen. In der Direktion sind wir momentan zwei Frauen, wovon eine in einem Jahr in Pension geht. Mir ist eine gute „Gender Balance“ sehr wichtig. Daran arbeite ich. Eines meiner Ziele ist, junge Frauen, junge Talente allgemein zu fördern und in für sie passende Positionen zu bringen. Ich möchte dabei auch eine Art „Role Model“ sein. Vielleicht denken sich einige: Wenn die das geschafft hat, warum versuche ich es nicht auch? Wir suchen gerade eine Nachfolge für die Leitung des Departements „Materials Meet Life“ und werden dafür auch aktiv Frauen ansprechen.

Die Empa ist im Übrigen ein sehr familienfreundlicher Arbeitgeber – das bestätigen uns auch externe Fachstellen für Gleichstellung schon seit Jahren –, wir haben etwa eine eigene Kinderkrippe, wir ermöglichen Männern wie Frauen Teilzeitarbeit. Es bewegt sich also einiges, aber es braucht seine Zeit. Ein sanfter Push ist dort sicher nicht schlecht.

Hersteller zu diesem Thema