Immer mittendrin: Taner Bicer im Porträt
Taner Bicers Liebe zu Naturwissenschaften begann schon sehr früh. „Es war von Anfang an ein Forscherdrang vorhanden sowie der Wunsch, die Dinge im Detail zu verstehen. Ich glaube, ich bin eines der ganz schwierigen Warum-Kinder gewesen“, erinnert er sich mit einem Lachen. „Aber auch heute noch denke ich, dass die Frage nach dem Warum eine der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist. Ich habe auch immer noch den Drang, Dinge zu hinterfragen – zu schauen, ob man es nicht auch besser machen kann.“ Auch seine Lehrer verstärken den Schwaben mit türkischen Wurzeln in seinem Berufswunsch. „Wir sind, als ich 13 war, nach Istanbul gezogen, wo ich die deutsche Schule besucht habe. Mein Physiklehrer hat mir immer wieder zu verstehen gegeben, dass ich in den Naturwissenschaften gut aufgehoben sei.“ Am Ende ist es die Chemie geworden, denn sie bietet eine gewisse Modularität, mit der Dinge sehr umfassend erklärt und neugestaltet werden können.“
So entscheidet sich Bicer für ein Chemiestudium, für das es ihn wieder nach Deutschland zurückzieht. Zunächst studiert Bicer in Stuttgart bis zum Vordiplom klassische Chemie, bevor er in den Fachbereich Farbe, Lack, Kunststoff Chemieingenieurwesen in Esslingen wechselt. „Ich wollte der Chemie treu bleiben, aber schneller in die Industrie und anfangen, zu gestalten.“ Während des Studiums kann Bicer praktische Erfahrungen am Fraunhofer-Institut für Bauphysik sammeln, zu Beginn als HIWI, später als freier Mitarbeiter. „Die Arbeit hier war für meine rein technische Entwicklung fast wichtiger als das Studium, denn ich war umgeben von Chemikern, die daran arbeiten, Industrieprojekte zu akquirieren – das war eine tolle Spielwiese“, so der Baden-Württemberger.
Nach dem Studium beginnt Taner Bicer bei Wörwag. Zunächst arbeitet er als Entwicklungsingenieur, bevor er Gruppenleiter und dann Leiter der Forschung und Entwicklung für den Automobilinnenbereich wird. „Im Anschluss wurde ich dann in den Bereich der Basislacke berufen und wurde im Mai 2005 Leiter der Entwicklung, bevor ich 2009 Gesamtentwicklungsleiter für alle dekorativen Flüssiglacke wurde“, erinnert er sich.
Von den Lacken zu den Druckfarben
2014 wechselt Taner Bicer von Wörwag zu der Hubergroup. „Nach vielen Jahren bei Wörwag war es natürlich eine schwierige Entscheidung, das Unternehmen zu verlassen und mir war es sehr wichtig, nicht zu einem Wettbewerber zu wechseln“, betont er. „Das i-Tüpfelchen an der hubergroup war für mich, dass wir bis zu 90 % unserer Rohstoffe selbst herstellen.“ Den Wechsel von der Lack- in die Druckfarbenwelt empfindet Bicer nicht als schwierig. „Ich habe schon zu Wörwag-Zeiten gesagt: bis zu einem gewissen Grad weiß die Materie nicht, ob es am Ende ein Auto- oder Flugzeuglack wird oder eben eine Druckfarbe – letztlich sind es kleinere Nuancen, die die Endanwendungen unterscheiden“, erklärt der 46-Jährige. „Spannend war es, sich das Kundenspektrum und die kritischen Erfolgsfaktoren zu erarbeiten. Das war Neuland und auch hier hat mich meine sonst bekannte Neugier nicht im Stich gelassen. Darüber hinaus bin ich hervorragend in das Unternehmen eingeführt worden.“
Bei der Hubergroup ist der Schwabe zunächst für das Technologiemanagement für den Bereich UV-Druckfarben verantwortlich – das Thema ist noch ein weiterer Anreiz an der neuen Position, denn UV-Farben faszinierten ihn schon zu Studienzeiten. „Meine Diplomarbeit habe ich damals bei der BASF zu diesem Thema geschrieben und habe mich gefreut, nach vierzehn Jahren wieder in das Thema einzusteigen.“
Seit Beginn des Jahres ist Taner Bicer Chief Technology Officer sowie Mitglied der Geschäftsführung. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist auch die indische Tochter der Hubergroup, in der er im Jahr im Schnitt etwa zwei Monate verbringt. „Ich hatte zuvor keinerlei Erfahrung mit der indischen Kultur, habe aber sehr schnell Zugang gefunden“, erzählt er. „Wir sind dort in unserem Village untergebracht, in dem wir familiär betreut werden – man fühlt sich zu keinem Zeitpunkt fremd.“
Familie im Mittelpunkt
Nur die Familie fehlt dem vierfachen Vater auf seinen Dienstreisen. „Ich bin ein absoluter Familienmensch und verbringe jede freie Minute mit meiner Familie.“ Wichtig ist ihm auch das gemeinsame Reisen mit der Familie, am liebsten in den Mittelmeerraum. „Auch das mediterrane Essen schätzen wir sehr und ich hole mir auf unseren Reisen gerne Inspirationen für neue Rezepte“, erzählt der Hobbykoch. Zudem möchte der VFB-Stuttgart-Fan noch den Flugschein machen. „Und ich würde mir wünschen, dass ich wieder öfter in die Laufschuhe steigen könnte. Ich bin mir sicher, einen Marathon schaffe ich noch in diesem Leben – dies ist noch einer meiner persönlichen Mount Everests.“
Kurz gefragt:
Wenn Sie einen Tag den Job wechseln könnten, was würden Sie gerne wählen?
Ich würde gerne in ein politisches Umfeld schauen und lernen, was die Dinge so schwer und bürokratisch macht.
Ist das Glas halbvoll oder halbleer?
Das Glas ist so voll wie es ist und daraus ist abzuleiten, was zu tun ist. Ich sehe mich als Macher und mein Motto ist, den Ist-Zustand zu akzeptieren.
Was gefällt Ihnen an der Region?
Wenn ich die eine Stadt für die schönste Stadt der Welt nominieren dürfte, dann wäre das München – und das sage ich als tief überzeugter Schwabe! München hat den Charme einer Großstadt und ist gleichzeitig eine grüne Stadt.
Was sehen Sie derzeit als die größten Herausforderungen für die Druckfarbenindustrie?
Der Kostendruck, der auf der Branche lastet, ist immens und permanent. Hinzu kommt die große Frage der Digitalisierung und in welchen Segmenten und für welche Anwendungen sich der Sprung in den Digitaldruck vollziehen wird. Ich glaube aber nicht, dass wir in fünf oder zehn Jahren keinen Tief-, Flexo- oder Offsetdrucker mehr sehen werden.
Von Vanessa Bauersachs