Interview: „Ich möchte erreichen, dass die EFC weiterhin erfolgreich ist“
Was sind die Aufgaben der EFC?
Jörg A. Vogelsang: Der Verband ist eine Föderation von nationalen Gesellschaften. Fast jedes europäische Land hat eine eigene Korrosionsforschungsgesellschaft. In Deutschland sind das die Gesellschaft für Korrosionsschutz, der Fachverband Kathodischer Korrosionsschutz und die Dechema. Die Föderation hat ein Aushängeschild: Der European Corrosion Congress (Eurocorr) ist die größte und wissenschaftlich anspruchsvollste Konferenz über Korrosionsforschung in Europa, mit weltweiter Ausstrahlung.
2020 fand die Konferenz Corona-bedingt virtuell statt und war erstaunlich gut besucht. Für dieses Jahr ist sie vom 19. bis 23. September in Budapest geplant. Die Eurocorr findet einmal jährlich statt und ist über die letzten Jahre stark angewachsen. Bis zu 1.500 Teilnehmer werden für gewöhnlich erwartet. Die jeweiligen Landesverbände bewerben sich und richten dann auch die Konferenz aus. Die Konferenz-Sessions definieren sich über die so genannten Working Parties, darunter fallen z.B. ganz allgemein „Coatings“, aber auch Anwendungsbereiche wie Nuklearkorrosion, Öl und Gas, mikrobielle Korrosion.
Die Working Parties bestehen aus Mitgliedern, die sich treffen und beraten, welche gemeinsame Projekte man starten könnte. Die Landesverbände können auch eigene, kleinere Events abhalten, die dann über die EFC beworben werden.
Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Präsidentschaft gesetzt?
Jörg A. Vogelsang: Ich möchte erreichen, dass die EFC weiterhin erfolgreich tätig ist und die Eurocorr die weltweit führende wissenschaftliche Konferenz für Korrosionsschutz und -forschung bleibt. Ich werde aber auch von innen heraus versuchen, die Verbandsstruktur etwas zeitgemäßer aufzustellen. Die EFC ist in den letzten Jahren immer weitergewachsen, hat sich weiterentwickelt, aber die Struktur ist gleichgeblieben.
Die gesamte Organisation der Eurokorr-Konferenz bestreiten die Landegesellschaften selbst, meistens zusammen mit einer professionellen Konferenzorganisation. Das wollen wir ab 2025 umdrehen, es soll dann eine zentrale und somit effizientere Organisation der Eurocorr geben. Die Mitgliedsgesellschaften können sich dann immer noch als Gastgeber bewerben und den Rahmen des Events bestimmen.
Was sind aktuell die wichtigsten Forschungsprojekte, auch mit Blick auf den Beschichtungsbereich?
Jörg A. Vogelsang: Die klassischen Beschichtungen, wie man sie aus dem Korrosionsschutz kennt, sind nicht mehr Gegenstand der Forschung. Das sind heute häufig Sol-Gel- oder Hybrid-Beschichtungen (organisch/anorganisch). In der Regel handelt es sich um sehr dünne Schichten. Immer noch ein Thema ist der Chrom VI-Ersatz.
Die ganzen Schlagworte aus der europäischen Forschungslandschaft zum Beantragen von EU-Fördermitteln (Nachhaltigkeit, sozio-ökonomische Auswirkungen) sind die Treiber, weil viele der vorgestellten Projekte aus EU-finanzierter Forschungsarbeit kommen. Es gibt viele Untersuchungen an neuen Materialien, Stichwort 3D-Druck, Additive Manufacturing, Korrosionsphänomene und -probleme im Bereich Green Energy (Solaranlagen, Windkraftanlagen, Carbon Capture Technology). In der Kernforschung wird untersucht, welche Materialien geeignet sind, die hochradioaktiven Substanzen für die nächsten Millionen Jahre sicher aufzubewahren. Auch in der Elektronik gibt es Korrosionsprobleme, die man z.T. mit Beschichtungen lösen kann. Das ist nur eine kleine Auswahl.
Es gab sogar mal ein Projekt, wie man aus von Mikroorganismen ausgeschiedenen Polymeren eine Art Beschichtung herstellen kann. Das ist dann aber Grundlagenforschung. Ich würde sagen, dass in der Konferenz bei den Beschichtungen der Anteil der reinen Industrievorträge nur bei zehn Prozent liegt. In erster Linie werden Ergebnisse universitärer Forschungsarbeiten vorgetragen. Universitäre Forschung ist häufig von der Industrie ziemlich weit weg, obwohl der Industriebezug bei der Forschungsförderung eine große Rolle spielen kann.