Ich bin ungern Zweiter“: Dr. Matthias Otting im Porträt

Quelle: Bergolin.
Dr. Matthias Otting Quelle: Bergolin.

Matthias Otting weiß, was er will. Das merkt man schon, wenn man ihn fragt, warum er sich entschieden hat, Chemie zu studieren. „Ich war schon in der Schule Chemie begeistert“, sagt er. So zog es ihn nach Göttingen „Das war weit genug weg von zuhause, aber noch nah genug dran“, erinnert sich der heutige Geschäftsführer von Bergolin, der im Emsland aufgewachsen war. Dass er mal in die Geschäftsführung gehen würde, war damals aber noch völlig unklar. Er interessierte sich für physikalische Chemie und Reaktionskinetik, was ihn zunächst ans Max-Planck-Institut für Strömungsforschung brachte, wo er auch seine Dissertation absolvierte.

Die Wissenschaft brachte ihn dann zu „seinem größten Abenteuer“, wie er es nennt. Für zwei Jahre zog Matthias Otting nach China, um am Center for Environmental Sciences in Peking zu arbeiten und ein Netzwerk an Messstationen für Luftschadstoffe aufzubauen. „Ich habe die Zeit sehr genossen“, erzählt er. Zum einen war es spannend, draußen nicht nur im Labor zu arbeiten. Auch brachte der Aufbau der Messtationen es mit sich, dass er chinesische Provinzen besuchen konnte, die damals für Ausländer kaum zugänglich waren.

Damit einher hat er auch die Sprache gelernt. „Wenn sich Chinesen unterhalten, dann weiß ich auch heute meist noch grob, worum es geht“, erzählt er und ergänzt: „Ich habe die Sprache nach einem Vorbereitungskurs damals vor allem auf der Straße gelernt. Ich war viel unterwegs und war auch oft in den Suppenküchen.“
Doch irgendwann zog es Otting zurück nach Deutschland, auch wenn es um die Jahrtausendwende schwer war, einen Job zu bekommen. „Ich hätte noch länger in China bleiben können“, erinnert er sich. Dass er dann bei Farben und Lacken landete, war im Grunde Zufall. Beworben hat er sich sehr breit. Genommen hat ihn damals dann Axel Springer AG, wo er als Laborleiter die Analytik sowie auch die Farbmetrik in der Druckerei bei Hamburg verantwortete. „Da habe mich gut eingearbeitet und war auch relativ früh Vorsitzender vom Materialausschuss des Bundesverbands Druck und Medien“, erzählt er. Die physikalische und mathematische Ausbildung aus Göttingen habe dabei geholfen. So befasste Matthias Otting sich schon früh mit maschinellem Sehen, um Druckergebnisse objektiver beurteilen zu können.
Eigentlich fühlte er sich wohl, doch die Digitalisierung warf ihre Schatten voraus und die Auflagen von Zeitungen und Zeitschriften waren rückläufig. Als dann das Angebot kam in den Dekordruck zu wechseln, nahm Otting die Gelegenheit war. Die Firma Süddekor hatte angefragt und die Aussicht, nicht mehr am Ende der Wertschöpfungskette zu stehen, reizte ihn. „Wenn Sie eine Zeitung drucken, wird die nach einer halben Stunde vom Kunden weggeworfen“, sagt er. Das sei beim Dekordruck ganz anders, da sei man mitten in der Wertschöpfungskette. Schwierig war anfangs vor allem die Sprache in Schwaben. „Bis ich da alles verstanden habe, hat es schon ein Jahr gedauert“, erinnert sich Matthias Otting. Die Mentalität der Leute gefällt ihm dafür bis heute. „Die Leute machen‘s da geschwind und gescheit“, sagt er.

Farben nicht nur kaufen

Hier kam Otting dann auch das erste Mal mit der Formulierung und Herstellung von Farben und Lacken in Kontakt. Das Unternehmen wollte eine eigene Farbfabrik aufbauen. Eine spannende Aufgabe, erinnert er sich, bisher war er vor allem Käufer von Druckfarben gewesen, nun verantwortete er den Aufbau und Betrieb der Farbfabrik. Man merkt, er ist stolz auf die Leistung von damals. „Da kannte ich wirklich jede Schraube“, sagt er. „Am Ende hatten wir eine funktionierende Halbfabrikatsfertigung, die in fünf Farbtönen im Jahr ungefähr bis zu 5.000 Tonnen Farbe fertigen konnte“, sagt er.
Nachdem das Unternehmen in eine Schieflage geraten war und einem weiteren Angebot entschloss sich Otting zu einem weiteren Wechsel nach Arnsberg zur Firma Interprint als CTO. Nach wenigen Jahren zog es ihn allerdings weiter. Der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit war über die Zeit immer weiter gewachsen“, erzählt er. „Ich muss auch ganz klar sagen, ich bin ungern Zweiter“, ergänzt er. Das ist nicht nur im Berufsleben so. So ist der begeisterte Schwimmer auch regelmäßig in Wettkämpfen angetreten. Die Wettkämpfe hat er vor einigen Jahren an den Nagel gehängt, der Ehrgeiz ist aber bis heute geblieben. Auch sein zweites sportliches Hobby Rennrad fahren zeugt davon. Es war nicht einfach aus aus der Rolle des Experten in die Position des Generalisten zu kommen. Als ihm dann angetragen wurde, in Halle (Saale) die Venture Printing Inks Technology GmbH als Geschäftsführer zu leiten, ergab sich dann aber eine Chance, die er auch nutzte.
Die neue Position hat Matthias Otting Spaß gemacht. Als größte Herausforderung in der neuen Rolle empfand er das Thema Vertrieb: „Das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, das ist die große Kunst. Optimieren, Sparen und Kürzen – das ist auch nicht immer einfach, aber man kann diese Dinge immer intern lösen.“ Wichtig sei der Zugang zu Menschen. Dass der ihm wichtig ist, merkt man auch bei Bergolin, wo er seit Februar der neue Geschäftsführer ist. Geht man mit ihm durch das Unternehmen, begrüßt er jeden Mitarbeiter mit Namen, obwohl er erst wenige Monate im Unternehmen ist.

Zurück in den Norden

Eigentlich hatte er sich in Halle wohlgefühlt. Aber sein alter Freund Harald Schlicht trat an ihn heran. Schlicht ist Eigentümer von Bergolin und suchte einen neuen Geschäftsführer. Ihn reizte unter anderem der Firmenverbund. Zur Schlichtgruppe gehört neben Bergolin noch die Weserlack GmbH und der Bindemittelhersteller Robert Kraemer in Rastede. „Wir sind damit in der Lage, maßgeschneiderte Lösungen vom Bindemittel bis zum Lack fertigen können, was Mittelständer unserer Größe sonst nicht können“, erklärt er.
Mit Bergolin hat Otting noch einiges vor. Das Unternehmen soll sich breiter aufstellen und diversifizieren. Einiges hat man schon erreicht. „Die beste Technik ersetzt keine guten Mitarbeiter“, sagt er und erklärt, dass seit seinem Antritt Output und Liefertreue extrem gestiegen seien. „Das haben wir weitestgehend mit Hausmitteln geschafft. Wir haben die Leute abgeholt, aber auch klar gemacht, was man machen und nicht machen soll.“
Allerdings hat es auch schwere Schritte gegeben, denn einen großen Teil der Unternehmensführung hat er ausgetauscht. Das sei sicher nicht ganz schmerzfrei gewesen, räumt er ein.
Auch persönlich fühlt Otting sich im Norden wohl, schließlich stammt er von dort und seine Mutter wohnt nur einen Katzenspring entfernt. Es habe halt alles gepasst, sagt Matthias Otting: “Wenn es nicht Bergolin, Harald Schlicht und Oldenburg gewesen wäre, dann wäre ich wahrscheinlich in Halle geblieben.“

Von Jan Gesthuizen

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