Einfach mal locker machen: Isolde Bachert im Porträt
Chemiker gelten gemeinhin nicht unbedingt als der kommunikativste Menschenschlag. Dass dies nur ein Vorurteil ist, zeigt sich wohl an wenigen Personen so gut, wie an Isolde Bachert, die seit Anfang 2018 die Forschung & Entwicklung bei Follmann in Minden leitet. Zunächst fängt ihr Lebenslauf so an, wie bei vielen anderen auch. Ein guter Chemielehrer hatte sie für das Fach begeistert. Doch neben Naturwissenschaften interessierte sie sich auch für Sprachen und verband beide Interessen dadurch, dass sie in Straßburg in Frankreich ihre Promotion absolvierte, um nebenbei ihr Französisch zu perfektionieren.
Das hat sich am Ende auch ausgezahlt, denn die Jobsuche verlief dann vergleichsweise einfach. BP suchte damals jemand für eine F&E-Stelle und forderte neben der Chemie auch Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch und Französisch sowie ein Verständnis der verschiedenen Kulturen. Diese interkulturelle Kompetenz brachte Bachert mit und brauchte diese auch bald: „Ich wurde von den Franzosen gefragt, wie denn die Aussagen der Engländer zu verstehen seien und die Engländer haben mich gefragt, was die Franzosen in der Besprechung so gemeint hätten.“
Frankreich ist anders
Eine Lernkurve musste sie allerdings auch erstmal nehmen. Obwohl Frankreich ja ein Nachbarland ist, seien die Unterschiede sehr groß und natürlich sei sie auch in Fettnäpfchen getreten, etwa wenn sie in Gesprächen sofort zu den Zahlen und Fakten gekommen sei. Zum Glück habe es eine Kollegin gegeben, die die deutsche Mentalität kannte und ihr auch mal ganz direkt sagte, „Isolde, mach Dich mal locker.“
Der Faktor Mensch war es auch, der sie zu ihrem ersten Jobwechsel brachte. Noch immer in Frankreich wechselte Isolde Bachert zu Clariant, wo sie als Technical Sales Manager für die Regionen NAFTA und Benelux arbeitete und nun mehr Kundenkontakt hatte. Bei diesem Wechsel hat ihr heutiger Ehemann geholfen. Ihn hatte sie während einer Tagung kennengelernt. Er hatte den Wechsel von der Forschung zum Vertrieb schon hinter sich gebracht und stand ihr beratend zur Seite. Anfangs lebte er noch in Berlin, sodass die Beziehung zunächst über stolze 1100 km geführt wurde.
Alle Freiheitsgrade
Nach und nach nährten sich Isolde Bachert und ihr Mann dann auch geografisch an und leben nun seit fast 12 Jahren in Bielefeld zusammen. Zunächst ging es aber nach Wesel zu Byk Chemie. Nachdem sie sich bei Clariant schon Kontakt mit Netz und Dispergieradditiven hatte, brachte der Wechsel zu Byk die Chance den damals neuen Unternehmensbereich Additive für Thermoplasten komplett neu aufbauen. „Ich hatte alle Freiheitsgrade, das war eine riesige Spielwiese“, erinnert sie sich.
Große Freiheiten bergen allerdings auch Gefahren, schließlich besteht die Möglichkeit, sich in eine völlig falsche Richtung zu bewegen. Das hatte auch Isolde Bachert erkannt. „Da war dieser riesige Markt und nur technisches Verständnis reichte nicht mehr aus“, erinnert sie sich. So drückte sie noch einmal die Schulbank und absolvierte ein berufsbegleitendes BWL-Studium. „Es war wichtig Betriebswirtschaft und Kostenstrukturen zu verstehen und sich mit Businessplänen auszukennen“, sagt sie. Besonders gut gefallen habe ihr, das Gelernte direkt in Praxis umsetzen zu können.
Familie dank Frankreich
Auch wenn sie inzwischen mit ihrem Mann zusammenlebte, sei die Flexibilität beim Studium sehr wichtig gewesen, da das erste Kind auf dem Weg war. „Wenn ich nicht Frankreich gewesen wäre, weiß ich nicht, ob das mit Beruf und Familie so geklappt hätte. Vielleicht hätte ich auch gar keine Kinder“, sagt sie. Deutsche Frauen seien leider sehr gut darin sich selbst unter Druck zu setzen. In Frankreich dagegen, sei das im Alltag kein Thema. Wenn nicht gerade die Tagesmutter krank sei, spiele die Vereinbarkeit von Beruf und Familie keine Rolle im Alltag. Dies habe auf sie abgefärbt.
Nach weiteren Stationen bei Beratungsfirmen und Thyssen Krupp, in denen sie auch Erfahrung um das Thema Anlagenbau gewann, ist Isolde Bachert seit Anfang 2018 bei Follmann in Minden gelandet und leitet die Forschung und Entwicklung. „Back to the Roots“ nennt sie das, da sie mit Forschungsaufgaben schon länger nicht mehr direkt zu tun hatte. Allerdings suchte das Unternehmen auch keinen Forscher. „Ich wusste von meinen vorherigen Aufgaben, dass das Unternehmen Follmann mit knapp 700 Mitarbeitern an der Schwelle steht, wo es mehr Struktur, mehr Organisation, mehr Prozesse braucht.“ Genau das hatte auch das Mindener Unternehmen erkannt und wurde sich mit Isolde Bachert schnell einig.
Mitarbeiter entlasten und fördern
Die hört nun vor allem zu. Was macht die Arbeit leichter, was schafft Freiraum für Innovationen, wie kann man besser mit Schnittstellen arbeiten? Diese Fragen treiben sie um. „In den ersten sechs Wochen habe ich etwa 60 Mitarbeitergespräche geführt“, erzählt sie. Die Mitarbeiter hätten meist schon sehr gute Ideen. Ihre Aufgabe sieht sie darin, den Rahmen zu schaffen, damit daraus noch mehr Innovationen entstehen. „Wir sind schon sehr gut, ich will aber noch eine Schippe drauflegen, etwa indem ich Mitarbeitern Freiräume schaffe, in denen das Tagesgeschäft nicht stört.“
So agiert sie auch außerhalb der Arbeitswelt. Als Mentorin für das sogenannte KIM Programm berät sie Nachwuchsführungskräfte. Aktuell etwa betreut sie eine junge Frau, die sich nach dem ersten Kind mit dem Wiedereinstieg ins Berufsleben befasst und sich fragt, wie sie Karriere und Familie unter einen Hut bringt. Mit Isolde Bachert hat sie genau die richtige Mentorin gefunden, sie lebt genau das erfolgreich vor.
Jan Gesthuizen