Alle(s) unter einem Dach: Marten Riedl im Porträt
Zur Mittagszeit wird Marten Riedl für gewöhnlich von seiner vierjährigen Tochter abgeholt. Von seinem Arbeitsplatz zum Esstisch sind es nur wenige Meter. „Es ist ein riesiger Vorteil, wenn Wohnhaus und Arbeitsstelle unter einem Dach sind. So kann ich täglich mit meiner Familie zu Mittag essen“, sagt der 38-Jährige. Das war immer so. Als sein Vater das Unternehmen Sehestedter Naturfarben 1983 gründete war die räumliche Trennung nicht gegeben. 1995 zog man in eine ehemalige Bäckerei. Das Gebäude bot genügend Platz. Seit 2010 befinden sich der Betrieb und das Wohnhaus wieder unter einem Dach.
„Ich lebe hier mit meiner Frau, unseren beiden Töchtern und meinen Schwiegereltern“, sagt der in Eckernförde geborene Geschäftsführer. Für die eigenen Eltern wäre im Haus wohl auch noch Platz. Nachdem der Vater das Unternehmen an seinen Sohn übergab, wanderte er mit seiner Frau nach Kreta aus. „Sollten meine Eltern aus Kreta zurückkehren, würde es mich freuen, wenn auch sie in diesem Haus leben würden oder zumindest in unmittelbarer Nähe und nicht in einem Altenheim“.
2010 übernahm er bereits die Firma. Der Kauf hätte sich daher sicherlich noch einige Jahre verzögert, ist sich Riedl sicher. „Da aber meine Mutter bei der Aktion Mensch einen hohen Betrag gewonnen hatte, konnte sie das Unternehmen so auf einen Schlag sanieren und mein Vater konnte es mir übergeben und sich zur Ruhe setzen. Für meinen Vater und mich war schnell klar, wir sind uns da sehr einig, dass nur einer die Fäden in der Hand hat“. Für Riedl und seinen Vater war es daher wichtig, dass der Vater sich aus dem aktiven Geschäft zurückzieht, sobald er übernimmt. „Ich führe alles im Geiste meines Vaters fort, daher ist ihm das Loslassen auch nicht so schwergefallen.“
Durch und durch Nordlicht
Riedl verspürte nie den Druck das Unternehmen übernehmen zu müssen. Aufgewachsen ist er natürlich im und mit dem Betrieb. Seit 2001 half regelmäßig in der Produktion mit, aber nur soweit es die Zeit im Studium erlaubt. Er schrieb sich für Biotechnologie und Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg und der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg ein. „Damals trug mich meine große Skepsis gegenüber Antibiotika zu diesem Studienfach. Ich will etwas erst richtig verstehen und mich mit der Materie vertraut machen, bevor ich etwas kritisiere“, sagt Riedl. Natürlich war es von Vorteil, dass er in Hamburg studieren konnte und somit auch in der Nähe des elterlichen Betriebs und im Norden geblieben ist. „Ich passe einfach am besten in den Norden“, sagt der Geschäftsführer.
Beim Thema Farben hat er sich selbst sehr viel beigebracht. „Chemische Grundkenntnisse habe ich aber durch das Studium der Biotechnologie und Verfahrenstechnik erlangt.“ Rohstoffe, Formulierungen und Zusammenhänge verstehen, dieses Wissen ist für Riedl so wichtig, dass er die Grundlagen gerne an die nachfolgende Generation in der Lackindustrie vermittelt. Zweimal im Jahr lädt er Auszubildende im Fach Lacktechnik aus Husum und Hamburg zu sich ins Unternehmen ein und erläutert ihnen anhand von vielen Praxisbeispielen – ohne dieses in Rechnung zu stellen.
Türsteher auf dem Kiez
2006 übernahm Riedl die Produktionsleitung, jedoch nur von Freitag bis Sonntag. Neben der Tätigkeit beim Naturfarbenhersteller jobbte der Norddeutsche an den Wochenenden nachts auf dem Hamburger Kiez als Türsteher. Vier Jahre lang arbeitet er auf dem Hans-Albers-Platz. Das war eine Doppelbelastung am Wochenende, die ihm aber sehr viel Freude bereitet hat. In der ganzen Zeit musste sich Riedl aber nicht einmal mit Gewalt in Konflikten durchsetzen. „Ich bin ja eher der Schlanke und nicht muskulöse Typ. Vielleicht dachten die Menschen auch immer, dass ich durch meine doch eher schmächtige Statur diverse Kampftechniken beherrsche muss, um einen solchen Job zu machen. Konflikte löste ich jedoch stets durch Gespräche, denn Kampftechniken besitze ich keine“, sagt Riedl über seine Zeit an der Tür.
Während der Studienzeit lernt er auch seine heutige Ehefrau kennen. Als die Möglichkeit bestand die Firma, zu übernehmen, ist die gebürtige Hamburgerin mit ihm nach Sehestedt gezogen. „Wir haben aber immer noch eine kleine Wohnung im Hamburger Schanzenviertel und können somit immer ins Großstadtleben, wenn wir es wollen“, sagt Riedl.
Fußball: SC Sternschanze und SC St. Pauli
In der „Schanze“ sponsort er auch seit über sechs Jahren den SC Sternschanze. In dem Fußballverein kickte er zu Studienzeiten in der Kreisklasse. Derzeit kommt nicht mehr dazu selbst zu spielen. Bei den Profis schlägt sein Herz für den FC St. Pauli, sagt Riedl. Mit seiner älteren Tochter war er auch schon im Stadion. „Eine Halbzeit schaut sie sich auch schon an, in der zweiten Halbzeit war Konfetti einsammeln einfach spannender für sie.“
Von Damir Gagro