Konformitäten zentral erfassen

Mit Gütesiegeln und Labeln versuchen viele Endanwender sich vom Wettbewerb abzusetzen. Für Lackhersteller wird der Aufwand alle damit verbundenen Konformitäten zu erfüllen immer größer. Martina Kandler, Managing Director bei Lott Lacke erklärt, wie das besser werden könnte.

Martina Kandler
Martina Kandler

Was sind Konformitätsprüfungen?

Dahinter stehen in der Regel Gütesiegel, mit denen sich unsere Kunden und Hersteller von Bauprodukten Vorteile versprechen, indem sie sich von Marktbegleitern abgrenzen und besondere Eigenschaften hervorheben möchten. Natürlich gibt es auch so etwas wie die EU-Verordnung REACH, die für alle Lacklieferanten verbindlich ist. Wenn es um Gütesiegel geht, findet man die relevanten Daten allerdings meist nicht mehr in den verfügbaren technischen und Sicherheits-Datenblättern, sondern muss „tiefer graben“. Dabei geht es dann oft um strengere Grenzwerte und Anforderungen als die allgemeinen Daten aus den Datenblättern. Das bedeutet für Lackhersteller, dass man die gesamte Wertschöpfungskette entlang die benötigen Daten ermitteln und bei den jeweiligen Zulieferern abfragen muss.

Welches sind die relevanten Labels, die man hier kennen muss?

Die wichtigsten, die hier angefragt werden, sind Greentag, Cradle-to-Cradle, IKEA IOS-MAT, Proposition List 65 und vermehrt auch Blauer Engel, Swan Label (Nordic Ecolabelling) und Ecolabel. Und dann gibt es noch individuelle landestypische Label. Den Anspruch, seine Endabnehmer noch besser über Inhaltsstoffe aufzuklären und einen Mehrwert verkaufen zu wollen, unterstützen wir natürlich bestmöglich. Aber es bindet viele Kapazitäten, und jeder Lackhersteller macht im Grunde die gleiche Arbeit doppelt und dreifach.

Warum ist der Aufwand so hoch?

Wenn wir beispielsweise eine Anfrage für einen unserer Lacke bekommen, der 20 Rohstoffe enthält, müssen wir bei bis zu 20 unterschiedlichen Rohstofflieferanten die jeweils labelrelevanten Daten abfragen. Manche Rohstofflieferanten wollen diesen zusätzlichen Aufwand dann bezahlt haben, andere wollen eine Zusage, dass man den Rohstoff am Ende auch kauft. Nach Erhalt der Daten muss man vernünftig dokumentieren, braucht also Datenbanken, um daraus dann eigene Konformitätserklärungen erstellen zu können. Der Aufwand fällt natürlich nicht nur für einen Lack an, sondern für viele unterschiedliche Rezepturen.

Wie lange dauert dieser Prozess?

Das kann sich mehrere Monate hinziehen. Und daraus ergibt sich direkt das nächste Problem. Heutzutage ändern sich Datenblätter manchmal monatlich bzw. in sehr kurzen Abständen. Wie aktuell sind meine Daten eigentlich in dem Moment, in dem ich alle Daten beisammen habe und meine eigene Konformitätserklärung abgebe?

Um welche Daten geht es dabei?

Es gibt beispielsweise Gütesiegel, die fordern, dass kein Zinn mehr im Lack enthalten sein darf oder aber nur noch gewisse Mengen. Solche Zinnmengen kann man nicht zwingend an gängigen Datenblättern erkennen, daher kommen wir ohne individuelle Abfragen für jeden eingesetzten Rohstoff nicht ans Ziel.

Wie könnte das Ganze besser gestaltet werden?

Da gibt es verschiedene Ideen, die man im Detail zu Ende denken müsste. Wenn zum Beispiel in einem Monat 25 verschiedene Lackhersteller 25 identische Rohstoffe bei denselben 25 Rohstofflieferanten abfragen, wäre es für alle Beteiligten ein Gewinn, wenn man als Lieferant die gängigsten Konformitäten zentral in eine übergeordnete Datenbank eintragen und als Lackhersteller die gängigsten Konformitäten zentral in einer übergeordneten Datenbank abfragen könnte. Rohstoffhersteller x veröffentlicht beispielsweise zu seinen Produkten A-F in einer zentralen Datenbank Konformitätserklärungen zu den gängigsten Gütesiegeln 1, 2 und 3 mit dem jeweiligen Veröffentlichungsdatum. Die 25 Lacklieferanten erhalten Zugangsdaten und können die für sie relevanten Informationen dort einsehen und verwenden. Zu schützen wäre natürlich das geistige Eigentum. Zugriffe auf die Datenbank dürften keinen Rückschluss darauf zulassen, wer welche Rohstoffe abgefragt hat.

Eine zentrale Datenbank hätte darüber hinaus den großen Vorteil, dass Hersteller von Bauprodukten den Endverbrauchern schneller mitteilen könnten, welche Produkte konform sind.

Gibt es da schon konkrete Kooperationen?

Bisher nicht. Ich habe schon Kontakt mit dem Verband der Chemischen Industrie e.V. aufgenommen, und es gibt dort auch Interesse. Aber es steht und fällt so ein wenig mit der Art der Umsetzung einer solchen zentralen Datenbank. Wer macht etwa den ersten Schritt? Wir als Lackhersteller? Oder wäre es nicht bei den Rohstoffherstellern besser angesiedelt? Wenn wir uns jetzt etwa mit anderen Lackherstellern zusammentun und eine Datenbank auf Lackherstellerebene ins Leben rufen, dann hätten wir in einer zu kleinen Gruppe schnell die Situation, dass Rückschlüsse auf die Rezepturen der anderen Marktbegleiter möglich wären.

Es muss also so anonym sein, dass man nichts zurückverfolgen kann und dennoch so offen, dass die erwünschten Synergieeffekte eintreten können. Und auch die Rohstoffhersteller hätten dadurch große Vorteile. Denn sie müssten dieselben Fragen nicht mehrfach beantworten, sondern nur einmal. Ich erhoffe mir, dass sich auf dieses Interview ein paar Unternehmen melden, die Interesse daran haben, die herkömmliche Situation zu verbessern.

Haben Sie auch schon mal die Entscheidung getroffen, gewisse Siegel bedienen wir nicht, da der Aufwand zu hoch wäre?

Das nicht. Aber wir kommunizieren mit unseren Kunden schon sehr offen, welcher Aufwand pro Lackrezeptur anfällt.

Wie viele Kräfte bindet das bei Ihnen im Unternehmen?

Wir können inzwischen eine eigene Abteilung damit beschäftigen, die Daten abzufragen, zusammenzutragen, auszuwerten und eigene Konformitätserklärungen herauszugeben. Diverse Regelwerke werden zudem alle paar Jahre überarbeitet, erfordern Updates und bringen u. U. neue Grenzwerte mit sich. Das ist also immer in Bewegung – und die Zahl an Abfragen steigt stetig.

Kontakt: martina.kandler@lott-lacke.de

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