Green Deal und Pigmententwicklung: Wie Regularien die Auswahl und Innovation in der Farbenindustrie beeinflussen

Dr. Markus Wiesener und Karim Fardassi geben unserer FARBE UND LACK-Redakteurin Bettina Hoffmann Einblicke, wie der Green Deal und andere Regularien die Entwicklung und Auswahl von Pigmenten prägen. Sie diskutieren die Balance zwischen Nachhaltigkeit und Leistung sowie die Herausforderungen beim Recycling von beschichteten Materialien.

Dr. Markus Wiesener und Karim Fardassi erläutern Bettina Hoffmann die Herausforderungen und Entwicklungen in der Pigmentindustrie im Kontext neuer Regularien und nachhaltiger Innovationen. Quelle: vchalup - adobe.stock.com

Welchen Einfluss haben der Green Deal und andere Regularien auf Entwicklung und Auswahl von Pigmenten?

Dr. Markus Wiesener & Karim Fardassi: Einer der ersten Punkte, die mit dem Green Deal in Verbindung gebracht werden, ist der Carbon Footprint. Die offensichtlichste Möglichkeit diesen zu senken, ist die Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Insbesondere bei den (Metallic-)Pigmenten ist die Verwendung recycelter Rohstoffe ein signifikanter Punkt, um CO2 in der Wertschöpfungskette einzusparen.

Neben dem CO2 Fußabdruck ist die Herkunft der Pigmentrohstoffe entscheidend. Bei Verwendung nachwachsender Rohstoffe sollen Lebensmittelanbauflächen nicht negativ beeinflusst werden und es darf kein Regenwald abgeholzt werden (EUDR). Das Recycling darf nicht mehr Energie verbrauchen bzw. die Umwelt negativ beeinflussen, als die bisherigen Prozesse. Ebenso wenig darf gegen Menschenrechte, Arbeitsschutzrichtlinien usw. verstoßen werden oder Rohstoffe aus Konfliktmineralien verwendet werden (z.B. CMRT, Dodd-Frank Act, ILO-Richtlinien, LkSG, CSDDD). Die Verringerung des CO2 Fußabdrucks durch Verwendung nachwachsender Rohstoffe bei Pigmenten ist hinsichtlich technischer Herausforderungen noch eher nebensächlich. Den größten Einfluss auf die Entwicklung und die Auswahl von Pigmenten haben Regularien, welche die Lieferkettensorgfaltspflicht betreffen, wie die genannten Konfliktmineralien.


Veranstaltungstipp: Onlineseminar Dispergieren in der Lack- und Farbherstellung

Alles fängt bei der Dispersion an und sie zu erzeugen, ist viel komplizierter, als man denkt. Diesen Kernprozess der Farben- und Lackproduktion zu verstehen, gehört zu den essentiellen Grundkenntnissen der Branche. Das Webinar ‚Dispergieren in der Lack- und Farbherstellung‘ am 20. November liefert Ihnen genau dazu alle wichtigen Informationen. Erfahren Sie, wie die Prozesse aussehen müssen, damit Ihre Pigmente im Lack optimal vereinzelt werden und anschließend nicht wieder agglomerieren.


Was sind die größten Herausforderungen in der Entwicklung von neuen Pigmenten bzw. neuen Farbtönen?

Wiesener & Fardassi: Die Entwicklung neuer Pigmente und Farbtöne steht vor mehreren Herausforderungen. Eine der größten ist die Balance zwischen Nachhaltigkeit und Performance. Neue Pigmente müssen nicht nur strengeren Regularien entsprechen, sondern auch die technischen Anforderungen erfüllen, wie Chemikalienbeständigkeit, Farbtiefe bzw. -brillanz und Kosteneffizienz. Pigmente basierend auf z.B. Fruchtkernen oder geschredderten Reifen zeigen nicht die gleiche Farbbrillanz wie synthetische Alternativen, was die Anwendungsmöglichkeit stark einschränken kann.

Zudem ist der Markt für nachhaltige Pigmente noch nicht weit genug entwickelt, um größere Mengen zur Verfügung zu stellen, wodurch höhere Rohstoffpreise resultieren. Neben der Verarbeitung neuer Pigmente mit bestehenden Systemen rückt das Thema Recycling von beschichteten Getränkeflaschen und -flakons in den Vordergrund. Die Herausforderung besteht darin, beschichtete Glassplitter zu detektieren und somit wieder in den Recyclingzyklus zu bringen. Aufgrund der deckenden Beschichtung werden diese als nicht recyclebar erkannt und somit aussortiert. Hier Bedarf es einen Austausch zwischen Sortierherstellern und Lack-/Rohstoffentwicklern, um die Wiederverwertung effizienter zu gestalten.

Hersteller zu diesem Thema