Gefahrstoffe: So geht’s leichter

Bei der Herstellung von Farben und Lacken werden in der Regel Gefahrstoffe eingesetzt. Arbeitgeber sind verpflichtet, Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten zu gewährleisten. Was müssen Unternehmen hier beachten?

Globale PFAS-Vorschriften: Ein komplexes Geflecht von Aufsichtsbestimmungen. Quelle: vege - adobe.stock.com

Zentrales Regelwerk ist die Gefahrstoffverordnung, die zuletzt 2021 geändert wurde. Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe geben den jeweiligen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen wieder. Unternehmen sind in der Pflicht: Sie erleichtern sich die Arbeit, indem sie Gefahrstoffmanagement als Prozess betrachten und praxistaugliche Softwareanwendungen einsetzen.

Gefahrstoffe managen: Pflichten aus der Gefahrstoffverordnung

Als Gefahrstoffmanagement wird i. A. der Prozess von Auswahl und Beschaffung eines Gefahrstoffs bis zu seiner Verwendung bezeichnet. Wenn im Unternehmen Verfahren angewendet werden, durch die Gefahrstoffe erst entstehen, ist eine systematische Vorgehensweise in Form eines Managements ebenfalls sinnvoll. Bezogen auf die Gefahrstoffverordnung beinhaltet das Gefahrstoffmanagement i. W. folgende Pflichten:

  • Gefährdungsbeurteilung (§ 5 Arbeitsschutzgesetz, § 6 GefStoffV, TRGS 400)
  • Ableitung von Schutzmaßnahmen (Abschnitt 4 GefStoffV, TRGS 500)
  • und Überprüfung ihrer Wirksamkeit (§ 7 GefStoffV)
  • Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung, u. a. der getroffenen Maßnahmen (§§ 6 und 7 GefStoffV)
  • Information und Unterweisung der Beschäftigten (§ 14 GefStoffV)

Arbeitgeber müssen diese Anforderungen erfüllen. Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt können den Unternehmer bei der Umsetzung beraten.

Für Farben- und Lackhersteller ist die „product legal compliance“ ein weiterer wichtiger Aspekt: Unternehmen müssen alle nationalen und ggf. internationalen rechtlichen, produkt-relevanten und regulatorischen Vorgaben beachten, die ein Produkt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens einhalten muss (z. B. REACh- und CLP-Verordnung). Hierauf wird in diesem Artikel nicht eingegangen.

Gefahrstoffmanagement als Prozess

Gefahrstoffmanagement als Prozess betrachtet, umfasst bei der Herstellung von Farben und Lacken v. a. die Themen Auswahl und Beschaffen, Wiegen und Dosieren, Ansetzen, Dispergieren, Komplettieren und Prüfen, Filtern, Abfüllen, Lagern und Transportieren. Verantwortliche im Arbeits- und Gesundheitsschutz profitieren von Software, die den gesamten Prozess abbildet.

Auswahl und Beschaffen

Vor der Einführung eines neuen Stoffes muss zunächst geprüft werden, ob es sich um einen Gefahrstoff handelt. Informationen liefert i. W. das Sicherheitsdatenblatt: Gefahrenpiktogramme weisen auf Gefahren hin, H-Sätze beschreiben Gefährdungen und P-Sätze geben Sicherheitshinweise. Vor der Einführung eines neuen Verfahrens, muss geprüft werden, ob Gefahrstoffe entstehen können.

Gefährdungsbeurteilung

Vor Aufnahme der Tätigkeit mit Gefahrstoffen muss dann eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und dokumentiert werden. Dies gilt auch für Stoffe, die erst durch das Arbeitsverfahren entstehen können, z. B. beim Mahlen und Zerkleinern von Schmelze bei der Pulverlack-Herstellung. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung erfolgt auch die Substitutionsprüfung, dabei muss geprüft werden, ob ein nicht oder weniger gefährdender Stoff und / oder Verfahren eingesetzt werden kann. Erst nach Freigabe kann der Gefahrstoff im Betrieb verwendet werden.

Verfügt der Arbeitgeber nicht über die erforderlichen Kenntnisse, muss er sich fachkundig beraten lassen. Es empfiehlt sich, die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder Experten der zuständigen BG einzubeziehen.Die Gefährdungsbeurteilung muss in regelmäßigen Abständen und bei gegebenem Anlass überprüft und ggf. aktualisiert werden, der Arbeitgeber muss das Überprüfungsintervall festlegen.

Schutzmaßnahmen

Geeignete Schutzmaßnahmen müssen festgelegt, umgesetzt und deren Wirksamkeit überprüft werden. Auch die besonderen Anforderungen an den Gesundheitsschutz für Jugendliche sowie schwangere und stillende Frauen müssen dabei berücksichtigt werden. Ein Gefahrstoffverzeichnis für alle im Unternehmen verwendeten Gefahrstoffe muss grundsätzlich erstellt und aktualisiert werden. Es muss mindestens folgende Angaben enthalten:

  • Bezeichnung des Gefahrstoffs,
  • Einstufung des Gefahrstoffs oder Angaben zu den gefährlichen Eigenschaften,
  • Angaben zu den im Betrieb verwendeten Mengen,
  • Bezeichnung der Arbeitsbereiche, in denen Beschäftigte dem Gefahrstoff ausgesetzt sein können.
  • Typische Gefahrstoffe und Gefährdungen bei der Herstellung 

Typische Tätigkeiten sind v. a. Wiegen und Dosieren, Ansetzen, Dispergieren, Komplettieren und Prüfen, Filtern sowie Abfüllen. Im Jahr 2021 wurden ca. 1,6 Mio. t Farben und Lacke in Deutschland verbraucht. Gesundheitsgefahren durch Einatmen oder Hautkontakt hängen i. W. von eingesetzten Stoffen und angewendeten Verfahren ab.

GISCODE und Produkt-Code

Be- und Entschichtungsstoffe vergleichbarer Gefährdungen, Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln werden zu Gruppen zusammengefasst und müssen mit dem entsprechenden Produkt-Code bzw. GISCODE gekennzeichnet werden, also in Sicherheitsdatenblatt, technischem Merkblatt, Gebindeetikett usw. So tragen z. B. bestimmte wasserbasierte Beschichtungsstoffe den GISCODE BSW20, Epoxidharzdispersionen werden z. B. mit RE05 oder RE10 gekennzeichnet. Anhand des Codes können Anwender über die Website der BG Bau die entsprechende Produktinformation auswählen. Sie liefert u. a. Informationen zu Gesundheitsgefahren, Ersatzprodukten, Grenzwerten und Schutzmaßnahmen.

Betriebsanweisungen und Unterweisungen

Mitarbeiter müssen vor Aufnahme der Beschäftigung und danach regelmäßig mündlich über die bestimmungsgemäße Verwendung der Gefahrstoffe sowie mögliche Gefährdungen und geeignete Schutzmaßnahmen unterwiesen werden. Unterweisungen müssen anhand von schriftlichen Betriebsanweisungen durchgeführt werden.

Informationen für Betriebsanweisungen liefert i. W. das Sicherheitsdatenblatt. Betriebsanweisungen müssen bei jeder maßgeblichen Änderung aktualisiert werden. Mustervorlagen müssen an die spezifischen Gegebenheiten im Unternehmen angepasst werden. Sie enthalten i. d. R. auch Angaben zum sicheren Lagern und sachgerechten Entsorgen.

PDF-Sicherheitsdatenblätter automatisch einlesen

Sicherheitsdatenblätter liegen meist in Papierform oder als PDF-Dateien vor. Um relevante Informationen für das Gefahrstoffmanagement zu nutzen, werden diese dann sowohl im Gefahrstoffverzeichnis als auch in Betriebsanweisungen manuell erfasst, durch mühsames Abtippen oder „Kopieren und Einfügen”. Auch die Aktualisierung ist sehr aufwändig.

Software-Anwendungen ermöglichen nun erstmals, PDF-Sicherheitsdatenblätter automatisch einzulesen. Das Einleseprogramm prüft die Datenqualität mittels KI und weist auf Texte hin, die überprüft werden sollen, bevor die Daten weiter bearbeitet werden. Diese Plausibilitätsprüfung wird dokumentiert. Durch anschließende Freigabe der Daten entsteht ein individuelles Gefahrstoffverzeichnis. Dort stehen die Daten zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung: U. a. können Anwender auf Knopfdruck Betriebsanweisungen erstellen und aktualisieren. Ein Anbieter für eine Software für Gefahrstoffe mit dieser neuen Funktionalität ist QUMsult (weitere Informationen unter: https://qumsult.de/sicherheitsdatenblatt-automatisch-einlesen/).

Lagerung und Transport

Beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen muss z. B. sichergestellt werden, dass sie nicht ins Grund- oder Oberflächenwasser gelangen. Bei der Lagerung entzündbarer Flüssigkeiten müssen v. a. Brand und Explosion wirksam verhindert werden. Dazu legen Technische Regeln fest, wie die Lagerung in ortsbeweglichen oder ortsfesten Behältern erfolgen muss: Die TRGS 510 „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“ legt u. a. fest, welche Maßnahmen grundsätzlich bzw. ab welchen Mengen zusätzliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen (Mengenschwellen s. Tab. 1 in Abschn. 1 TRGS 510). Auch die Beschaffung benötigt diese wichtige Information, um Kleinmengen nicht zu überschreiten oder vor Überschreiten der Mengenschwelle die Verantwortlichen im Arbeitsschutz zu informieren, die wiederum überprüfen müssen, welche zusätzlichen Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Und schließlich muss der sichere innerbetriebliche Transport gewährleistet werden.

Gefahrstoff wird zum Gefahrgut

Soll ein Gefahrstoff auf öffentlichen Verkehrswegen transportiert werden, muss zunächst geprüft werden, ob er nach ADR (für den Verkehrsweg Straße) als Gefahrgut einzustufen und zu behandeln ist. Farbe ist i. d. R. ein Gefahrgut der Klasse 3, Verpackungsgruppe I, UN 1263. Eine Einzelverpackung, z. B. ein Fass, wird dann sowohl nach den Gefahrgutvorschriften, als auch nach CLP-Verordnung gekennzeichnet. Bei gleicher Gefahr kann auf das entsprechende GHS-Piktogramm verzichtet werden, jedoch nicht auf den Gefahrzettel (Gefahrgut-„Piktogramm“). Umgekehrt muss nicht jedes Gefahrgut auch ein Gefahrstoff sein. Produkte wie z. B. Lithiumbatterien sind beim Transport zwar als Gefahrgut zu behandeln, zählen jedoch nach der GefStoffV nicht zu Gefahrstoffen. Sie müssen daher nicht gem. CLP-Verordnung eingestuft und gekennzeichnet werden.

Entsorgung

Gefahrstoffe, die nicht „aufgebraucht“ oder im Rahmen der betrieblichen Anwendung entstehen, müssen sachgerecht entsorgt werden, dies gilt auch für leere Gebinde. Wichtige Informationen zur Entsorgung liefert Abschnitt 13 des Sicherheitsdatenblatts v. a. mit dem Abfallschlüssel.

Zu den unternehmerischen Pflichten gehört schließlich auch, die arbeitsmedizinische Vorsorge zu organisieren: Bei welchen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen Pflicht- bzw. Angebotsvorsorge erfolgen muss, legt die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) fest.

Braucht es einen Gefahrstoffbeauftragten?

Die Funktion eines Gefahrstoffbeauftragten ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dennoch können im Unternehmen Verantwortliche Aufgaben im Bereich Gefahrstoffe übernehmen. Das Gefahrstoffrecht fordert die Fachkunde gemäß § 2 Abs. 16 GefStoffV und für bestimmte Tätigkeiten (z. B. Begasungen) die Sachkunde mit Lehrgangsnachweis.

Fazit

Eine systematische Vorgehensweise erleichtert die Arbeit: Gefährdungsbeurteilung, Betriebsanweisungen und Gefahrstoffverzeichnis müssen aktualisiert, die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen überprüft und Änderungen von Vorschriften im Arbeits- und Gesundheitsschutz identifiziert und umgesetzt werden. Dies ist keine einmalige Aufgabe sondern ein kontinuierlicher Prozess. Der Einsatz geeigneter Software spart Zeit und Geld.

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