Freispruch für Azopigmente

Nach sechs Jahren konnten Pigmenthersteller das Umweltbundesamt von der Einstufung der drei Azopigmente Pigment Yellow 12, Pigment Yellow 13 und Pigment Yellow 83 als nicht wasser­gefährdend (nwg) überzeugen. Mit der Neueinstufung wurden hohe Auflagen abgewendet.

Gestetze
Die Europäische Chemikalienagentur habe Fehler begangen Bildquelle: studio v-zwoelf - StockAdobe.com

Im Februar 2021 wurde im Bundesanzeiger die Einstufung der drei Azopigmente durch das Umweltbundesamt (UBA) als nwg veröffentlicht. Die Neubewertung erfolgte auf Antrag des Verbands der Mineralfarbenindustrie e. V. (VdMi) und bestätigt die Aussagen der Pigmenthersteller, dass die zuvor festgelegte Einstufung in die höchste Wassergefährdungsklasse WGK 3 (stark wassergefährdend) für diese Pigmente unzutreffend ist. Druckfarben, die diese drei Pigmente insbesondere als Skalenpigmente im Vierfarbendruck verwenden, können dadurch wieder eine niedrigere WGK-Einstufung erhalten. Für viele Druckfarbenhersteller und -verarbeiter bedeutet dies, dass ein kostspieliger Umbau der Anlagen abgewendet werden konnte.

Ringen um die WGK-Einstufung dauerte sechs Jahre

Im Oktober 2014 beschloss die damalige Kommission Bewertung wassergefährdender Stoffe (KBwS), „Azofarbstoffe/Azoverbindungen mit einer potenziell durch reduktive Azospaltung freisetzbaren krebserzeugend einzustufenden (H350) Aminkomponente“ unter dem Gruppeneintrag 9001 mit WGK 3 einzustufen. In diesen Eintrag wurden dann auch verschiedene Azopigmente eingegliedert, obwohl die WGK-Einstufung für den Gruppeneintrag sicherlich auf den löslicheren Azofarbstoffen beruht. Der KBwS-Beschluss wurde in die Rigoletto-Datenbank aufgenommen, in welcher die WGK-Einstufungen für verschiedene Stoffe eingesehen werden können.

Nach Auffassung der Azopigment-Hersteller ist es aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften von Azopigmenten und Azofarbstoffen nicht gerechtfertigt, beide Stoffgruppen unter den Gruppeneintrag 9001 zu fassen. Insbesondere wegen der geringen Löslichkeit findet eine Abspaltung der Aminkomponente bei den Pigmenten nicht statt. Daher wandten sie sich über den VdMi im Jahr 2015 an das UBA, um der Einstufung zu widersprechen und Daten vorzulegen, die eine geringere Wassergefährdung belegen. Dabei stellte sich heraus, dass das zuständige Gremium nicht mehr zur Diskussion der Daten zur Verfügung stand:

MAK-Kommission übernimmt

Die KBwS wurde Ende 2014 aufgelöst und sollte erst unter der neuen Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV), die in Kürze verabschiedet werden sollte, reaktiviert werden. Doch die Neufassung der AwSV zog sich weitere drei Jahre hin. Während dieser Zeit lehnten UBA und Umweltministerium es ab, Fachdiskussionen mit den Pigmentherstellern über die Einstufung der Azopigmente zu führen, da in dieser Zeit die Zuständigkeiten unklar waren.

Letztendlich wurden die Hersteller an die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe, die sog. MAK-Kommission, verwiesen. Der Beschluss der KBwS beruhte auf einer MAK-Entscheidung, grundsätzlich alle Azofarbmittel mit einer als krebserzeugend einzustufenden Aminkomponente so zu behandeln, als wäre das Farbmittel selbst entsprechend als krebserzeugend eingestuft. Im Einzelfall ist das Gegenteil durch Experimente nachzuweisen, z. B. im Fall der Azopigmente, die wegen der geringen Löslichkeit nicht bioverfügbar sind. Daher sollte nun die MAK-Kommission über das krebserzeugende Potential der Azopigmente entscheiden.

Der VdMi nahm daraufhin im Dezember 2016 Kontakt zur MAK-Kommission auf und beantragte die Überarbeitung des MAK-Eintrags für die Azopigmente. Die Hersteller legten dazu Daten von Löslichkeitsstudien (Biodissolution) zu Pigment Yellow 12, Pigment Yellow 13 und Pigment Yellow 83 als Grundlage für die Neubewertung vor.

WGK 3 wurde nach Inkrafttreten der AwSV verbindlich

Die WGK-Einstufung der Azopigmente war lange Zeit nicht rechtsverbindlich, da der KBwS-Beschluss nicht im Amtsblatt veröffentlicht war. Mit der Überarbeitung der AwSV machte das UBA jedoch Tabula rasa: Alle Rigoletto-Einträge wurden im August 2017 im Amtsblatt veröffentlicht und damit rechtsverbindlich. Es war nicht möglich, die Veröffentlichung der Einträge für die Azopigmente, die aktuell überprüft wurden, zu verzögern. Auch galt für alle Stoffe, die nicht durch das UBA eingestuft waren, unter der neuen AwSV automatisch die Einstufung als WGK 3.

Mit der rechtsverbindlichen Einstufung der Azopigmente in WGK 3 waren Gemische und damit Druckfarben, die mindestens 3 % dieser Stoffe enthalten, auch in WGK 3 einzustufen. Für Anlagen bedeutet dies nach AwSV, dass sie bereits ab einem Nennvolumen von 10 m³ (bzw. einer Masse von 10 t) von Stoffen und Gemischen der WGK 3 in die höchste Gefährdungsstufe (Stufe D) einzuordnen sind. Für die Anlagen der Druckfarben- und der Druckindustrie, die meist der Gefährdungsstufe A oder B zuzuordnen sind, wäre dies eine gravierende Änderung.

Höhere Anforderungen für Stufe D

Anlagen der Stufe D unterliegen einer wiederkehrenden Prüfpflicht (alle 5 Jahre) und müssen höhere Anforderungen, beispielsweise an das Rückhaltevolumen, erfüllen. Sind wesentliche Änderungen an solchen Anlagen beabsichtigt, müssen diese im Voraus bei der Behörde angezeigt werden. Anlagen der Gefährdungsstufe D dürfen in der weiteren Zone von Schutzgebieten nicht errichtet oder erweitert werden. Höhere Anforderungen an bestehende Anlagen, die sich aus einer Änderung der WGK-Einstufung ergeben, müssen grundsätzlich erst erfüllt werden, wenn die Behörde dies nachträglich anordnet.

Durch die frühzeitige gemeinsame Information der drei Branchenverbände VdMi, dem Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) sowie dem Bundesverband Druck und Medien (bdvm) über das laufende Bewertungsverfahren konnten Behördenanordnungen dazu weitestgehend abgewendet werden.

Nach drei Jahren Unsicherheit endlich Klarheit

Endlich, im Juli 2020 wurden mit der Veröffentlichung der MAK- und BAT-Werte-Liste 2020 die drei Azopigmente Pigment Yellow 12, Pigment Yellow 13 und Pigment Yellow 83 als Stoffe eingestuft, von denen kein Beitrag zum Krebsrisiko über genotoxische Wirkmechanismen für den Menschen zu erwarten ist (Kategorie 4).

Dieses Ergebnis hat der VdMi an das UBA weitergeleitet und eine Neubewertung der drei Azopigmente gemäß § 7 Absatz 1 AwSV beantragt. Nach drei Monaten teilte das UBA im Oktober 2021 endlich dem VdMi mit, dass die drei Azopigmente nun als nwg gelten.

Unmittelbar nachdem die Allgemeinverfügung im Februar 2021 im Amtsblatt veröffentlicht wurde, wurde auch der Eintrag in der Rigoletto-Datenbank korrigiert. Die drei Pigmente sind nun unter den Kennnummern 10561, 10562 und 10563 als nwg zu finden.

Ein Freispruch für die drei Schlüsselpigmente im Druckfarbenbereich, während die verbliebenen Azopigmente Pigment Yellow 14, Pigment Yellow 174, Pigment Yellow 188, DCB-AAA-AAOT, Pigment Orange 13 und Pigment Orange 34, obwohl sie ähnliche Eigenschaften wie die drei Schlüsselpigmente besitzen, im Gruppeneintrag 9001 verbleiben. Das UBA ließ sich nicht davon überzeugen, auch für diese Pigmente aufgrund der vergleichbaren Eigenschaften die WGK-Einstufung schnell und unbürokratisch zu ändern.

Für die Hersteller und Anwender der Druckfarben führt dies zu einer uneinheitlichen Situation: Je nach verwendeten Pigmenten können sich unterschiedliche Konsequenzen für die Anlagen ergeben, obwohl die Stoffe an sich ähnliche Eigenschaften besitzen. 

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