EU-Ökodesign-Verordnung für die Kleb- und Dichtstoffindustrie: Schlüsselrolle für Kreislaufwirtschaft und Elektronikrecycling

Ende Juli trat die EU-Ökodesign-Verordnung 2024/1781 („ESPR“ – „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“; ABl. EU 2024 L 2024/1781) in Kraft. Diese neue Verordnung ersetzt die bisherige Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG und erweitert den Geltungsbereich der Ökodesign-Anforderungen erheblich – im Einklang mit dem Aktionsplan der Europäischen Kommission für die Kreislaufwirtschaft vom 11.03.2020.

Die neue EU-Ökodesign-Verordnung fördert innovative Lösungen für eine verbesserte Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit in der Elektronikindustrie. Quelle: kwarner - adobe.stock.com

Während die alte Richtlinie nur energieverbrauchsrelevante Produkte erfasste, können nach der ESPR nun für nahezu alle Produkte, die innerhalb der EU gehandelt werden, entsprechende Anforderungen erlassen werden. Die Verordnung definiert Ökodesign als „die Berücksichtigung ökologischer Nachhaltigkeitsaspekte in den Produkteigenschaften und in den Prozessen entlang der gesamten Wertschöpfungskette“ (Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 ESPR). Dies verdeutlicht, dass die ESPR den gesamten Lebenszyklus eines Produkts – von der Herstellung bis zur Entsorgung – abdeckt.

Wie bei neueren EU-Produktregulierungen üblich, ist die ESPR als Rahmenverordnung konzipiert, die durch delegierte Rechtsakte der Kommission für spezifische Produktgruppen konkretisiert wird. Zudem bestehen in bestimmten Bereichen Durchführungsbefugnisse der Kommission (vgl. Art. 11 Abs. 4 ESPR).

Aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs und der weitreichenden Auswirkungen der delegierten Verordnungen auf die betroffenen Produktgruppen wird die ESPR in Zukunft bedeutende Konsequenzen für Unternehmen in der EU haben.

Anwendungsbereich und Funktionsweise der Ökodesign-Verordnung

Mit der ESPR wird der Anwendungsbereich möglicher Ökodesign-Anforderungen auf nahezu alle physischen Waren, einschließlich ihrer Bauteile und Zwischenprodukte, die in der EU in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, ausgeweitet. Ausgenommen sind Lebensmittel, Futtermittel, Arznei- und Tierarzneimittel, lebende Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen sowie bestimmte Fahrzeuge, für die bereits sektorspezifische EU-Regelungen bestehen (Art. 1 Abs. 2 ESPR). Im Gegensatz zur alten Richtlinie, die nur energieverbrauchsrelevante Produkte wie Kühlschränke, Fernseher oder Leuchtmittel erfasste, können nun weit mehr Produkte reguliert werden.

Die ESPR stellt die Grundsätze, Bedingungen und Kriterien für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen auf. Die spezifischen Anforderungen für einzelne Produktgruppen werden durch delegierte Rechtsakte der Kommission definiert, die in den kommenden Jahren verabschiedet werden. Dazu wird die Kommission einen Arbeitsplan erstellen, der festlegt, wann für welche Produktgruppen Anforderungen erarbeitet werden (Art. 18 Abs. 3 ESPR). Im Rahmen dieses Prozesses werden auch Interessengruppen im sogenannten Ökodesign-Forum konsultiert.

Der erste Arbeitsplan soll bis zum 19. April 2025 verabschiedet werden und sich zunächst auf die in Art. 18 Abs. 5 ESPR genannten Produktgruppen konzentrieren:

  • Eisen und Stahl
  • Aluminium
  • Textilien, insbesondere Bekleidung und Schuhe
  • Möbel, einschließlich Matratzen
  • Reifen
  • Waschmittel
  • Anstrichmittel
  • Schmierstoffe
  • Chemikalien
  • Energieverbrauchsrelevante Produkte, für die entweder erstmals Anforderungen festgelegt oder bestehende Anforderungen überprüft werden sollen
  • Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie sonstige Elektronikgeräte

Das Ökodesign-Forum wird voraussichtlich noch im Jahr 2024 eingerichtet.

Die delegierten Rechtsakte legen konkrete Ökodesign-Anforderungen fest (Art. 4, 8 ESPR). Diese betreffen Produktaspekte wie Funktionsbeständigkeit oder Recyclingfähigkeit und unterscheiden zwischen Leistungs- und Informationsanforderungen (Art. 5 ESPR). Leistungsanforderungen beruhen auf Produktparametern wie garantierter Lebensdauer oder der Verwendung recycelbarer Materialien (Art. 6 ESPR). Informationsanforderungen, die unter anderem den neuen digitalen Produktpass umfassen, sollen es Kund:innen und anderen Akteur:innen erleichtern, relevante Informationen über das Produkt zu erhalten und die Anforderungen zu erfüllen (Art. 7 ESPR). Dies schließt auch Vorgaben zur Etikettierung ein (Art. 16 ff. ESPR).

Neuer digitaler Produktpass

Die ESPR führt einen digitalen Produktpass ein, der die erforderlichen Informationen zu bestimmten Produkten digital bereitstellt (Art. 9 ff. ESPR). Dieser Pass verknüpft Nachhaltigkeit mit Digitalisierung und stellt einen produktspezifischen Datensatz dar, der elektronisch zugänglich gemacht wird (Art. 2 Abs. 1 Nr. 28 ESPR). Ohne einen solchen digitalen Produktpass dürfen Produkte nicht in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden (Art. 9 Abs. 1 ESPR).

Die spezifischen Daten im Produktpass und deren Verfügbarkeit werden für jede Produktgruppe durch Rechtsakte der Kommission festgelegt. Diese können allgemeine Informationen wie Produktkennung, aber auch Angaben zu Rohstoffen und Lieferketten umfassen. Die Daten sollen leicht zugänglich sein, beispielsweise über einen QR-Code direkt auf dem Produkt.

Bis Juli 2026 wird die Kommission ein zentrales Register für digitale Produktpässe einrichten. Über ein Webportal sollen Interessengruppen die Daten abrufen und vergleichen können, was auch für Zollverfahren relevant wird.

Vernichtungsverbot für unverkaufte Verbraucher:innenprodukte

Die ESPR enthält erstmals Regelungen, die die Vernichtung von unverkauften Verbraucherprodukten untersagen (Art. 23 ff. ESPR). Es gibt ein zweistufiges System, das nach Unternehmensgröße unterscheidet. Zunächst gilt eine Informationspflicht für Unternehmen, die solche Produkte entsorgen. Ab Juli 2026 folgt ein Vernichtungsverbot für große Unternehmen für bestimmte Produkte wie Kleidung und Schuhe, das ab 2030 auch für mittlere Unternehmen gilt. Klein- und Kleinstunternehmen sind von diesen Regelungen ausgenommen.

Erfasste Wirtschaftsakteur:innen

Die ESPR regelt nicht nur Pflichten für Hersteller:innen, Importeur:innen und Händler:innen, sondern auch für Fulfilment-Dienstleister, Online-Marktplätze und Suchmaschinen (Art. 27 ff. ESPR).

Fazit

Die ESPR erweitert den Anwendungsbereich ökologischer Produktanforderungen erheblich und stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, insbesondere durch die Vielzahl an delegierten und Durchführungsrechtsakten, die erst noch erlassen werden. Unternehmen sollten die Entwicklungen aufmerksam verfolgen, um frühzeitig Einfluss zu nehmen und die Einhaltung sicherzustellen, da die Umsetzung durch nationale Sanktionen abgesichert wird (Art. 74 ESPR).

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