Dimethylformamid: REACH-Beschränkung rückt näher
Dimethylformamid (DMF), genauer N,N-Dimethylformamid (CAS 68-12-2), ist ein Amid der Ameisensäure und wird als polares, organisches Lösemittel eingesetzt. Hauptabnehmer sind die Hersteller von Kunstleder, es wird jedoch auch insbesondere in der Produktion von Polyacrylnitrilfasern, in Speziallacken und -farben sowie bei der Kunststoffbeschichtung (Polyurethane) verwendet. DMF ist – ebenso wie DMAc und NMP – EU-harmonisiert als reproduktionstoxisch eingestuft (Kategorie 1b, H360D: Kann das Kind im Mutterleib schädigen), zudem kann der Stoff die Augen, die Haut und die Atemwege reizen. DMF ist somit eine CMR-Substanz (Carcinogene – Mutagene – Reprotoxic) und wurde deshalb am 19. Dezember 2012 in die SVHC Kandidatenliste (besonders besorgniserregende Stoffe) aufgenommen und im Februar 2014 in der 5. Empfehlungsliste der ECHA zur Aufnahme in den REACH Anhang XIV (Zulassungsliste) vorgeschlagen.
Im Jahr 2014 hatte die italienische REACH-Behörde bereits angekündigt, ein Beschränkungsdossier einzureichen, zudem hat am 25. Oktober 2018 die EU-Kommission eine RMOA (Regulatory Management Option Analyse) vorgelegt, welche für die drei aprotischen Lösemittel NMP, DMF und DMAc den Weg der Beschränkung als probate Risikominderungsmaßnahme vorsieht. In der Dezember-Ausgabe der FARBE UND LACK (12/2019) wurde bereits über die NMP-Beschränkung berichtet. NMP Anwender müssen die festgelegten Beschränkungen (Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte) seit dem 9. Mai 2020 einhalten. DMF wird nun als weiteres aprotisches Lösemittel diesen Weg beschreiten, statt den aufwändigen und kostenintensiven REACH-Zulassungsprozess (Autorisierung) durchlaufen zu müssen.
Stellungnahme von RAC und SEAC zur Beschränkung von DMF
Die ECHA Ausschüsse für Risikobewertung (RAC) und sozioökonomische Analyse (SEAC) haben den Beschränkungsvorschlag Italiens im Dezember 2019 befürwortet, die Verwendung von DMF als Stoff oder in Gemischen in einer Konzentration von 0,3 % oder mehr einzuschränken. Der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) arbeitet die Stellungnahmen der ECHA zu Risiken von Stoffen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt im Zusammenhang mit den REACH- und CLP-Prozessen (Einstufung und Kennzeichnung, Beschränkung, Zulassung) aus. SEAC erarbeitet die Stellungnahmen der ECHA zu den sozioökonomischen Auswirkungen möglicher Rechtsvorschriften für Stoffe in den REACH-Prozessen. Die endgültigen Entscheidungen werden von der Europäischen Kommission getroffen.
Vom RAC wurde für DMF ein Grenzwert (DNEL = Derived No Effect Level) für langfristige Inhalationsexposition von 6 mg/m3 und ein arbeitnehmerbezogener harmonisierter DNEL-Wert für langfristige dermale Exposition von 1.1 mg/kg Körpergewicht/Tag festgelegt. Diese liegen noch deutlich unterhalb der Grenzwerte von NMP (14.4 mg/m3 und 4.8 mg/kg/Tag).
Binnen drei Monaten nach Erhalt der in einem Bericht zusammengefassten Stellungnahmen des RAC und SEAC erarbeitet die EU Kommission einen Änderungsentwurf des Verzeichnisses der Beschränkungen (REACH Anhang XVII). Diesen legt die Kommission der Welthandelsorganisation (WTO) vor, um sicherzustellen, dass er keine technischen Hemmnisse für den internationalen Handel schafft. Sie wird dabei von einem Beratungsausschuss unterstützt, dem Teilnehmer aus den Mitgliedstaaten angehören.
Wenn keine Einwände seitens des EU-Ministerrates oder des Europäischen Parlaments gegen die Beschränkung eingehen, wird diese angenommen und im EU-Amtsblatt veröffentlicht.
„Corona-bedingt“ gab es sicherlich Verzögerungen im zeitlichen Ablauf, mit einer Aufnahme von DMF in den REACH Anhang XVII über eine Kommissionsentscheidung ist jedoch kurzfristig zu rechnen. DMF wird dann entsprechenden Risikominimierungsmaßnahmen unterworfen, wie NMP. Die ECHA hat in 2019 einen Leitfaden erstellt, der Unternehmen beim Risikomanagement von NMP unterstützen soll. Anwender von NMP erhalten in diesem Leitfaden Hilfestellungen und anschauliche Beispiele, um die Exposition bei der Verwendung von NMP zu kontrollieren und die Beschränkungen einzuhalten. Der in diesem Leitfaden beschriebene allgemeine Ansatz kann auch auf andere aprotische Lösemittel wie DMF und DMAc übertragen werden.
Fazit
Die aprotischen Lösemittel geraten regulatorisch zunehmend unter Druck. Da diese auch in der Farben- und Lackindustrie eingesetzt werden, sind die Grenzwerte in Form von DNELs einzuhalten, was insbesondere für den Mittelstand nicht immer einfach umzusetzen sein wird. Die Einhaltung der niedrigen Grenzwerte erfordert einen hohen technischen Aufwand, wenn nicht sogar die Anwendung in geschlossenen Systemen. In einigen Anwendungen ist die Substitution nicht möglich.
Besondere Relevanz bekommen diese Beschränkungen auch für den Arbeitsschutz, denn mit den Einträgen in den REACH-Anhang XVII treten zum ersten Mal Beschränkungen in Kraft, welche die Einhaltung von EU-weit rechtsverbindlichen Grenzwerten (DNEL) an die weitere Verwendung der Stoffe knüpft.