Klimafreundlicher Zementersatz
In der Diskussion um Treibhausgase kommt ein Aspekt meist zu kurz: Das Bauen mit Beton ist ein Klimakiller, der jährlich mehr Kohlendioxid freisetzt als der weltweite Flugverkehr. Der Grund liegt in der Produktion von Zement, dem gängigsten Bindemittel der Bauindustrie. Zement wird durch Mahlen und Brennen von Kalkstein, Ton und Mergel hergestellt. Das erfordert viel Energie und spaltet zudem Kohlendioxid aus dem Kalkstein ab.
Vielversprechende Alternative
Über fünf Prozent des weltweiten Ausstoßes an Kohlendioxid stammen aus der Zementproduktion. Das muss nicht sein, findet Professor Eddie Koenders, Bauingenieur und Leiter des Instituts für Werkstoffe im Bauwesen der TU Darmstadt. Seine Gruppe beschäftigt sich mit Geopolymeren als vielversprechende Alternative zu Zement.
Zwei-Komponenten-Systeme
Geopolymere sind Zwei-Komponenten-Systeme, bestehend aus einem reaktiven Feststoff, der Silizium- und Aluminiumoxide enthält, sowie einer basischen Aktivierungslösung aus Alkalihydroxiden oder -silikaten in Wasser. Der Feststoff ist ein natürliches Gestein oder Mineral, daher die Vorsilbe „Geo“. Beim Mischen der Aktivierungslösung mit dem gemahlenen Feststoff, dem je nach Anwendung Gesteinskörnungen und andere Substanzen beigefügt werden, bildet sich ein steinhartes anorganisches Polymer.
Sprung in den Massenmarkt offen
Die molekularen Bausteine, die Monomere, sind Tetraeder mit Sauerstoffatomen an den vier Ecken und einem Silizium- oder Aluminiumatom im Innern. Den Begriff „Geopolymer“ prägte der französische Chemiker Joseph Davidovits schon in den 1970er-Jahren. Den Sprung in den Massenmarkt haben die Materialien bislang nicht geschafft, aber im Zuge der Klimadebatte kommt jetzt Schwung in die Geopolymer-Forschung. „Das internationale Interesse ist groß“, freut sich Koenders, der zusammen mit Unternehmen und Wissenschaftlern aus Spanien, Frankreich, Österreich und Großbritannien gerade einen Antrag für ein EU-Projekt formuliert.
Auf 600 Grad Celsius erwärmt
Erste Geopolymere basierten auf Metakaolin, einer hitzebehandelten Form des Tons Kaolin: Bei Erwärmung auf etwa 600 Grad Celsius ändert Kaolin seine Struktur, wird reaktiver und härtet dadurch bei Kontakt mit der Aktivierungslösung schnell aus. Der Haken: Die vorgeschaltete thermische Behandlung verbraucht viel Energie.
Da Kaolin kein gebundenes Kohlendioxid enthält, das durch die Hitze ausgetrieben wird, und die Brenntemperatur niedriger ist als beim Zementbrennen, fällt die CO2-Bilanz dennoch besser aus. Metakaolin ist allerdings ein sehr feines Material und daraus hergestellte Geopolymere unterscheiden sich in der Verarbeitbarkeit von Zementleim. Sie sind zum Beispiel thixotrop: Beim Rühren oder Schütteln verflüssigen sie sich – wie Ketchup, der erst gar nicht und dann plötzlich in einem Schwall aus der Flasche kommt.
Handling verbessern
Die Aktivierungslösung bewirkt zudem eine gewisse Klebrigkeit der Geopolymere und erschwert das Ausschalen von Bauteilen. „Geopolymere werden Beton und Zement nur dann in großem Maßstab ersetzen, wenn sie die gleiche Konsistenz aufweisen“, betont Koenders. Seine Mitarbeiter Dr. Neven Ukrainczyk und Oliver Vogt testen verschiedene Rohstoffe, um das Handling zu verbessern. Verunreinigte Kaoline, die Eisenoxide und andere Fremdminerale enthalten, erwiesen sich als geeigneter und obendrein kostengünstiger.
Auch interessant: Flugasche und Trass
Auch Flugasche, ein Abfallprodukt aus Rauchgasen, sowie das natürliche Gestein Trass bieten sich als Beimischung oder Alternative zu Metakaolin an. Den Trass beziehen die Forscher aus der Eifel, wo er sich einst nach Vulkanausbrüchen bildete. Das Gestein wird nach dem Abbau gemahlen und dann direkt verwendet. Von Vorteil ist ferner, dass es reich an Alkalimetallen ist.