Interview: „Struktur und Haptik des unbehandelten Holzes voll zur Geltung kommen lassen“

Der Endkunde erwartet von Holzbeschichtungen nicht nur was fürs Auge. Auch die Haptik rückt zunehmend in den Fokus. Im Experteninterview sprechen wir mit Ulf Neidlein von BASF außerdem über die Krise bei den Photoinitiatoren und alternative Technologien für Holzbeschichtungen.

Holz ist beim Endkunden beliebt. Viele sind dabei auf der Suche nach möglichst naturbelassenen Optiken. (Foto: Andrey Burmakin - stock.adobe.com) -

Welche technische Entwicklung prägen den Markt für Holzbeschichtung derzeit am meisten?

Ulf Neidlein: Da gibt es verschiedene. Zum einen wäre der Folienmarkt zu nennen. Dieser ist getrieben durch die Konverter und die Markeneigentümer.  Dann ist noch die Electron Beam (EB) Technologie zu nennen, die im Moment viel Aufwind hat. Das liegt unter anderem an der Krise im Photoinitiatormarkt, die dadurch ausgelöst wurde, dass viele chinesische Produzenten durch deutlich verschärfte Umweltregularien unter Druck geraten sind. Die EB-Technologie kommt ohne Photoinitiatoren aus und bietet hier daher einen Alternative. Nebenbei liefert die Technologie außerdem andere positive Eigenschaften wie eine gute Haptik, ultra-matte Oberflächen und Kratzfestigkeit – zudem kommt sie ohne Formaldehyd aus.

Ein weiterer grundsätzlicher wichtiger Trend ist das Thema Optik und die Nachfrage nach Ultra-Hochglanz und Ultra-Mattlacken sowie Soft- und Silky-Touch-Effekten – also die Haptik. Dauerthema oben auf der Tagesordnung bleibt chemische Beständigkeit, also etwa Fleckenresistenz. Wir haben hier einige neue Produkte auf den Markt gebracht, die weiße Oberflächen sehr gut bei Kaffee- und Rotweinflecken schützen. 

Sehen Sie bei der Situation um Photoinitiatoren eine baldige Entspannung?

Neidlein: Die verschärfte Umweltgesetzgebung in China hat die Branche kurzfristig unter Druck gebracht. Einige Anbieter sind verschwunden, andere mussten aufhören zu produzieren. Ich glaube, dass das nicht dazu führen wird, dass die Technologie langfristig unter Druck gerät. Es ist sehr wohl möglich, Photoinitiatoren nach modernen Umweltstandards zu produzieren. Die Krise kann noch einige Zeit dauern, zumindest für die eine oder andere Photoinitiatorlinie. Es ist aber wichtig zu beachten, dass nicht alle Initiatoren betroffen sind. Die Industrie kann also auch versuchen, Systeme so umzuformulieren, dass sie mit den verfügbaren Photoinitiatoren funktionieren.

Ulf Neidlein BASF

Ulf Neidlein, Vice President Business Management Resins & Additives

Sie haben vorhin die Haptik angesprochen. Wo im Holzmarkt sind solche Soft-Touch-Oberflächen derzeit besonders gefragt?

Neidlein: Unsere Kernmärkte sind im Wesentlichen Fußböden und natürlich die hochwertige Möbel- und Küchenindustrie. Hier geht es im Wesentlichen um die Platten- und Frontbeschichtungen. Im Trend sind Oberflächen bei denen die Struktur und Haptik des unbehandelten Holzes voll zur Geltung kommt. Eine perfekte Kombination aus Design, Haptik und Haltbarkeit bietet die LVT-Technologie (Luxury Vinyl Tiles) im Bereich Fußböden. Man sieht das viel in Zahnarztpraxen, Friseursalons und dergleichen. Also überall dort wo Feuchtigkeit und hohe Beanspruchung ein Thema ist. Auch in Mietwohnungen in Badezimmern.

Man kann mit der neuen LVT-Technologie sehr hochwertige Fußböden herstellen, die zum Teil auch schon digital bedruckt werden können und so eine große Vielfalt bei Oberflächenbeschaffenheit (soft touch) als auch Design garantieren. Diese ersetzen die klassischen Laminate gerade im hohem Maße.

Wer bestimmt Ihrer Einschätzung nach die Trends der Holzlackierung derzeit stärker, die Endkunden oder Gesetze und Regularien?

Neidlein: Bei allem was Design angeht setzen die Endkunden ganz klar die Trends. Dann gibt es noch den Teil Regularien, wo wir vor allem über REACH, Produktsicherheit, Nachhaltigkeits- und Gesundheitsthemen reden. Die beschäftigen die Industrie zum Teil sehr.

Sehr stark spielt hier auch das korrekte Labeling eine Rolle. Hauptsächlich geht es da um Genotoxizität oder Karzinogenität, was alles durch REACH und Studien, die in den Nachwellen davon gemacht werden, aufkommt. Grundsätzlich haben die Themen Produktsicherheit und Nachhaltigkeit bei BASF oberste Priorität, denn wir empfinden eine enorme Verantwortung, sowohl gegenüber den Verbrauchern als auch unseren Mitarbeitern gegenüber. Das Thema Kosten ist dabei aber eben auch erheblich. Aus Sicht der chemischen Industrie müssen wir da die richtige Balance finden. Sie können manche Tests sehr oft wiederholen, um eine statistisch eindeutige Aussage zu bekommen. Das kann eine Technologie auch an den Rand ihrer Existenz bringen.

Frage: Noch mal zu den Endnutzern. Geht es da eher um optische und haptische Effekte oder spielen auch Umweltthemen eine Rolle?

Neidlein: Nachhaltigkeit spielt natürlich eine große Rolle. Im Blick auf den Endkunden ist etwa auch die Formaldehydreduktion ein Thema, dann ist das Thema Biozide wichtig und noch die eine oder andere Chemikalie, die dann im Rahmen von verschiedenen Toxizitätsstudien auffällt, für die wir Alternativen finden müssen. Und wenn es diese Alternativen nicht gibt, müssen diese dann korrekt gelabelt werden und es geht dann in der Verarbeitung darum, den Arbeitsschutz einzuhalten. Das ist dann auch bei den Endapplikationen ein Thema, also bei denjenigen, die dann die Möbel oder die Fußböden beschichten.

Wo wir gerade beim Thema Nachhaltigkeit sind, was haben biobasierte Rohstoffe für eine Bedeutung bei Holzlackierungen?

Neidlein: Wir verfolgen hier drei Themen im Bereich der Nachhaltigkeit. Wir haben zum Einen das sogenannte Biomasse-Bilanz Verfahren. Hier werden nachwachsende Rohstoffe aus pflanzlichen oder tierischen Reststoffen ganz zu Beginn in die chemische Produktionskette eingespeist. Im Rahmen eines zertifizierten Berechnungsverfahrens wird dann der Anteil erneuerbarer Rohstoffe dem Endprodukt virtuell zugeordnet, ein ähnlicher Ansatz wie beim Ökostrom also. Auf Grundlage dieser Berechnung können bis zu 100 Prozent der fossilen Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden.

Nachwachsende-Rohstoffe-BASF

Beim Massenbilanzverfahren von BASF werden erneuerbare Rohstoffe am Anfang der Produktion eingesetzt.

Außerdem setzen wir für einige ausgewählte Produkte auf Lösungen, die direkt auf nachhaltigen pflanzlichen Rohstoffen basieren. Das ist aber deutlich komplexer und durch die Vielfalt der heute verkauften Bindemittel und Dispersionen schwierig, in der Breite abzubilden. Sie müssen ja immer die richtigen Bausteine für jeden Einzelfall herstellen.

Darüber hinaus arbeiten wir an einem ganz neuen Ansatz auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy: Dabei handelt es sich um chemisches Recycling, bei dem fossile Ressourcen teilweise mit recyceltem Material aus Kunststoffen ersetzt werden können. So kann Kunststoffabfall wieder in einen Rohstoff verwandelt werden und zurück in die Verbundproduktion geführt werden. Das ist ein Ansatz, der auch von Interesse für die Farben- und Lackindustrie sein kann. Produkte, die mit diesem Verfahren hergestellt worden sind, haben nämlich die gleichen Eigenschaften wie herkömmliche Produkte.

Mein persönlicher Eindruck ist, das Thema scheint bei den Holzbeschichtungen präsenter zu sein, als etwa bei Industrie oder Schiffsfarben. Wie sehen Sie das?

Neidlein: Ja, da ist was dran. Das ganze Thema wird stark von den Erwartungen der Endnutzer bestimmt. Dementsprechend ist Nachhaltigkeit vor allem in den Anwendungsbereichen stark präsent, mit denen Endkunden viele Berührungspunkte haben. Das können beispielsweise Anstrichfarben oder auch Möbel sein, da legen Nutzer großen Wert auf nachhaltige Produkte.

Wenn wir aber zum Beispiel über Beschichtungen von Schiffen reden, ist das Thema Leistung enorm wichtig. Wenn ein Öltanker aufgrund von Korrosion nicht einsatzbereit ist, kostet das die Reederei sehr viel Geld. Daher sind die Anforderungen an den Korrosionsschutz enorm hoch. Hier sind die Eintrittsbarrieren für neue und nicht etablierte Produkte viel höher als im Endkundenbereich. Ähnliches gilt etwa bei Infrastrukturobjekten oder Offshore-Windanlagen.

Biobasierte Rohstoffe sind in Punkto Nachhaltigkeit auch eher das Endziel. Eigentlich sind wir ja noch eine Stufe vorher und mitten im Wechsel von lösemittel- auf wasserbasierte Beschichtungen. Hier scheint gerade beim Holz noch viel Luft nach oben.

Neidlein: Ja, das stimmt. Wir bei BASF sind klassisch vor allem bei wasserbasierten Systemen und strahlenhärtenden Systemen stark aufgestellt. Ein Faktor bei der Umstellung ist, dass wir in den Industrienationen in den letzten Jahrzehnten gute Technologien entwickelt haben, um mit Lösemitteln umzugehen. Also etwa die Rückführung in den Produktionszyklus oder die Verbrennung von überflüssigen Lösemitteln. Gerade in Regionen wie China und Indien vollzieht sich der Wechsel auf diese Technologien daher teilweise sogar schneller als bei uns.  

Holzlacke Lösemittel

Bisher dominieren klassische lösemittelhaltige Systeme den Markt für Holzbeschichtungen.

Hinzu kommt, dass wässrige Systeme noch nicht immer die Leistung von lösemittelhaltigen Beschichtungen erreichen, auch wenn sich die Lücke sich immer weiter schließt. Der Trend geht aber ganz grundsätzlich Richtung wasserbasierte und strahlenhärtende Systeme und wird hier auch noch weiter zunehmen.

Hier ist auch zu erwähnen, dass wir erst kürzlich unsere Lichtschutzmittel dahingehend weiterentwickelt haben, dass diese auch in wässrigen Systemen eingesetzt werden können und dass wir aliphatische Polyisocyanate für 2k-wässrige Systeme entwickelt haben, um gute chemische Resistenz und gutes Handling miteinander zu verbinden.

Welche Märkte sind aus Ihrer Perspektive in Europa interessant?

Neidlein: Generell hat sich der Markt ab der zweiten Hälfte 2018 eingetrübt. Als Unternehmen schaut man auf die Region EMEA, also Europa plus den mittleren Osten und Afrika. In den letzten Jahren waren für die Holzbeschichtung vor allem die DACH- und Benelux-Länder, Skandinavien und Osteuropa interessant. Und auch Italien hat in den letzten Jahren eine beträchtliche Entwicklung hingelegt. Das Land hat traditionell eine starke Holz- und Holzbeschichtungsindustrie, die allerdings im Rahmen der Finanzkrise sehr stark gelitten hat.

Aber auch Spanien hat sich sehr gut entwickelt. Hier gibt es einige kleinere Firmen, die sich gut etabliert haben und über einen teilweise recht hohen Exportanteil gut entwickelt haben. Was uns große Sorgen macht, ist etwa die Türkei. Hier spielen volkswirtschaftliche Gründe wie die eingebrochene Währung eine Rolle. Aber auch die geopolitischen Krisen im gesamten mittleren Osten wirken sich negativ aus. Also etwa die Situation in Syrien oder die Sanktionen der USA gegen Iran.

Sanktionen sind auch etwas, was für den russischen Markt eine wichtige Rolle spielt. In den letzten Jahren hatten wir dort eigentlich eine sehr positive Entwicklung, die sich aber auch abgeschwächt hat.

Afrika zeigt generell ein gutes Wachstum, aber natürlich von einer relativ niedrigen Basis aus. Wir wissen jedoch auch, dass das Bevölkerungswachstum in Afrika sehr hoch ist und auch ein gewisses weiteres Marktwachstum auslösen wird. Noch sind die Märke allerdings zu klein, um uns deutlich zu beeinflussen.

Wie sehen Sie Regionen außerhalb des EMEA-Bereichs?

Neidlein: In der letzten Zeit hat sich der Markt in China abgeschwächt. Da spielt der Handelskrieg mit den USA eine große Rolle. Aber auch Regularien und deren Implementierung in der Industrie spielen eine große Rolle. Das wird dort in Teilbereichen sehr stark und intensiv vorangetrieben. Das kann einzelne Unternehmen hart treffen, die in der Vergangenheit nicht immer alle Standards eingehalten haben.

Das Interview führte Jan Gesthuizen

Verwandte Inhalte:

Fünf Fakten über Holzlacke

Das Fachbuch Holzbeschichtungen dient als umfassendes Nachschlagewerk und hilft beim Einstieg.

Hersteller zu diesem Thema