Interview: „Gesetze dienen als Leitplanken
Inwieweit treiben Gesetze und Regularien Ihre F&E-Aktivitäten voran?
Alexandre Franceschini: Nachhaltigkeit, Regularien und ihre Entwicklung wirken wie ein Katalysator für grundlegende Veränderungen in der Bauindustrie. Bei Imerys sind alle Forschungsprojekte auf Nachhaltigkeit ausgerichtet: entweder um unsere Produkte nachhaltiger zu machen oder um unseren Kunden nachhaltigere Lösungen in der Produktentwicklung zu ermöglichen. Alle Forschungsprojekte müssen interne Kriterien für unseren Nachhaltigkeitswert erfüllen.
Sie müssen mit unseren Bestrebungen als Gruppe übereinstimmen, die Treibhausgasemissionen, die sich direkt aus unserer Arbeit ergeben, bis 2030 um 36 % (bezogen auf den Umsatz) zu reduzieren. Gesetze dienen auch als Leitplanken für unsere Forschung und Entwicklung. Ein ganzes Team widmet sich der Produktverantwortung, um sicherzustellen, dass die Forschungsprojekte mit örtlichen Vorschriften übereinstimmen und aber sie beobachten auch Gesetzestrends.
Was ist neben Nachhaltigkeit der größte gesellschaftliche Trend, der sich derzeit auf die Bauchemie auswirkt?
Franceschini: Nachhaltigkeit wird an zweiter Stelle von Sicherheit gefolgt, die einen hohen Stellenwert hat – und das zu Recht. Trockenmörtel selbst ist so konzipiert, dass er die Baustelle im Vergleich zur herkömmlichen Mischung vor Ort sicherer macht, und Trockenmörtel sind beispielsweise in Bezug auf VOC und Brandgefahr sicherer als erdölbasierte Chemikalien. Mittlerweile arbeiten die Hersteller von Trockenmörtel bereits an noch ungefährlicheren Produkten mit weniger Staub und weniger GHS-Kennzeichnungen.
Bei Imerys ist die Sicherheit ein gruppenweiter Schwerpunkt. Sie kommt unserem Arbeitsprozess durch die Umsetzung von Programmen wie Take 5 und Serious 7 zugute. Sie wirkt sich auch positiv auf die Art und Weise aus, wie wir unsere Produkte und Lösungen entwerfen, da das Produktverantwortungsteam die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und -trends bereits zu Beginn eines Forschungsprojekts im Blick hat.
Wo sehen Sie die deutlichsten Grenzen der aktuellen Technologie?
Franceschini: Die Bauindustrie ist ein konservativer Bereich. Die Gewohnheiten und die Trägheit der Branche sind ein wichtiger Schutzmechanismus, aber sie zwingen uns auch Grenzen auf, da sie die Marktdurchdringung neu entwickelter und nachhaltigerer Technologien verlangsamen können. Darüber hinaus verfügt Portlandzement mit einem deutlich geringeren Kohlenstoff-Fußabdruck als CEM I nicht über die Gleichmäßigkeit, Reaktivität und Zuverlässigkeit, die für die spezifischen Anforderungen der Trockenmischindustrie erforderlich sind.
Um diese Einschränkungen zu überwinden, hat Imerys ein effizientes Bindemittel wie „Leap“ (ein ultra-reaktives Kalziumaluminat) und ein Metakaolin wie „Argical“ entwickelt, die es ermöglichen, dass nachhaltige Trockenmörtelformulierungen eine hohe Leistung erbringen. Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass neue Methoden und Lösungen im Bau, wie die additive Fertigung, biobasierte Betonblöcke und isolierender Mineralschaum eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Nachhaltigkeit der Bauindustrie insgesamt spielen werden.