Innovative Beschichtung aus dynamischen Polymernetzwerken verbessert Reparaturverfahren für Leichtbauteile

Forschende am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM haben erstmals einen Kunststoff-Patch entwickelt, mit dem sich bisher aufwändige Reparaturprozesse an beschädigten Flugzeug-Leichtbaukomponenten deutlich beschleunigen und vereinfachen lassen.

Der form- und recycelbare Polymer-Patch kann beliebige Formen und Größen annehmen. Quelle: IFAM

Der thermoformbare und kreislauffähige Reparatur-Patch wird auf den defekten Bereich gedrückt und erhält seine Endfestigkeit in nur 30 Minuten. Aufgrund seiner Wandelbarkeit lässt sich der neuartige faserverstärkte Kunststoff von der Luftfahrt über die Orthopädie in unterschiedlichsten Branchen einsetzen. Die Reparatur von Faserverbund-Leichtbauteilen, etwa in Flügeln, Rumpfabschnitten, Heckflächen und Türen von Flugzeugen, ist zeit- und kostenintensiv und bedarf mehrerer Arbeitsschritte. Üblicherweise wird der beschädigte Bereich im aufwändigen Nasslaminierverfahren oder durch oberflächlich aufgebrachte Faserverbundkunststoffe (FVK) oder Aluminiumstrukturen, sogenannten Dopplern, wiederhergestellt.

Diese Varianten müssen jedoch langwierig aushärten und erfordern zusätzliche Klebstoffe. Forschende des Fraunhofer IFAM haben nun einen Reparatur-Patch aus dynamischen Polymernetzwerken – Fachleute nennen sie auch Vitrimere – entwickelt, der die bislang langwierige, aufwändige Reparatur auf 30 Minuten verkürzt. Die Besonderheit des neuartigen Materials, das auf Benzoxazinen – einer neuen Klasse von duromeren Polymeren – basiert: Der polymerisierte Kunststoff schmilzt nicht auf und verhält sich auch sonst nicht wie ein klassisches Harzsystem im Nasslaminierverfahren. Aufgrund der dynamischen Vernetzungsvorgänge des Polymers lässt sich das Material lokal erwärmen. Der ausgehärtete Patch passt sich im erwärmten Zustand an die zu reparierende Stelle an. Bei Raumtemperatur weist das Polymer duromere Eigenschaften auf, was zu einem klebfreien und lagerstabilen Patch führt. Dies spart Energie, da der Patch bei Raumtemperatur ohne Kühlung gelagert werden kann, Lagerkosten können so reduziert werden.

Das Aufbringen des Patches auf das zu reparierende Leichtbauteil erfolgt durch Druck und thermisch induzierte Austauschreaktionen und ermöglicht eine schnelle Reparatur mit dem Erreichen der Endfestigkeit innerhalb von 30 Minuten. Der Umgang mit reaktiven Gefahrstoffen, wie er bei klassischen Harzsystemen erforderlich ist, entfällt. Die vitrimeren Eigenschaften ermöglichen bei Bedarf ein rückstandsfreies Ablösen des Patches. »Mit unserem klebfreien, lagerstabilen faserverstärkten Patch ist eine direkte Reparatur beschädigter Verbundwerkstoffe und Hybridstrukturen möglich. Dank der vitrimeren Natur des Polymers verhält sich der Patch bei der Lagerung wie ein herkömmlicher Duromerverbundwerkstoff, lässt sich jedoch durch einfaches Erhitzen leicht und sauber fügen, ohne dass weitere Klebstoffe erforderlich sind«, erläutert Dr. Katharina Koschek, Bereichsleiterin Kleben und Polymere Werkstoffe am Fraunhofer IFAM in Bremen, den Vorgang.


Veranstaltungstipp: Kleb- und Dichtstoffe formulieren

Gut haften sollen sie beide und auch die Rohstoffe sind sich ähnlich. Die Gemeinsamkeiten zwischen der Lack- und der Kleb- und Dichtstoffindustrie sind kaum zu übersehen. Das ist kein Wunder, denn die Chemie ist ähnlich und dementsprechend teilt man sich vieles. Dennoch gibt es natürlich auch einige Unterschiede zu beachten. In dem Seminar FARBE UND LACK // AKADEMIE „Kleb- und Dichtstoffe formulieren“ am 27. November in Essen lernen Sie Klebstoffformulierungen zu analysieren und machen sich vertraut mit den verschiedenen Bestandteilen und wichtigsten Klebetypen. Patentbeispiele und eigene Berechnungen werden Ihnen helfen, die eigene Klebstoffformulierung zu erstellen. Sie erlangen auch online die Kompetenz, eigene Klebstoffe zu formulieren und dabei die Eigenschaften gezielt zu steuern. Auch auf spezielle Anwendungsfelder, wie Mehrscheibenisolierglas oder die Automobilindustrie bleiben nicht außen vor.


Einsatz in der Luftfahrt: Längere Lebensdauer durch ressourcen- und energie-effiziente Reparatur von Leichtbaustrukturen

Das neuartige Material zeichnet sich durch hohe mechanische Festigkeit und durch seine Thermostabilität aus, und eignet sich daher besonders für Mobilitätsanwendungen wie dem Automobil- und Schienenfahrzeugbau sowie in der Luftfahrt. Es lässt sich verformen und verfügt über selbstheilende Eigenschaften. An seinem Lebensende kann es recycelt werden, da das polymere Netzwerk auflösbar ist und sowohl die Fasern als auch das Polymersystem wiederverwendbar sind. »Konventionelle Duromere lassen sich nicht nachträglich verformen und sind nicht recycelbar. Unsere benzoxazinbasierten Vitrimere hingegen vereinen all diese Eigenschaften. Das wandelbare Material deckt viele Aspekte der nachhaltigen Nutzung von Kunststoffen im Sinne der Kreislaufwirtschaft ab«, betont die Forscherin. »Durch Reparatur und Wiederverwendung verlängert es die Lebensdauer von Leichtbaukonstruktionen und trägt zur Reduzierung von neu einzusetzenden Rohstoffen bei.« Ein weiterer Vorteil: Es lässt sich mit anderen Werkstoffen kombinieren und eignet sich insofern auch für die Integration in metallische Strukturen wie Stahl.

Einsatz in der Orthopädie: Patientenindividuelles, nachträgliches Umformen sowie Anpassen von Prothesen und Orthesen

Die Flexibilität der benzoxazinbasierten Vitrimere eröffnet Anwendungsmöglichkeiten in diversen Branchen – auch abseits der Mobilitätsindustrie: In der Orthopädie können künftig mithilfe des thermoformbaren Kunststoffs individuell anpassbare Orthesen und Prothesen realisiert werden. Gegenwärtig muss für die passgenaue Anfertigung von Leichtbau-Hilfsmitteln ein sehr hoher fertigungstechnischer Aufwand betrieben werden, da die herkömmlichen Faserverbund-Materialien eine Nachbearbeitung nach der Aushärtung des Harzes nur noch in geringem Maße zulassen. »Prothesen werden maßgeschneidert für die Patientinnen und Patienten gefertigt. Allerdings passen die Hilfsmittel nicht immer. Minimale Passungenauigkeiten oder physiologische Veränderungen führen dazu, dass die Prothese oder Orthese den Betroffenen Schmerzen verursacht und der Therapie entgegenwirkt. Bislang müssen dann neue Prothesen erstellt werden, was aufgrund der Nachfrage und der aufwendigen Handarbeit in der Orthopädie bis zu einigen Monaten dauert«, erklärt Dr. Koschek.

Durch die Verwendung von thermoformbaren Materialien könnte das erneute Fertigen eines medizinischen Hilfsmittels umgangen werden. Im Projekt CFKadapt haben die Forschenden des Fraunhofer IFAM gemeinsam mit der REHA-OT Lüneburg Melchior und Fittkau GmbH, der E.F.M. GmbH und dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) einen neuen, vielfach anpassbaren Faser-Kunststoff-Verbundwerkstoff entwickelt, dem dynamische Polymernetzwerke zugrunde liegen. Der wesentliche Unterschied zu kommerziellen Matrixsystemen für orthopädische Hilfsmittel aus Faserverbunden ist die mögliche Nachbearbeitung und Modellierung des neuen Materials an den entsprechenden Druck- oder Stützstellen für eine dynamische Anpassung an den Patienten und dessen sich verändernde Bedürfnisse im Lauf der Therapie. Der Trick: Der neue Polymer-Faserverbundmix lässt sich lokal erwärmen und individuell anpassen. »Die Vorteile liegen in dem großen design- und auslegungstechnischen Freiraum sowie in der deutlichen Reduzierung von Ausschuss bei der Fertigung und einer längeren Nutzungsdauer der Hilfsmittel, da diese kontinuierlich in der Therapie angepasst werden können. Für die Betroffenen zählt vor allem eines – möglichst sofort ein passgenaues orthopädisches Hilfsmittel zu bekommen«, resümiert Koschek. Auch durch eine standardisierte Fertigung von Bauteilen mit anschließender individueller Anpassung ergeben sich perspektivisch Kostenvorteile und ein effizienter Fertigungsprozess.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM)

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