Brandsicher und nachhaltig: Dämmstoffe aus mineralisiertem Schaum

Der verheerende Brand im Londoner Grenfell-Tower hat es noch einmal verdeutlicht: Die Anforderungen an moderne Dämmmaterialien sind hoch. Neben geringer Wärmeleitfähigkeit sollen sie brandsicher, wirtschaftlich und nachhaltig sein. All diese Eigenschaften vereint ein neuer Dämmstoff.

Der mineralischer Dämmstoff kann u.a. flüssig in Form gegossen werden. Quelle: Axel Kindermann -

„Die Basis für mineralisierten Schaum muss man sich im Prinzip wie Rasierschaum vorstellen“, sagt Dr.-Ing. Albrecht Gilka-Bötzow vom Institut für Werkstoffe im Bauwesen (WiB) der TU Darmstadt.

Wichtig: gleichbleibend gute Eigenschaften

So wird zunächst Wasser mit ein wenig oberflächenaktivem Stoff in einem Generator aufgeschäumt und dann für die nötige Festigkeit mit einem Zementleim vermischt. Nach dem Abbinden entsteht ein sehr leichter, rein mineralischer Dämmstoff. Dieser kann flüssig direkt auf das zu dämmende Bauteil aufgetragen oder auch in Form gegossen werden. In welcher Zusammensetzung mineralisierter Schaum sich am zuverlässigsten mit gleichbleibend guten Eigenschaften herstellen lässt, hat Gilka-Bötzow im Rahmen seiner Doktorarbeit untersucht.

Erster Praxistest bestanden

Inzwischen hat das Material seinen ersten Praxistest bestanden. Beim Bau der ETA-Fabrik, einer energieeffizienten Modellfabrik auf dem Campus der TU, wurde die Außenhülle des Gebäudes aus Fertigteilen errichtet, bei denen schon im Betonwerk die tragenden Betonteile mit dem neuen Dämmstoff vollflächig versehen wurden. Planung, Bau und Betrieb wurden und werden wissenschaftlich durch Forscher unterschiedlicher Fachbereiche und weiterer Partner begleitet. „Da für das neue Material noch keine allgemeinen Regelungen existieren, mussten unter anderem Teile der Statik, die Wärmedämmung und der Brandschutz von der Baubehörde gesondert geprüft werden“, so der kooperierende Forscherkollege Andreas Maier.

Punkten mit Brandsicherheit

Was ist nun das Besondere an mineralisiertem Schaum? Auch andere Materialien können mit guten oder sogar besseren Dämmeigenschaften punkten. Viele haben aber zunächst auch einen großen Nachteil: Sie sind brennbar. Dies gilt insbesondere für synthetische Stoffe, wie zum Beispiel Polystyrol, aber auch für nachwachsende Stoffe wie Holz oder Hanf. Vor allem der Brand im Londoner Grenfell-Tower hat noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig und drängend brandsicheres Dämmen ist.

Dämmstoff sollte recycelbar sein

„Brandsicherheit stand zuerst gar nicht im Fokus unserer Forschung“, erklärt Gilka-Bötzow. Die Wissenschaftler waren eigentlich auf der Suche nach einem besonders nachhaltigen Dämmstoff, der möglichst vollständig recycelbar ist. Zwar lässt sich der in Deutschland am häufigsten eingesetzte Dämmstoff Polystyrol mit Flammschutzmitteln behandeln und die Brennbarkeit dadurch deutlich reduzieren. Dies führt jedoch dazu, dass die Dämmplatten heute in der Regel als Sondermüll betrachtet werden, was bei der Entsorgung zu erheblichen Kosten führen kann.

Einfaches Zermahlenreicht aus

Mit mineralisiertem Schaum gedämmte Betonteile können hingegen beim Rückbau als ein materialkonformes Bauteil betrachtet werden, das sich durch einfaches Zermahlen wieder dem Stoffkreislauf zuführen lässt. Eine aufwendige Trennung der sonst sehr unterschiedlichen Materialien in Dämm-, Klebe- und Tragschicht beim Recycling ist nicht mehr nötig.

Der Dämmstoff der Zukunft?

Ist mineralisierter Schaum also der Dämmstoff der Zukunft? Die Brandsicherheit, Vielseitigkeit, Flexibilität, Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit sprechen klar für den neuen Stoff. Die Wärmedämmeigenschaften lassen sich mit denen von Glas- oder Steinwolle ähnlicher Rohdichte vergleichen. Mineralisierter Schaum hat aber auch Nachteile. „Während des Abbinde- und Aushärtungsprozesses schwindet das Material etwas“, sagt Gilka-Bötzow. Eine Möglichkeit, diesem Problem zu begegnen, ist die Erforschung alternativer Zusammensetzungen.

Bindemittel durch Geopolymere ersetzen

Aktuelle Forschungsarbeiten zielen darauf, den Zement, also das festigkeitsgebende Bindemittel im mineralisierten Schaum ganz durch Geopolymere zu ersetzen, erklärt Professor Eddie Koenders, der Leiter des WiB. Geopolymere sind alkalisch aktivierte zementfreie Bindemittel, die aufgrund ihrer besonderen Erhärtungsreaktion hohe Frühfestigkeiten und eine hohe Hitzebeständigkeit entwickeln. Sie weisen zudem ein im Vergleich deutlich niedrigeres Treibhauspotential auf. Mineralisierter Schaum kann dadurch noch nachhaltiger werden.

Gesamten Lebenszyklus stärker beachten

„Bei gesetzlichen Vorgaben wird die Nachhaltigkeit noch zu wenig beachtet“, gibt Koenders zu bedenken. Er plädiert dafür, den gesamten Lebenszyklus eines Dämmstoffs im Rahmen eines Gebäudeentwurfs stärker zu berücksichtigen. Also neben dem Beitrag zu Senkung der Betriebskosten auch den Energieaufwand für die Herstellung und Entsorgung mit zu betrachten. Diese wirklichkeitsnähere Betrachtung würde zudem die Konkurrenzfähigkeit von mineralisiertem Schaum als neuartiger brandsicherer Dämmstoff verbessern.

Konferenztipp

Um das Thema Brandschutz und Beschichtung dreht sich das European Coatings Fire Forum am 17 und 18. Oktober in Berlin.

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