Brandschutzbeschichtungen „Wenn man das Gebäude vor dem Einsturz schützen möchte, braucht es stärkere Waffen“

Brandschutzbeschichtungen können viel Geld sparen und noch wichtiger: Leben. Aber wie werden solche Beschichtungen derzeit entwickelt, wie werden sie getestet und was sind Zukunftstrends? In unserem Interview gibt Klaus Bender von Clariant einige Antworten. 

Brandschutzbeschichtungen schützen nicht nur vor Flammen -

Wann nutzen wir welche Brandschutzbeschichtung?

Klaus Bender: Das sind ganz unterschiedliche Beschichtungen, je nachdem was man bezwecken will. Soll ein Brand am Entstehen gehindert werden, nutzt man eine Beschichtung, welche die Entflammung, bzw. Entzündung von Baustoffen verhindert. Dabei geht es um brennbare Untergründe, also vor allem Holz. Das soll dann vor einer Zündquelle wie beispielsweise einem Kurzschluss oder einer weggeworfenen Zigarettenkippe schützen. Hier haben wir ein vergleichsweise geringes Anforderungsniveau, was die Temperatureinwirkung betrifft.

Eine andere Situation finden wir vor, wenn es dann doch brennt und sich ein Feuer ausbreitet, indem es Baustoffe, Büromaterialien und Kunststoffe zum Brennen bringt. Das ist in unseren Haushalten inzwischen ein großes Thema, da wir hier heutzutage viele Kunststoffe finden. Die Entzündungen schreiten dadurch relativ schnell voran und die Rauchentwicklung ist vergleichsweise kräftig. So ein Brand breitet sich dann durch Öffnungen in weitere Räume aus und wir haben es schnell mit einem Großbrand zu tun, wie etwa beim Grenfell Tower in London vor wenigen Jahren.

Wenn man in einem solchen Fall dann das gesamte Gebäude vor dem Einsturz schützen möchte, braucht es stärkere Waffen. Dann kommen Intumeszenzbeschichtungen zum Einsatz, um vor allem die Stahlkonstruktionen zu schützen. Diese Beschichtungen entfalten ihre Wirkung indem sie im Brandfall aufschäumen und einen Schutzschaum bilden, der eine sehr gute Isolation gegen die hohen Temperaturen bewirkt.  

Klaus bender, Brandschutz Clariant

Klaus Bender ist Leiter des technischen Marketings für intumeszente Beschichtungen bei Clariant. Am 11. September wird er ein Seminar Brandschutzbeschichtung für Formulierer und andere technische Mitarbeiter der Lackbranche geben.

Und auf welche Rohstoffe setzen die Hersteller von Brandschutzbeschichtungen dabei?

Bender: Im ersten Fall, wenn also einfach nur der Lack vor Entflammung geschützt werden soll, kann man zum Beispiel Ammoniumpolyphosphate oder Aluminiumtrihydrat (ATH) einsetzen. Die Hydrate bilden Wasserdampf und können so die Temperatur des Entstehungsbrandes senken. Ammoniumpolyphosphate bilden auch noch eine Kohlenstoffschicht auf der Oberfläche und reagieren mit den Inhaltsstoffen des Lackes und schirmen den Baustoff so von der Sauerstoffzufuhr ab, was verhindert, dass sich der Brand weiter ausbreiten kann.

Bei Intumeszenzbeschichtungen geht es darum, einen passiven Brandschutz bereitzustellen. Zum Vergleich: Aktiver Brandschutz wäre eine Sprinkleranlage. Passiver Brandschutz ist dagegen einfach vorhanden und wirkt im Falle eines Brandes reaktiv, ohne dass er aktiviert werden muss. Hier finden wir in hohem Maße ebenfalls Ammoniumpolyphosphate als Hauptbestandteil. Dieser intumeszierende Effekt braucht dann noch weitere Inhaltsstoffe, die man dann genau in die Farben eindosieren muss.

Es werden auch noch halogenierten Brandschutzmitteln eingesetzt. Wie sieht die Situation hier derzeit aus?

Bender: Die halogenierten Brandschutzmittel, egal ob chloriert oder bromiert, spielen vor allem bei Kunststoffen noch immer eine relativ große Rolle. Die Halogene werden dort im Brandfall abgespalten und fungieren sozusagen als Radikalfänger, das heißt sie deaktivieren energiereiche Radikale, wie zum Beispiel Hydroxyl-Radikale und bremsen so die Kettenreaktionen im Brandgeschehen.

Der Nachteil ist, dass sich dann im Brandfall auch Halogenwasserstoff, also beispielsweise Salzsäure bildet sowie zum Teil zusätzlich auch noch andere toxische Gase. Daher sind die halogenierten Brandschutzmittel mehr und mehr unter Beobachtung und teilweise auch schon verboten. Ganz speziell trifft dies auf PU-Grundstoffe zu, wo man TCPP in Zukunft nicht mehr einsetzen darf. Da gibt es aber Alternativen, die man einsetzen kann. Hier bei Clariant bieten wir etwa phosphorbasierte Brandschutzmittel an, die denselben Effekt bewirken.

Welche Testmethoden sind derzeit für Brandschutzbeschichtungen im Einsatz?

Bender: So vielfältig wie das Brandgeschehen sind auch die Tests, die entwickelt wurden, um es zu simulieren. Das fängt an bei kleinen Beflammungen mit Lockflammen, wobei man versucht eine kleine Oberfläche zu entzünden. Hier erhält man dann in der Regel nur ein einfaches Ergebnis, das dann bestanden oder durchgefallen bedeutet.

Moderne Methoden generieren zusätzlich verschiedene physikalische Testdaten wie Verbrennungsenergien oder den Sauerstoffverbrauch. Letzteren misst man mit einem Cone Kalorimeter, das wir auch hier bei Clariant nutzen, bei dem eine vergleichsweise kleine Probe von 10 x 10 cm zum Einsatz kommt.

Der Sauerstoffverbrauch wird auch im Europäischen SBI-Test (Single Burning Item) benötigt, der mittlerweile der einheitliche Baustoffklassifizierungstest für ganz Europa ist. Die alten Prüfnormen bestehen noch und es gibt auch noch die alten Testmethoden. Das wären zum Beispiel in Deutschland der Brandschacht, in England der Radiant Panel Test oder in Frankreich den Epiradiateur, die im Grunde alle das gleiche wollen, nämlich die Beurteilung eines Baustoffes hinsichtlich seines Brennvermögens. Diese Tests hat man eigentlich vom Markt genommen, um einen einheitlichen Test für ganz Europa zu bekommen.   

Wie laufen die Test aus der Perspektive eines Lackherstellers ab?

Bender: Normalerweise nutzt man einen Referenzkörper, von dem man das Brandverhalten kennt, zum Beispiel eine Spanplatte. Auf diesen trägt man den Lack auf und vergleicht dann den beschichteten mit dem unbeschichteten Testkörper. Und natürlich darf die beschichtete Probe dann nicht schlechter abschneiden, als die Unbeschichtete.

Einen Lackfilm selbst zu testen ist schwierig, denn der müsste so dick sein, dass die Ergebnisse nicht mehr realistisch sind. Es gibt außerdem noch eigene Tests, etwa für Textilien oder Kunststoffe. Bei den Kunstoffen kommt zum Beispiel ein glühender Draht zum Einsatz, der dann auf die Oberfläche aufgelegt wird und man schaut, ob es anfängt zu brennen oder ob etwas brennend abtropft. Die Merkmale der Tests sind also sehr unterschiedlich und auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten.

Es gibt Normen, die global verfügbar und anerkannt sind, etwa im Kunststoff oder Automobilbereich. Es gibt aber auch viele, die nur lokal angewendet werden, etwa in Russland, Südkorea oder Japan.

Welche Trends beobachten sie im Bereich der Brandschutzbeschichtungen?

Bender: Wir sehen generell einen Trend hin zu wasserbasierten Formulierungen. Natürlich müssen wir da auch bei den Brandschutzmitteln Antworten liefern. Ammoniumpolyphosphat kann man zum Beispiel auch in wässrigen Systemen anwenden, aber es gibt schon spezielle Anforderungen, etwa was das Viskositätsverhalten angeht, das bei wässrigen Formulieren anders ist als bei Lösemittelbasierten.

Dort wo wasserbasierte Systeme nicht eingesetzt werden können, geht es mehr in Richtung zu 2K-Systemen die zum Beispiel sehr gute Eigenschaften bei harschen Bedingungen haben. Da sind hohe Anforderungen etwa an die Witterungsbeständigkeit zu erfüllen.

Das Interview führte Jan Gesthuizen

Veranstaltungstipp

Auf dem FARBE UND LACK Spezialseminar Brandschutzbeschichtungen am 11. September in Essen werden Klaus Bender und sein Kollege Adrian Beard alle wichtigen Grundlagen zum Thema Brandschutzbeschichtungen vermitteln.

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