„Außergewöhnliche Ereignisse mit Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette haben massiv zugenommen“

Wir sprachen mit Dr. Thomas Brenner von DAW über Herausforderungen und die Marktsituation bei Bautenfarben.

Dr. Thomas Brenner ist Head of Microbiology/Senior Expert R&D bei DAW
Dr. Thomas Brenner ist Head of Microbiology/Senior Expert R&D bei DAW

Wo sehen Sie im Hinblick auf Lebensdauer und Haltbarkeit die größten Herausforderungen?

Dr. Thomas Brenner: Fassaden sind jahrein, jahraus der Witterung ausgesetzt, täglich nagen Sonne, Wind, Regen und Frost an den Oberflächen. Nachhaltigkeit an der Fassade manifestiert sich in drei Themenfeldern: verringerte Anschmutzneigung, die Erzielung dauerhafter Farbtöne und die Vermeidung von mikrobiellem Bewuchs durch Algen und Pilze. Die Anschmutzneigung von Dispersionsfarben, hervorgerufen durch die Thermoplastizität des Bindemittels, kann durch Verwendung von Nano-Hybrid-Dispersionen reduziert werden. Hier werden die positiven Eigenschaften der Silikatfarben, die seit jeher für robuste Oberflächen stehen, mit denen der Dispersions- und Silikonharzfarben vereint.

Zweitens tritt – bedingt durch den Wunsch nach einer lebensfrohen und bunten Umwelt – das Thema der Farbtonbeständigkeit mehr in den Vordergrund. Optimierte Rezepturen und die Verwendung lichtstabiler Pigmente erzielen hier große Fortschritte. Die dritte große Herausforderung ist die Verhinderung des Aufwuchses von Algen und Pilzen. Sie wachsen in Gegenwart von Feuchte und minimalen Mengen an Nährstoffen auf allen Oberflächen. Gegen den Befall werden Biozide zur Filmkonservierung eingesetzt. Sie dürfen die Umwelt nicht schädigen aber müssen eine gewisse Löslichkeit in Wasser aufweisen, um von den Zielorganismen aufgenommen zu werden. Dies bedingt, dass sie durch starken Regen teilweise ausgewaschen werden können. Um diesem als Leaching bezeichneten Auswaschungsprozess und dem damit einhergehenden Wirkstoffenverlustent gegenzutreten, werden die Wirkstoffe verkapselt.

Das verlängert, gemeinsam mit einer gezielten Optimierung des Beschichtungsstoffes in Bezug auf eine ausgewogene Hydrophilie/Hydrophobie-Balance, den Schutz der Oberfläche gegen Algen- und Pilzbefall und reduziert die Belastung der Umwelt durch ausgewaschene Biozide. Als Alternative werden im Markt heute erprobte biozidfreie Systeme angeboten, deren Systemoptimierung eine Herausforderung darstellt.

Inwiefern hat die angespannte Marktsituation der letzten Jahre Ihre Produktentwicklung beeinflusst?

Brenner: Die Rohstoffmärkte waren in den letzten Jahren von hoher Volatilität und Unsicherheit geprägt. Außergewöhnliche Ereignisse mit starken Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette haben massiv zugenommen. Hinzu kommen die energiegetriebenen Preissteigerungen und die regulatorischen Herausforderungen, die formulierende Betriebe vor immense Herausforderungen stellen. Insbesondere die Rezepturanpassungen aufgrund geänderter regulatorischer Vorgaben und Einstufungen haben zu einer Arbeitsflut in den Laboren geführt. Exemplarisch genannt sei hier die sukzessiv erfolgte Einstufung von Topf- und Filmkonservierungsmitteln, die im Jahresrhythmus zu Anpassungen an fast allen wasserbasierten Rezepturen führt.

Hier ist kein Ende in Sicht, da der Prozess der chemikalienrechtlichen Bewertung von Rohstoffen lange noch nicht abgeschlossen ist und durch die Einführung neuer Regeln auch in Zukunft nie abgeschlossen sein wird. Im Gesamtkontext ist es verständlich, dass man entlang der Rohstoffbeschaffungskette nach Alternativen Ausschau hält und für wichtige Einsatzstoffe diese aufbaut und vorhält. Insofern war und ist einer der wesentlichen Schwerpunkte unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten die Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftes und der Aufbau von zukunftsgewandten Rohstoffalternativen.

Lesetipp

Dieses Interview ist Teil unserer Rubrik „Expertenmeinung“ mit zwei Stimmen aus der Branche. In der Septemberausgabe der FARBE UND LACK lesen Sie den gesamten Artikel.

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