Know-how: Compliance in komplexen Lieferketten

Die Entwicklung von Lackformulierungen und Lackrezepturen ist ein kreativer und komplexer Prozess, in dem viel Erfahrung und Wissen steckt. Daher sind die genauen Zusammensetzungen dieser Mischungen in der Regel streng geheim und werden nicht offengelegt. Daraus resultieren bei Registrierungs- bzw. Dokumentierungspflichten in komplexen Lieferketten erhebliche Probleme.

Welche Möglichkeiten hat der EU-Importeur Bildquelle: frank peters - stock.adobe.com.

Gemäß der europäischen REACH-Verordnung [1] und ihren Pendants KKDIK [2] in der Türkei, UK REACH [3] in Großbritannien und K-REACH in Korea [4], unterliegen Importeure der Pflicht, alle importierten Stoffe zu registrieren, es sei denn, die Stoffe sind von dieser Pflicht ausgenommen.

Um Importeure von diesen Registrierungspflichten befreien zu können, sehen die jeweiligen Gesetzgebungen vor, dass ausländische Hersteller und Formulierer einen sogenannten inländischen Alleinvertreter (Only Representative, OR) [5] bestellen können, der die jeweiligen Stoffe im Namen des Herstellers/Formulierers registriert und damit die jeweiligen Importeure zu sogenannten nachgeschalteten Anwendern (Downstream Users) macht.

Offenlegung vertraulicher Geschäftsinformationen

Zu diesem Zweck muss der Alleinvertreter Aufzeichnungen über die jeweiligen Importeure sowie die jährlich importierten Stoffmengen führen, was bei komplexen und mehrstufigen ausländischen Lieferketten zu Problemen führt, da indirekte Kunden, Lieferanten und Zusammensetzungen von Formulierungen in vielen Fällen nicht bekannt sind. Die Einhaltung der Aufzeichnungspflichten des Alleinvertreters wäre daher nur durch die Offenlegung vertraulicher Geschäftsinformationen (CBI ) [6] in den Lieferketten möglich, was wiederum gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen kann, wenn der Alleinvertreter eine dem Hersteller/Formulierer zugehörige bzw. verbundene juristische Person ist.

Daher können in diesen Fällen weder die Hersteller/Formulierer (vertreten durch den OR) noch die Importeure ihre Verpflichtungen erfüllen, ohne solche vertraulichen Informationen offenzulegen und zudem Geschäftsverluste zu riskieren. Im Folgenden wird ein Lösungsweg beispielhaft für EU REACH skizziert, welcher seit vielen Jahren etabliert ist und ebenso für UK-REACH, K-REACH und KKDIK Anwendung findet.

Lösungsweg

Welche Möglichkeiten hat nun der EU-Importeur, um seine REACH-Konformität sicherzustellen und dies gegenüber den Überwachungsbehörden zu belegen? Hierzu verfolgen die Akteure der Lieferketten verschiedene Ansätze, welche viele EU-Importeure im Glauben lassen, dass sie tatsächlich REACH-konform sind und nichts weiter unternehmen müssen. Die meisten Herangehensweisen sind jedoch mit mehreren Problemen verbunden, die einen „wasserdichten“ Konformitätsnachweis unmöglich machen.

Das internetbasierte Chemservice Trustee-System [7] ist bereits seit 2008 als Lösung für REACH entwickelt worden und wird seitdem von führenden Unternehmen der chemischen Industrie weltweit, einschließlich ihrer nachgeschalteten Lieferketten, eingesetzt. Ziel des Modells ist es, alle Probleme und Schwächen der verschiedenen Ansätze zu adressieren und dem EU-Importeur eine sofortige gesetzeskonforme Dokumentation zu liefern, welche diesen in den Status des nachgeschalteten Anwenders (DU) unter REACH versetzt.

Datenbankbasiertes System

Bei dem genannten System agiert beispielsweise ein unabhängiger Alleinvertreter als Treuhänder (Trustee) für nicht-EU-Hersteller, Formulierer, Händler und Importeure sowie für deren jeweiligen Stoffe und Formulierungen, um die Vertraulichkeit auf allen Stufen der Lieferketten zu gewährleisten. Für den Austausch der relevanten Lieferanten-, Kunden-, Produkt- und Mengeninformationen, zwischen den Beteiligten der Lieferketten und dem Trustee, wird ein datenbankbasiertes System angewandt, welches bezüglich des Informationsflusses den Lieferketten folgt.

Das System erstellt für alle Beteiligten der Lieferketten eindeutige, zeit- und mengenbegrenzte Bestätigungen und stellt diese den jeweiligen Akteuren in der Lieferkette zur Verfügung. Dies erfolgt für alle Produktlieferungen, die Material von einem nicht-EU-Hersteller enthalten und dafür vorgesehen sind, ganz oder teilweise in die EU importiert zu werden. Mit Hilfe einer Datenbank verfolgt der Trustee u.a. alle Informationen über Lieferanten, Kunden und Importeure sowie die relevanten Produktinformationen und -mengen und stellt letztendlich den EU-Importeuren Import-Zertifikate bzgl. der abgedeckten importierten Produkte und Mengen aus.

Somit wird gewährlistet, dass alle Beteiligten ihr Geschäft fortführen können, ohne dass hierzu untereinander vertrauliche Geschäftsinformationen ausgetauscht werden müssen. Dadurch sind alle Akteure in der Lage, ihre REACH-Verpflichtungen zu erfüllen. Abbildung 1 zeigt den Ablauf in schematischer Darstellung.

Fazit

Das vorgestellte System ist ein unkompliziertes und einfaches Verfahren, um REACH-Konformität entlang der Produktströme zu gewährleisten, Doppelregistrierungen zu vermeiden und somit Ressourcen zu sparen. Die gesamte Kontrolle der Abdeckungsbestätigungen (z.B. Überprüfung der abgedeckten Produktmengen, Gültigkeit von Zertifikaten etc.) wird zentral und datenbankbasiert durchgeführt und verhindert somit versehentliche oder gar bewusste Manipulationen. Das System ist selbst im Falle von reimportierten Stoffen anwendbar, bei welchen es relevant ist, dass nicht mehr Material in die EU reimportiert wird, als zuvor aus der EU exportiert wurde. Auch sind Kombinationen der verschiedenen Szenarien und mehrfacher Lieferketten einfach umsetzbar.

Der administrative Aufwand und die Kosten sind für alle Beteiligten sehr gering.
Aufgrund des großen Bedarfs zur Abdeckung von indirekten Importen, vor allem in mehrstufigen sowie komplexen Lieferketten mit Importen nach UK sowie Türkei und im Zuge der Registrierungsverpflichtungen von Chemikalien in den jeweiligen Ländern, wurde das System auch in diesen stoffrechtlichen Gesetzen eingeführt. In Korea wurde aufgrund der gesetzlichen Anforderungen ein etwas modifiziertes Modell eingeführt. Ermöglicht wurde das System, da die jeweiligen REACH-verwandten Chemikalienkontrollgesetzgebungen die Institution des Alleinvertreters (OR) verankert haben. Ohne die „OR-Funktion“ werden sich indirekte Importe nicht ausreichend abbilden lassen.

Abschließend sollte noch angemerkt werden, dass dieses System allen Alleinvertretern in der EU, UK und Türkei zur Verfügung gestellt wird, damit Lieferketten vollends mit einem einheitlichen datenbankbasierten System abgebildet und rückverfolgt werden können.

Literatur

[1] Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH)
[2] Turkish Regulation on Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, 23th of June, 2017
[3] Korean REACH: Act on Registration, Evaluation, etc. of Chemicals (Act No. 17326)
[4] UK Registration, Evaluation, Authorisation & restriction of Chemicals (REACH)
[5] Alleinvertreter – ECHA (europa.eu)
[6] Confidential Business Information
[7] OR-Trustee – Chemservice (chemservice-group.com)

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