Studie: Schiffsanstriche als Quelle für Mikroplastik bislang unterschätzt
In Wasserproben, die Umweltchemiker vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg um Dr. Barbara Scholz-Böttcher in der Nähe wichtiger Schifffahrtsstraßen in der Deutschen Bucht nahmen, fanden die Forscher vor allem Plastikteilchen, die Bindemitteln von Schiffsanstrichen entstammen. „Wir nehmen an, dass Schiffe im Wasser eine Art ‚Bremsspur‘ hinterlassen, die als Quelle von Mikroplastik eine ähnlich große Bedeutung hat wie der Reifenabrieb von Autos an Land“, so die Forscherin.
Das Oldenburger Team hat jeweils im Herbst 2016 und 2017 mit dem Forschungsschiff Heincke Wasserproben an verschiedenen Stellen der Deutschen Bucht genommen. Das Ergebnis überraschte das Team: In den Proben tauchten vor allem Indikatoren für Polyvinylchlorid (PVC), sogenannte Acrylate und Polycarbonate auf. Ihre Masse nahm in allen Proben zusammen einen Anteil von etwa zwei Dritteln ein, in ausgewählten Proben hatten sie sogar einen Massen-Anteil von 80 Prozent. Verpackungs-Kunststoffe wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyethylenterephthalat (PET), die bislang als wichtigster Bestandteil des Mikroplastiks im Meer galten, machten dagegen einen wesentlich kleineren Anteil aus. „Eine solche Verteilung hatten wir nicht erwartet“, sagt Scholz-Böttcher.
Entsteht mehr Mikroplastik direkt auf See?
Als die Forscher die Ergebnisse genauer aufschlüsselten, stellten sie fest, dass PE, PP und PET vor allem in der Nähe der Küste auftraten. Die anderen Kunststoffarten überwogen hingegen auf der offenen Nordsee und in der Elbemündung – insbesondere in der Nähe großer Schifffahrtsrouten. „Wir nehmen an, dass diese Partikel aus Schiffsanstrichen stammen, wo derartige Kunststoffe zum Beispiel in Acrylfarben oder Epoxidharzen als Bindemittel verwendet werden“, berichtet die Umweltchemikerin. Das Ergebnis lege nahe, dass deutlich mehr Mikroplastik direkt auf See entsteht als bislang vermutet.
Allein in der Europäischen Union, so berichtet das Team, gelangen Untersuchungen zufolge jedes Jahr mehrere tausend Tonnen Farbe in die Meeresumwelt. Mit potentiell umweltschädlichen Folgen: Schiffsanstriche enthalten Schwermetalle und weitere Zusatzstoffe, die für viele Lebewesen giftig sind. Diese Antifouling-Komponenten zielen darauf ab, unerwünschten Bewuchs zu verhindern und werden durch Wind und Wellen ständig von den Schiffsrümpfen abgeschmirgelt. Das Team führt derzeit weitere Untersuchungen etwa in Flussmündungen und in Sedimenten durch, um den Weg des Mikroplastiks in der Umwelt weiter aufzuklären.
Die Studie wurde in Environmental Science & Technology veröffentlicht. Weitere Informationen auch auf der Website des IDW.