Neues Chemikalienrecht in der Eurasischen Wirtschaftsunion

2016 verabschiedete die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU) ein neues Chemikalienrecht, welches umfänglich Ende 2021 bzw. Anfang 2022 in Kraft treten wird. Die EAEU ist eine Union und Freihandelszone von Staaten in Mittel- und Nordasien sowie Osteuropa und schließt die Länder Weiß­russland, Kasachstan, Russland, Armenien und Kirgisistan ein.

Neues Chemikalienrecht in der Eurasischen Wirtschaftsunion. Bildqelle: butus -StockAdobe.com
Neues Chemikalienrecht in der Eurasischen Wirtschaftsunion. Bildqelle: butus -StockAdobe.com -

Von Dr. Dieter Drohmann, Chemservice

Vergleichbar mit REACH, werden die Verantwortlichkeiten für die Bewertung der inhärenten Eigenschaften sowie die Gefahren-, Risiko- und Expositionsbewertung auf die Industrie – also den Hersteller und Importeur – verlagert. Während Altstoffe (d.h. die in das neu aufgesetzte Inventar gelistet wurden) nur zu melden sind, müssen Neustoffe registriert werden, sobald sie in einer Formulierung den Schwellenwert von 0.1 % überschreiten. Diese Registrierung ist obligatorisch und unabhängig von bestimmten Mengenbändern. Die Informationsanforderungen für die Registrierung neuer Chemikalien entsprechen im Wesentlichen dem Anhang VIII von REACH.

Daneben sind, vergleichbar mit dem REACH-Chemikaliensicherheitsbericht (CSR), Informationen über physikalisch-chemische Eigenschaften, Studienergebnisse zur Toxizität und Ökotoxizität, die Bewertung der Persistenz und des Bioakkumulationspotenzials sowie die Risikobewertung unter Berücksichtigung der Exposition, erforderlich. Die alte, von der Russischen Föderation verabschiedete Chemikaliengesetzgebung wurde mit Einführung des neuen Chemikalienrechts aufgehoben und durch die neue Gesetzgebung ersetzt. Die Technische Vorschrift TR EAEU 041/2017 ist Kernstück der neuen Regularien und gibt die Anforderungen für die Einführung des Chemikalieninventars vor. Umgangssprachlich wird dieser Gesetzestext auch als „Eurasian REACH“ bezeichnet. Das Inventar ist der erste Schritt zur Erstellung eines Registers/Inventars chemischer Stoffe und Gemische der EAEU.

Alle chemischen Stoffe, die von einem Unternehmen hergestellt oder importiert werden bzw. die ein Unternehmen auf den EAEU Markt bringt oder bringen will, unterliegen der Notwendigkeit der Inventarlistung. Bei der Einreichung sind der Hauptbestandteil und alle Verunreinigungen und Zusätze, die in einer Konzentration von mehr als 0.1 Gewichts-% vorhanden sind, zu berücksichtigen. Bei Mischungen müssen alle Komponenten gelistet werden, die in einer Konzentration von mehr als 0.1% vorhanden sind. Wie auch unter REACH (vergl. REACH Anhänge IV und V) sind einige Stoffe von der Inventareinreichung ausgeschlossen.

Beteiligung der Industrie am Inventarmeldeverfahren

Die Meldung von chemischen Stoffen in das Inventar ist ein freiwilliges Verfahren, bei dem die Industrie Daten über chemische Stoffe zur Aufnahme in die Inventarliste einreichen kann und diese damit als im Zollgebiet der Union vorhanden zu deklarieren. Die Inventarliste bildet die Grundlage für die Bildung des Stoffregisters der chemischen Stoffe und Gemische der EAEU.

Nach Inkrafttreten der TR EAEU 041/2017 werden alle chemischen Stoffe, die nicht im Inventar enthalten sind, als „Neustoffe“ für das Zollgebiet der Union betrachtet. Bevor ein chemisches Produkt, das solche neuen Stoffe enthält, in das EAEU-Stoffinventar auf-genommen werden kann, muss der jeweilige Inverkehrbringer ein Registrierungsverfahren für diese Neustoffe durchlaufen. Die Registrierung erfordert das Einreichen eines umfassenden Dossiers, vergleichbar mit dem EU REACH Stoffsicherheitsbericht (CSR). In der Inventarisierungsphase verlangt die Gesetzgebung – im Gegensatz dazu – nur minimale Informationen über die chemischen Stoffe, was in gewisser Weise mit dem REACH-Vorregistrierungsverfahren der EU vergleichbar ist.

Die Einreichung von Informationen zum Inventar ist kostenlos und erfordert keinen dokumentierten Nachweis, dass die zu meldenden Stoffe bereits auf dem Markt der EAEU Inverkehr gebracht wurde. Unternehmen, die innerhalb der Fristen nicht an der Inventaranmeldung teilgenommen haben und feststellen, dass ihre Stoffe nach dem Inkrafttreten nicht in das Inventar aufgenommen wurden (und daher als Neustoffe definiert werden), können bis zum 2. Juni 2023 nachträglich Daten zur Nachmeldung einreichen, ohne ein Registrierungsverfahren durchführen zu müssen. In diesen Fällen sind jedoch Nachweise und Unterlagen vorzulegen, die den Marktverkehr einer Chemikalie auf dem Unionsmarkt vor dem Inkrafttreten der TR EAEU 041/2017 bestätigen. Zu den Bestätigungsdokumenten dienen u.a. Zollunterlagen, Rechnungen, Lieferantenverträge, Frachtbriefe, als Nachweis des Inverkehrbringens. Nach der Frist vom 2. Juni 2023 müssen alle Neustoffe, auch als Teil von Mischungen registriert/notifiziert werden, was mit einem erheblichen Kosten- und Zeitaufwand verbunden ist.

Datenübermittlung und Einreichung

Für die Inventarmeldungen dürfen Daten nur von einer russischen bzw. in der Wirtschaftsunion ansässige juristischen Person eingereicht werden. Ein ausländisches Unternehmen kann jedoch im gegenseitigen Einvernehmen einen russischen Vertreter nach Vorbild des EU REACH Alleinvertreters (OR) für die Dateneinreichung benennen. Es gibt keine besonderen Anforderungen an den Vertreter, wie ausreichende Kenntnisse im praktischen Umgang mit den Stoffen, wie sie für den Alleinvertreter in der REACH-Verordnung definiert sind. Der russische Importeur oder Kunde kann sowohl als Vertreter für die Einreichung von Bestandsdaten als auch als Vertreter eines Dritten (z.B. eines Dienstleisters) fungieren.

Um Informationen über chemische Stoffe in der Inventarisierungsphase einzureichen ist es notwendig, ein entsprechendes Formblattauszufüllen und dieses elektronisch an das Ministerium für Industrie und Handel der EAEU zu übermitteln.

Der initiale Starttermin für die Inventarmeldungen wurde auf den 10. August 2019 terminiert. Aufgrund der unzureichenden internationalen Kommunikation, war diese Termin jedoch nicht industrieweit bekannt. Die Frist für die Einreichung war ursprünglich auf den 1. Januar 2020 festgelegt, aufgrund der geringen Industriebeteiligung wurde dieser Termin jedoch nach hinten verschoben. In einer Erklärung des russischen Ministeriums für Industrie und Handel vom 17. Februar 2020 wurde die Frist offiziell bis zum 1. Mai 2020 verlängert.

Polymere sind von der Inventarmeldung ausgenommen, es ist jedoch erforderlich Informa-tionen über Monomere sowie über Additive entsprechend den Formulierungskonzentrationen ab >0.1% zu melden. Auf freiwilliger Basis können Polymere jedoch in das Inventar gemeldet und aufgenommen werden. Da es derzeit noch keine genau Polymerdefinition gibt ist es ggf. ratsam, auch Polymere ins Inventar zu melden.

Fazit

Der globale Trend zur Verschärfung der Chemikaliengesetzgebung setzt sich auch in der Eurasischen Wirtschaftsunion weiter fort. Das neue Chemikalienrecht der EAEU hat wichtige Elemente aus EU-REACH übernommen. Zunächst wird ein neues Chemikalieninventar erstellt. Ist ein Stoff erfolgreich in das russische Inventar gemeldet, wird er zu einem späteren Zeitpunkt in ein konsolidiertes EAEU-Inventar überführt. Falls ein Stoff nicht im konsolidierten EAEU-Inventar enthalten ist, kann er möglicherweise noch bis 2023 aufgenommen werden, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass der Stoff bereits vor Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung in 2017 in der auf dem EAEU-Markt war.

Informationen über Polymere können optional eingereicht werden, da sie vom Anmelde-verfahren befreit sind. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu beachten, dass eine Definition des Begriffes „Polymers“ noch nicht verfügbar ist. Daher könnte es ratsam sein, Polymere parallel zu ihren Monomeren in das Verzeichnis zu melden.

Schließlich wird erwartet, dass die Registrierungen neuer Stoffe in der EAEU ähnlich wie die EU REACH-Registrierungen sein werden, höchstwahrscheinlich einschließlich der Konzepte der gemeinsamen Registrierung und der Alleinvertreterregelung. Studien und Informationen, die bereits für bestehende Chemikalienkontrollregelungen wie EU-REACH durchgeführt wurden, können natürlich auch für Registrierungszwecke in der EAEU verwendet werden. Daraus resultiert, dass Vereinbarungen über den globalen Datenaustausch und globale Zugriffrechte auf Daten immer wichtiger werden.

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