Wertbasierte und leistungsorientierte Preissteuerung für Hersteller von Farben und Lacken
Insbesondere in der Spezialchemie sollten Unternehmen in dieser Zeit ihren Fokus auf ein pro-aktives Preismanagement setzen, um nicht vom Markt getrieben und letztendlich abgehängt zu werden.
Systematische Preisdifferenzierung statt Cost-Plus
In den meisten Unternehmen der Lackindustrie ist bis heute traditionell das Cost-Plus-Pricing etabliert. Bei dieser Methode werden die Preise basierend auf den Kosten zuzüglich eines pauschalen Aufschlags zur Erreichung der gewünschten Marge festgelegt. Diese Preisbildungsstrategie ist aufgrund ihrer unkomplizierten und schnellen Anwendbarkeit weit verbreitet, führt jedoch häufig zu Preisen, die nicht die tatsächliche Zahlungsbereitschaft der Kunden widerspiegeln. Es resultieren in der Regel entweder zu hohe Preise, die das Absatzpotential einschränken oder zu niedrige Preise, die am Markt vorhandene Zahlungsbereitschaften nicht abschöpfen. In beiden Fällen leidet die Profitabilität. Diese Problematik wird im aktuellen Marktumfeld noch verstärkt, da Rohstoffpreise und Nachfrage erheblichen Schwankungen unterliegen und die Risiken dieser Preisstrategie zusätzlich steigen.
Der größte Nachteil des Cost-Plus-Ansatzes ist, dass der tatsächliche Wert, den ein Produkt oder eine Dienstleistung für den jeweiligen Kunden darstellt, nicht berücksichtigt wird. In einem zunehmend differenzierten Markt, der gezielt nach maßgeschneiderten Lösungen für unterschiedlichste Anwendungen verlangt und von stark variierenden Zahlungsbereitschaften geprägt ist, führt Cost-Plus-Pricing häufig zu strategischen Fehlpositionierungen. Es empfiehlt sich daher, dem ausschließlich kostenbasierten Pricing den Rücken zu kehren und auf einen markt- und wertorientierten Pricing-Ansatz zu setzen. Ein erfolgversprechender Ansatz hierfür liegt in der Einführung dynamischer Preissysteme.
Dynamisches Value-Pricing in der Lackindustrie
Zwei innovative Ansätze für ein marktgerechtes und dynamisches Pricing finden sich in Form von Peer-Pricing oder dem Aufbau eines Zielpreisrechners. Bei ersterem wird auf Basis historischer Auftragsdaten ein Referenzpreis für ähnliche, aktuelle Anfragen ermittelt. In einem ersten Schritt werden dabei anhand von Kriterien wie z.B. Produkt, Gebinde, Region, Kundentyp und Absatzmenge vergleichbare Aufträge identifiziert. Mit Hilfe von Korrekturfaktoren, beispielsweise für eine veränderte Kostenbasis, werden im zweiten Schritt Preispunkte zur Bestimmung des Angebotspreises abgeleitet. Zur stetigen Optimierung der Identifikation von passenden Altaufträgen und der Parametrisierung der Korrekturfaktoren werden zunehmend auch KI-Logiken eingesetzt. Ein großer Vorteil des Peer-Pricings ist die hohe Akzeptanz in den Vertriebsteams, da die Methodik auf bereits erfolgreich durchgesetzten Preisen aufsetzt. Umgekehrt muss berücksichtigt werden, dass eventuelle Fehlstellungen aus der Vergangenheit manuell korrigiert werden sollten und dass Innovationen auf Grund fehlender historischer Preispunkten mit dezidierten Methoden für das Neuprodukt-Pricing bepreist werden müssen.
Der Ansatz mit der höchsten Flexibilität, alle Markterfordernisse abzubilden ist der Zielpreisrechner. Mit diesem können Preise auf Basis einer Vielzahl relevanter Faktoren wertorientiert gestaltet werden. Als erstes sollten hierfür die Werttreiber eines Produktes aus Kundenperspektive systematisch identifiziert und bewertet werden. Typische Werttreiber in der Lackindustrie sind z.B. Produkteigenschaften wie Hitzebeständigkeit, Anti-Grafitti, UV-Schutz, kürzere Reinigungszeiten oder geringerer Reibungswiderstand. Aber auch Nachhaltigkeitsaspekte wie der CO2-Fußabdruck werden zunehmend bedeutender. Die Werttreiber werden dann mit Markt- und Auftragsfaktoren wie Land, Industrie, Kundentyp, Auftragsmenge, Liefer- und Zahlungsbedingungen, etc. verknüpft, so dass für jeden Anfrage ein markt- und wertorientierter Zielpreis bestimmt werden kann. Diese Methode führt zu einer hohen Flexibilität und Marktorientierung in der Preisgestaltung, stellt gleichzeitig aber auch höhere Anforderungen an die Entwicklung und Kalibrierung des Systems.
Erfolgreiche Einführung und Implementierung
Neben der Bestimmung wert- und marktorientierter Preise ist vor allem die Akzeptanz der Mitarbeiter, die Kommunikation gegenüber den Kunden sowie die technische Implementierung und das Controlling entscheidend für den langfristigen Erfolg. Um Mitarbeiter von einem neuen Pricing-Ansatz zu überzeugen, sollten sie frühzeitig in dessen Entwicklung einbezogen werden. Unbedingt sollte daher für die Identifikation und Bewertung der Werttreiber auf das Know-how des Vertriebes zurückgegriffen werden. Außerdem empfiehlt es sich keine starren Zielpreise zu definieren, sondern mit Zielkorridoren zu arbeiten. Um die Mehrwerte der Produkte erfolgreich zu kommunizieren, sollte der Vertrieb zudem im Value-Selling geschult und mit passenden Werkzeugen wie Nutzenkalkulatoren oder Battle Cards ausgestattet werden. Dies stellt sicher, dass Kunden den Zusammenhang zwischen Wert und Preis verstehen und akzeptieren. Auf technischer Ebene sollten Peer-Pricing-Ansätze und Zielpreisrechner zunächst in Prototypen auf Basis von Excel und z.B. Power-BI konzipiert und feinjustiert werden, bevor sie nach einer Testphase ins CRM oder eine Pricing-Software überführt werden. Abschließend ist die Bestimmung geeigneter KPIs zur Messung der Preisqualität für das Tracking und die Steuerung der neuen Prozesse von großer Bedeutung.
Die Entwicklung einer wertorientierten Preisstrategie bietet im aktuellen Marktumfeld für Unternehmend der Lackindustrie große Chancen, die eigene Ertragssituation nachhaltig zu verbessern und sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Tipp: Mit dem European Coatings Price Ticker erhalten Sie einen sofortigen Überblick über die aktuellen Marktpreise – basierend auf den gesammelten Informationen anderer Brancheninsider.