CLP-Verordnung: Neue Einstufung gerechtfertigt?

Seit Dezember 2023 ist für Ethylenglykolmonobutylether (EGBE) eine aktualisierte Einstufung in der CLP-Verordnung gültig. Wie kam es dazu und was beinhaltet diese Einstufung? Von Cornelia Tietz, vormalige Generalsekretärin ESIG

Was ist der Teil der aktualisierten Einstufung für Ethylenglykolmonobutylether?
Was ist der Teil der aktualisierten Einstufung für Ethylenglykolmonobutylether? Bildquelle: vege/Fotolia

Die Eigenschaften von EGBE (2-Butoxethanol, CAS 111-76-2, EC 203-905-0) sind einzigartig. EGBE ist ein farbloser flüssiger Glykolether, der häufig als Lösungsmittel in verschiedenen Anwendungen wie Farben, Oberflächenbeschichtungen, Reinigungsmitteln und Tinten eingesetzt wird. Insbesondere weist EGBE einzigartige physikalisch-chemische Eigenschaften auf, die zur Stabilität der Zusammensetzung (Lösungsmittelgehalt in der Wasser- und Harzphase) von Zweiphasensystemen beitragen. Dies ermöglicht eine bessere Kontrolle der Rheologie während des Trocknungsprozesses. Folglich erweist sich EGBE als hochwirksames Kopplungslösungsmittel in wasserverdünnbaren Beschichtungssystemen [1]. Der regulatorische Pfad war von erheblichen Prüfungen und Besonderheiten geprägt.

EU-Klassifizierung

Seit dem 1. Dezember 2023 gilt die 18. ATP („Anpassung an den technischen Fortschritt – Delegierte Verordnung (EU) 2022/692 der Kommission) der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung). EGBE ist Teil dieser ATP und  unterliegt dieser mit der aktualisierten Einstufung und Kennzeichnung. Wichtig auch: Basierend auf gültigen toxikologischen Studiendaten wurde die Einstufung als akute dermale Toxizität gestrichen.

Wie konnte es so weit kommen? [2]

2017 hatte Deutschland einen Vorschlag zur Änderung der harmonisierten Einstufung für EGBE in Bezug auf mehrere Endpunkte der akuten Toxizität sowie für STOT RE (spezifische Zielorgantoxizität, wiederholte Exposition) und Augenreizung vorgelegt. In diesem Zusammenhang ist es gut zu wissen, dass die Exposition gegenüber EGBE bei einigen Tierarten (Ratten, Mäuse und Kaninchen) schwere Hämolyse verursachen kann – Meerschweinchen und Menschen sind jedoch resistent gegen die Wirkung der durch EGBE-Exposition induzierten Hämolyse. Wenn Daten über Meerschweinchen zur Vorhersage der Toxizität beim Menschen vorliegen, ist es daher sinnvoller, diese Daten zu verwenden als Daten über Ratten, Mäuse und Kaninchen.

Der von Deutschland eingereichte Vorschlag wurde 2018 vom Risk Assessment Committee (RAC) der ECHA diskutiert. Das RAC stimmte nicht in allen Punkten mit dem Einstufungsvorschlag Deutschlands überein und entschied sich für den Grundsatz, Daten der am besten geeigneten Tierarten (sofern verfügbar) zu verwenden. Für den oralen und dermalen Expositionsweg war dies leicht möglich. Die bestehende Einstufung für dermale Toxizität wurde dann aufgehoben, diejenige für die orale Toxizität bestätigt.

Für die akute Inhalationstoxizität hielt RAC die verfügbaren Meerschweinchendaten für eine Bewertung gemäß den CLP-Anforderungen für nicht ausreichend zuverlässig und zog daher leider und stattdessen die verfügbaren Rattenstudien heran, obwohl diese Spezies hier nicht relevant ist – dies führte dann zu einer Kategorie 3 für akute Inhalationstoxizität.

Aus Überlegungen zu einer eventuellen Exposition am Arbeitsplatz entschlossen sich die EGBE-Hersteller zur Durchführung der “Missing-Link“-Studie mit Meerschweinchen zur inhalativen Exposition. Das vorhersehbare Ergebnis: Bei Meerschweinchen, die vier Stunden lang EGBE bei maximal erreichbarer stabiler Dampfkonzentration unter den Studienbedingungen inhaliert hatten, wurde keine Mortalität beobachtet.

Im Frühjahr 2020 war die EU-Kommission der Ansicht, dass der Aspekt der Sättigungsdampf-konzentration nicht nur angesichts der neu verfügbaren Meerschweinchendaten neu betrachtet werden sollte, sondern auch ältere Daten mit Meerschweinchen offenbar nicht vollständig berücksichtigt wurden [3] . Der Endpunkt der akuten Inhalationsexposition wurde daher zur erneuten Bewertung an das RAC zurückgesendet. Die anderen Klassifizierungsvorschläge wurden Teil der 15. ATP zur CLP-Verordnung. Im Dezember 2020 kam das RAC – mit demselben Berichterstatter wie zuvor – zu dem Schluss, dass die neuen Daten sowie unterstützende Informationen zum maximal erreichbaren Sättigungsdampfdruck immer noch nicht überzeugend genug waren. Die erste Bewertung wurde nicht überarbeitet!

Regulatorische Konsequenzen

Unsere Experten haben die weiteren Auswirkungen sorgfältig analysiert.

UK REACH

EGBE ist im Vereinigten Königreich als akut toxisch bei Inhalation 4 eingestuft. Die Klassifizierung in Großbritannien (GB) unterscheidet sich nun von der in der EU. Im Rahmen des Brexit übernahm GB alle bestehenden harmonisierten EU-Klassifikationen, einschließlich der Klassifizierung von EGBE gemäß der 15. ATP.

Im Januar 2024 veröffentlichte die sog. Health and Safety Executive (HSE) des Vereinigten Königreichs eine konsolidierte Stellungnahme, und 90 chemische Stoffe aus der 14. und 15. ATP fanden ihren Weg in die britische Gesetzgebung [4].

Gemäß den GB-CLP-Verordnungen ist die zuständige GB-Behörde verpflichtet, jeden Stoff zu prüfen, zu dem RAC eine Stellungnahme gemäß Artikel 37(4) der EU-CLP-Verordnung abgibt, und zu entscheiden, wie dieser Stoff ihrer Meinung nach gemäß der GB-CLP-Verordnung eingestuft werden sollte. Da das Verfahren, mit dem die Kommission RAC um eine erneute Überprüfung der EGBE-Einstufung ersuchte, jedoch nicht gemäß Artikel 37(4) durchgeführt wurde, können die GB-Behörden dies nicht gemäß dem entsprechenden Artikel 34 der GB-CLP-Verordnung prüfen.

Damit die britischen Behörden die harmonisierte Einstufung im Vereinigten Königreich überprüfen können, müssten sie einen vollständigen CLP-Vorschlag ausarbeiten. Das Vereinigte Königreich scheint derzeit nicht die Inhalationstoxizität von EGBE zu prüfen und und zu planen, in naher Zukunft einen technischen Bericht zu diesem Stoff zu veröffentlichen. Sollte dies der Fall sein, muss eine erneute öffentliche Konsultation durchgeführt werden.

SEVESO

Die Einstufung als Akut 3 bei Inhalation ruft  Anforderungen von SEVESO-III (Richtlinie 2012/18/EU) (Anhang I: Gefährliche Stoffe) hervor. Die H331-Klassifizierung schreibt Anforderungen der unteren Stufe ab 50 t EGBE vor Ort, und Anforderungen der oberen Stufe ab 200 t EGBE vor Ort vor. Zu den Anforderungen der unteren Stufe gehört (u. a.) eine schriftliche Richtlinie zur Verhütung schwerer Unfälle. Zu den Anforderungen der oberen Ebene gehören (u. a.) eine Richtlinie zur Verhütung schwerer Unfälle, ein Sicherheitsmanagementsystem und ein Sicherheitsbericht.

UN-Transport

Jeder als Gefahrgut betrachtete Stoff erhält nach eingehender Prüfung durch den Expertenausschuss der Vereinten Nationen für den Transport gefährlicher Güter eine vierstellige sog. UN-Nummer zugewiesen. Diese werden im sog. „Orange Book“veröffentlicht. Diese Empfehlungen werden von der für die verschiedenen Verkehrsträger zuständigen Regulierungsbehörde genehmigt.

EGBE verfügt nicht mehr über eine UN-Transportnummer. Im Jahr 1994 kam der UN-Expertenausschuss nach Prüfung der damals verfügbaren Toxizitätsdaten zu dem Schluss, dass EGBE für den Transport nicht gefährlich sei. Infolgedessen wurde die zuvor festgelegte Nummer (UN2369) ab der 9. Auflage des „Orange Book“ gestrichen.

Zusammenfassung

Branchenexperten haben einen “peer reviewed“-Artikel veröffentlicht, um ihren bereits früheren Standpunkt zu verteidigen und aufrechtzuerhalten:

  • Da die neuen Daten deutlich unterstreichen, dass das Einatmen von EGBE-Dämpfen für den Menschen – wenn überhaupt – nur eine minimale Gefahr darstellt, sollte wie bei der dermalen Exposition keine Einstufung als akute Gefährdung bei Inhalation gelten.
  • Die Einstufung in Kategorie 3 scheint auf einer Fehlinterpretation der Daten und der Anwendung dieser Interpretation auf die strengeren Klassifizierungsbereiche in der CLP-Verordnung im Vergleich zur vorherigen Gefahrstoffrichtlinie zurückzuführen zu sein.
  • Diskussionen über UN-Transportnummern sollten in dazu zuständigen internationalen Gremien stattfinden und nicht Gegenstand nationaler Neuinterpretationen sein.

Literatur

[1] Hazel N.J. “Water-based Coatings; A New Model For Coupling Solvents Part 1: Why is BGE So Good?” Surface CoatingsInternational, 1994(5), 213

[2] Dieses Kapitel ist nur eine Zusammenfassung.

Für mehr Informationen:  Classification history of EGBE

[3] Dow, 1974. Inhalation Toxicity Studies on Three Samples of Ethylene Glycol Monobutyl Ether (Dowanol EB) N-Butyl Oxitol-Shell USA, N-Butyl Oxitol-Shell Europe. Report of the Dow Chemical Company. Report date: 1974-10-07.

Unpublished study report

[4] GB CLP-Article 37-Agency Opinion-90 substances- 14th & 15th ATPs (hse.gov.uk)

Update

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