CLP: Neue Gefahrenklassen

Durch das Inkrafttreten der delegierten Verordnung (EU) 2023/707 kommt es zur Einführung neuer Gefahrenklassen für Endokrine Disruptoren (ED), PBT/vPvB- und PMT/vPvM-Stoffe. Von Janina Rickers und Dr. Robert Zabel, Umco

Neue Gefahrenklassen für Endokrine Disruptoren (ED), PBT/vPvB- und PMT/vPvM-Stoffe.
Neue Gefahrenklassen für Endokrine Disruptoren (ED), PBT/vPvB- und PMT/vPvM-Stoffe. Bildquelle: antoine2k - stock.adobe.com

Zum 20. April 2023 trat die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 und damit die neuen Gefahrenklassen in Kraft. Neben den Gefahrenklassen für endokrine Stoffe (ED) werden auch Gefahrenklassen für Stoffe eingeführt, welche persistent, bioakkumulierbar, toxisch (PBT) / sehr persistent, sehr bioakkumulierbar (vPvB) und persistent, mobil, toxisch (PMT) / persistent, mobil und/oder toxisch (vPvM)sind. Ziel dieser Verordnung ist ein besserer Schutz von Mensch und Umwelt. Diese Anpassung der CLP-Verordnung ist ein Hauptbaustein der EU Chemicals Strategy for Sustainability (CSS) und damit auch des Green Deals.

Die neuen Gefahrenklassen

Folgende neue Gefahrenklassen werden eingeführt:

Endokrine Disruption der menschlichen

  • Gesundheit Kategorie 1 und 2
  • Endokrine Disruption der Umwelt Kategorie 1 und 2
  • PBT (persistent, bioakkumulierbar, toxisch) / vPvB (persistent, mobil, toxisch)
  • PMT (persistent, mobil, toxisch) / vPvM (sehr persistent, sehr mobil)

Endokrine Disruptoren (ED) haben das Potenzial, das natürliche Hormonsystem von Mensch und Tier zu stören, mit negativen Folgen für Gesundheit und Entwicklung. Die Möglichkeiten, wie sich ein Stoff negativ auf das Hormonsystem auswirkt, sind dabei vielfältig und teilweise schwer nachzuweisen. Die zwei Kategorien bei den endokrinen Gefahrenklassen werden ähnlich wie bei karzinogenen oder mutagenen Stoffen vergeben:

Kategorie 1: Bekannte oder mutmaßliche endokrine Disruptoren, wobei endokrine Aktivität, ein schädlicher Effekt und eine Verbindung zwischen der Aktivität und dem Effekt nachgewiesen werden müssen.

Kategorie 2: Verdächtige endokrine Disruptoren für die menschliche Gesundheit. Wenn es begründete Zweifel an Effekten oder Studien gibt, wird der Stoff in Kategorie 2 eingeordnet.

PBT/vPvB-Stoffe werden laut Umwelt Bundesamt „nur sehr schlecht in der Umwelt abgebaut (=persistent), reichern sich in Organismen und damit in der Nahrungskette an (=bioakkumulierend) und sind giftig (=toxisch) für Menschen oder Organismen in der Umwelt“*.

PMT/vPvM-Stoffe werden nur schlecht von der Umwelt abgebaut, sind mobil genug, um durch natürliche oder künstliche Barrieren in den Wasserkreislauf zu gelangen und sind toxisch.

Da es sich bei den neuen Gefahrenklassen um europäische Einstufungen handelt, sind sie nicht im Globally Harmonised System (GHS) verankert. Das bedeutet, dass es keine neuen Piktogramme geben wird. Denn Piktogramme, sowie H- und P-Sätze werden vom GHS vorgegeben. Es wurde jedoch bereits ein Working Document zur Diskussion der neuen Gefahrenklassen auf UN-GHS-Ebene eingebracht. Ob die Gefahrenklassen also auch ins UN-GHS aufgenommen werden, bleibt abzuwarten.

Datengrundlage

Entscheidend für die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen ist die Kenntnis über deren intrinsische Eigenschaften. Die REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 hat die Datenlage vieler Stoffe über die letzten Jahre deutlich verbessert. Für alle registrierten Stoffe müssen – in Abhängigkeit des registrierten Tonnagebandes – Informationen zu den physikalisch-chemischen und (öko)toxikolgischen Merkmalen generiert und an die European Chemical Agency (ECHA) übermittelt werden.

Insbesondere für die neuen Gefahrenklassen PBT und PMT steht bereits eine gute Datengrundlage zur Verfügung. Die Feststellung der PBT-Eigenschaften eines Stoffes ist Teil der Bewertung unter REACH. Die einstufungsrelevanten Kriterien für diese Gefahrenklassen sind zum Teil Standardanforderungen unter REACH. So müssen die Registranten Angaben zur Abbaubarkeit (Persistenz), Bioakkumulation und zur chronischen (aquatischen) Toxizität vorlegen. Auch Daten zur Mobilität können bereits vorliegen. Als Kriterium wird hier der Verteilungskoeffizient zwischen Wasser und organischer Substanz (LogKoc) des Bodens oder Sedimentes verwendet.

Für die Kategorien Endokrine Disruption der menschlichen Gesundheit bzw. der Umwelt ist die Datenlage vergleichsweise weniger gut. Beide Kategorien orientieren sich an wissenschaftlich etablierten Kriterien (WHO/IPCS) zur Identifizierung von Endokrinen Disruptoren. Die REACH-Verordnung hat hierzu noch keine Standardanforderung. Mit der anstehenden Revision der Verordnung wird sich dies aber sehr wahrscheinlich ändern und die REACH-Verordnung um spezifische (öko-)toxikologische Tests und Alternativmethoden zu diesen beiden Endpunkten ergänzt. Bis die hieraus generierten Daten jedoch ihren Weg in die Lieferketten finden, dürfte noch etwas Zeit vergehen. Größte Herausforderung bleibt aber auch dann der Nachweis des konkreten Mechanismus der endokrinen Wirkung.

Zusätzlich zu den konkreten einstufungsrelevanten Daten fordert die REACH-Verordnung auch die Generierung von zusätzlich Daten, die im Zuge der Beweiskraftermittlung hilfreich sein können. So müssen die Registranten bereits ab einer Tonnage von 1 t/a Informationen zum Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten, zur leichten biologischen Abbaubarkeit und aquatische Kurzzeittoxizität vorlegen.

Übergangsfristen

Die delegierte Verordnung (EU) 2023/707 ist seit dem 20. April 2023 in Kraft. Stoffe die erstmalig in Verkehr gebracht werden, müssen demnach zum 1. Mai 2025 entsprechend eingestuft und gekennzeichnet werden. Bei Gemischen endet die Übergangsfrist erst zum 1. Mai 2026. Für bereits in Verkehr gebrachte Stoffe sind die neuen Regelungen zum 1. November 2026 und für bereits in Verkehr gebrachte Gemische zum 1. Mai 2028 anzuwenden.

Problematik

Wie schon beschrieben ist eine klare Bewertung der endokrinen Eigenschaften zum Teil schwer. Die Einteilung in diese Klassen erfolgt laut delegierter Verordnung durch die Beurteilung der Beweiskraft sämtlicher verfügbarer Daten durch Expert:innen.

Ein weiteres Problem, das man nicht aus den Augen verlieren darf, ist der Sonderweg, den die Europäische Union mit der Einführung der neuen Gefahrenklassen geht. Durch die Abweichung vom System der vereinten Nationen kann es zu Problemen bei der Kommunikation in der Lieferkette kommen und die einheitliche und vergleichbare Bewertung von Gefahren wird verkompliziert. Auch kommt ein enormer Prüfungsaufwand auf die Unternehmen zu, da die Prüfungen jetzt unabhängig vom Tonnageband für alle Produkte erfolgen muss. Dies kann laut Kritiker:innen zu einer Benachteiligung der EU-Industrie führen und widerspräche damit den Zielen der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit. Im schlimmsten Fall könne es sogar zu einer Verlagerung der Produktion in Länder mit geringerem Schutzniveau führen.

Fazit

Mit der Einführung der neuen Gefahrenklassen setzt die EU ein klares Zeichen zur Nullverschmutzungs-Strategie des CSS. Die neuen Gefahrenklassen können bei der Identifizierung und Kennzeichnung von Stoffen helfen, die eine potenzielle Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. In den kommenden Jahren müssen dafür viele neue Daten erhoben werden, da die Tonnagegrenze abgeschafft wurde und nun bereits ab einer Tonnage von 1 t/a Daten generiert werden müssen. Bis diese zur Verfügung stehen gilt jedoch, wenn noch keine Daten zu einem Stoff vorliegen, gilt dieser als nicht eingestuft.

* www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/was-sind-pbtvpvb-stoffe

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