So sieht der Markt für biobasierte Farben und Lacke aus

Biobasierte Farben und Lacke spielen im Markt bisher keine große Rolle. Doch seit einigen Jahren tut sich etwas, was vor allem an einer steigenden Nachfrage und einem zunehmend besseren Preis-Leistungsverhältnis liegt.

Markt Bio-based coatings
Vom Europäischen Green Deal bis hin zu Konjunkturprogrammen zur Bewältigung der Coronakrise in vielen Nationalstaaten gibt es einige Programme die positive Auswirkung auf den Markt für biobasierte Farben und Lacke haben könnten. Quelle: PiyawatNandeenoparit - stock.adobe.com

Der Markt ist noch zu klein, als dass verlässliche Daten zur Verfügung stünden; der Marktanteil von 5 % (Volumen) für biobasierte Farben und Lacke ist fast alles, was sich in konkreten Zahlen zur Marktgröße finden lässt. Die Zahl ist ebenfalls seit längerer Zeit unverändert und wurde vom Marktforschungsinstitut Chemquest bereits 2018 so publiziert und findet sich auch in dessen aktuellster globaler Marktanalyse in gleicher Höhe.

Wie gut sich die Nachfrage nach biobasierten Beschichtungen entwickelt, ist von Region zu Region in Europa sehr unterschiedlich. Zwei Länder fallen auf, allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen. Eines davon sind die Niederlande. Das Land hat im Juli 2016 einen nachhaltigen Beschaffungskatalog für öffentliche Ausschreibungen eingeführt, in dem es heißt „Je höher der Anteil von biobasierten Rohstoffen und/oder recycelten Rohstoffen in den gelieferten Produkten ist, desto höher ist der Wert der Ausschreibung“. Dadurch wird die Berücksichtigung biobasierter Lösungen zumindest erleichtert. Der Katalog gilt für eine Vielzahl von Projekten, von Straßenbau, Meeresprojekten, Landschaftsgestaltung, Bauwesen und vielem mehr.

Label für biobasierte Farben und Lacke

In der Schweiz wird ein anderer Ansatz verfolgt. Hier sichert ein Label die Verbreitung von Farben und Lacken auf der Basis nachwachsender Rohstoffe. Wer eine der beiden höchsten Klassen der Schweizer Umweltetikette haben will, muss nachweisen, dass die gelabelten Farben und Lacke zu 95 % aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Das Label wird auch an Klebstoffe, Holzschutzmittel, Putze und Spachtelmassen vergeben. Die hohe Akzeptanz bei den Anwendern dürfte auch dadurch gewährleistet sein, dass das Label auch Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit, wie Nassabriebbeständigkeit oder Kontrastverhältnis, stellt.

Andere Länder, die sich vergleichsweise gut entwickeln, sind die skandinavischen Länder, in Teilen Deutschland und auch Frankreich. Für Tim Gratzke, Marketing Manager beim niederländischen Rohstofflieferanten DSM, sind dies Länder, in denen die Nachfrage durch das zunehmende Umweltbewusstsein der Kunden getragen wird. Auch aus Italien soll sich zu einem attraktiven Markt entwickeln, was am steigenden Interesse von Kunden liege.

Christian Walter, der in der Forschung und Entwicklung beim Farben- und Lackhersteller DAW arbeitet, ist der Meinung, dass ein steigendes Umweltbewusstsein allein nicht ausreichen wird. „Ich bin eigentlich kein Fan von zu viel Regulierung“, erklärt er, „aber ohne Gesetzgebung geht es nicht, dafür sind wir als Gesellschaft insgesamt zu langsam.“ Dies könnte auch bei einem zweiten Problem helfen. Als weitere Hürde sieht er keine einheitlichen Standards zur Bewertung der Nachhaltigkeit. „Das verunsichert engagierte Endverbraucher und erschwert ihnen nachhaltige Kaufentscheidungen“, erklärt er.

Anwendung spielt eine wesentliche Rolle

Frank Hezel, Vice President Resins and Additives EMEA der BASF, betont ebenfalls die Rolle der einzelnen Unternehmen und Branchen: „Der Haupttreiber ist der unternehmensspezifische Ehrgeiz: Die Nachfrage wird zunehmend von Markeninhabern – insbesondere aus der Möbel- und Fußbodenindustrie – getrieben. Dem stimmen auch andere Experten zu.

Tim Gratzke von DSM sieht das größte Potenzial in dekorativen Anwendungen wie Wandfarben. Hier ist das biobasierte Bindemittel ein wesentlicher Bestandteil des Endprodukts. Bei anderen Produkten, wie Autos oder Möbeln, wird die Farbe oder Lack dagegen nur als kleiner Teil des Endproduktes wahrgenommen.

Biobasierte Lacke müssen Leistung bringen

Wenig verwunderlich liegt der Fokus für DAW auch bei Wandfarben. Das habe auch etwas mit den Anforderungen an die Beschichtung zu tun, wie Christian Walter berichtet. „Wenn man versucht, eine technische Anforderung mit dem abzugleichen, was man in der Natur vorfindet, scheitert man oft und muss auf „klassische“ Lösungen zurückgreifen. Umgekehrt gilt: Je geringer die technischen Hürden sind, desto eher findet man biobasierte Rohstoffe, die direkt für die eigene Anwendung einsetzbar sind.“ Auch für die anderen Experten spielt die Leistungsfähigkeit der biobasierten Produkte eine entscheidende Rolle. So betont Tim Gratzke von DSM: „Wir wollen keine Leistung opfern“.

Interessant sind nicht nur die Anwendungen die Experten als Vielversprechend nennen, spannend ist auch, welche sie nicht erwähnen. Dazu gehören vor allem solche Beschichtungen, die hohe Anforderungen an den Korrosionsschutz stellen, wie Industrielacke oder Schiffsfarben. Andere Anwendungen werden zwar noch nicht prominent genannt, könnten sich aber in der Zukunft zu wichtigen Märkten mausern. „Aufgrund übergreifender Nachhaltigkeitsthemen etwa im Automobilbereich, zum Beispiel bei Elektrofahrzeugen, könnten sich in den kommenden Jahren auch andere Industrien bio-basierten Beschichtungen zuwenden“, erklärt etwa Frank Hezel von BASF. Die ersten Produkte für diese Anwendung sind bereits auf dem Markt erhältlich.

Wie nachhaltig sind biobasierte Beschichtungen?

Automatisch nachhaltig wird die Farbe aber nicht, wenn pflanzliche Rohstoffe zum Einsatz kommen. „Biobasiert ist nicht immer gleichbedeutend mit nachhaltig. Das wird sehr deutlich, wenn wir uns die Schäden anschauen, die Palmölplantagen dem Regenwald zufügen“, erklärt Frank Hezel von BASF. Auch Christian Walter vom DAW hat das Thema auf dem Radar und argumentiert, dass es nicht einfach ist, auf etablierte Nahrungs- und Futtermittelketten zurückzugreifen, da dies das Preisgefüge zerstören könnte. Auch einzelne Unternehmen nehmen dies auf glaubwürdige Weise ernst. Es fehlen aber derzeit verlässliche politische Rahmenbedingungen, damit es nicht nur bei einzelnen Playern bleibt.

So hat beispielsweise die Europäische Kommission schon vor Jahren erkannt, dass sie eine biobasierte Recyclingwirtschaft fördern muss und gemeinsam mit der chemischen Industrie das „Bio-based Industries Joint Undertaking“ (BBI-JU) ins Leben gerufen. Diese 3,7 Milliarden Euro schwere öffentlich-private Initiative beschäftigt sich seit 2014 mit biobasierten Rohstoffen. Allerdings gibt es bei der Nachhaltigkeit noch Probleme. Die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory kritisiert: „Nur 10 Prozent aller BBI-geförderten Projekte sagten voraus, dass sich ihre Initiativen positiv auf die Biodiversität auswirken würden, und nur 27 Prozent erwarteten positive Auswirkungen auf die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen.

Philippe Mengal, Geschäftsführer der JU BBI, sieht das etwas anders: „Obwohl die Biodiversität bei der Gründung des BBI JU im Jahr 2014 kein Ziel war, sei kein einziges Projekt für die Förderung ausgewählt worden, dass die Biodiversität gefährdet oder negative Auswirkungen auf die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen hat. Die Industrie und die Europäische Kommission haben sich zudem darauf geeinigt, dass Biodiversität ein Ziel der neuen nächsten öffentlich-privaten-Partnerschaft im Rahmen des Horizon Europe Programms sein wird“.

Rückschlag durch Corona?

Natürlich ist zu befürchten, dass die Coronakrise den Wechsel zu biobasierten Beschichtungen zurückwerfen könnte. Es scheint klar, dass der Rückgang der Ölpreise negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von biobasierten Beschichtungen haben wird, auch wenn der Ölpreis sich zuletzt wieder etwas erholt hat. Aber Tim Gratzke von DSM sieht auch Chancen. Da zuletzt viele Renovierungsarbeiten über Home-Office und Kurzarbeit durchgeführt werden, ist der Umsatz im Bereich der dekorativen Farben, der für den Verkauf von biobasierten Rohstoffen besonders wichtig ist, in letzter Zeit gestiegen. Darüber hinaus haben die Menschen derzeit mehr Zeit, sich zu informieren. 

Frank Hezel räumt ein, dass es aufgrund der Pandemie zu Verzögerungen kommen kann. Langfristig sieht er aber große Chancen: „Eine schwere Krise wie diese wird strategische Diskussionen in der Wertschöpfungskette anheizen. Regierungen evaluieren Möglichkeiten zur Stimulierung der Wirtschaft ihrer Länder, von denen einige Programme auf die Förderung nachhaltiger Lösungen ausgerichtet sind. Dies könnte durchaus eine große Chance sein“. Tim Gratzke stimmt dem zu: „Ich erwarte wegen der Corona-Krise keine allzu negativen Auswirkungen, da Unternehmen, die in biobasierte Materialien investieren, eine langfristige strategische Entscheidung getroffen haben.“

Preis-Leistungsverhältnis von biobasierten farben und Lacken

Ein weiterer Faktor ist die Frage der Kosten. Öl zum Beispiel ist ein preislich volatiler Rohstoff, auch wenn natürlich auch nachwachsende Rohstoffe Schwankungen unterliegen, die allerdings meist weniger stark ausgeprägt sind. Für Christian Walter vom DAW wird das Argument der Preisstabilität vor allem bei Geschäften mit Landwirten verwendet. Die chemische Industrie ist manchmal ein attraktiverer Partner als die Nahrungsmittelindustrie. „Wir bieten nicht unbedingt höhere, aber stabilere Preise“, erklärt er. Die Preissituation wird neben der Leistung auf absehbare Zeit der wichtigste Faktor bleiben. Aber zumindest scheint sich hier etwas zu bewegen. Tim Gratzke von DSM weist zum Beispiel auf Upscaling-Effekte hin, die zu sinkenden Preisen für biobasierte Beschichtungen führen. 

Vor allem kurzfristig setzen viele Unternehmen auch Rohstoffe nach dem Drop-in-Prinzip ein. In diesem Fall werden biobasierte Rohstoffe in Kombination mit bestehenden Produktionsanlagen aus fossilen Rohstoffen hergestellt. Ein wichtiger Akteur ist hier die BASF mit ihrem Biomasse-Bilanzierungsverfahren. Dieses bietet die Möglichkeit, schnell und auch kostengünstig umzustellen. „Bei gleichbleibenden Materialien und Qualitäten können unsere Kunden sofort und ohne Nachqualifizierung auf Biomasse-Bilanzprodukte umsteigen“, erklärt Hezel. Aber auch neuartige Rohstoffe kommen zum Einsatz, wie das Leindotter-Projekt von Worlée und DAW zeigt. Hier wird ein neues biobasiertes Bindemittel gewonnen, das nicht mit der Lebensmittelproduktion konkurriert. Ganz im Gegenteil kann es sogar den Ertrag von Erbsenfeldern steigern.

Laut Philippe Mengal vom BBU-JU ist die stoffliche Nutzung von Biomasse von 2010 bis 2015 insgesamt um 5,6 % gestiegen, wobei innerhalb dieser Kategorie die biobasierten Chemiesektoren den höchsten relativen Anstieg (+48,4 %) aufweisen. Wenn die Aktivitäten in diesem Tempo weitergehen, könnten wir eher früher als später eine umweltfreundlichere Beschichtungsindustrie sehen.

Veranstaltungstipp

In Kürze treffen sich führende Experten aus Industrie und Forschung zum European Coatings Technology Forum – Bio-based Coatings in Berlin um über die neusten Innovationen und Produktentwicklungen biobasierter Rohstoffe und Beschichtungen zu reden. Die Teilnahme ist sowohl vor Ort als auch bequem von heimischen Rechner im Livestream möglich.

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