Interview: Entwicklungen und Herausforderungen bei Holzlacken

Nachhaltigkeit ist auch im Bereich der Holzlacke ein bedeutendes Thema. Wir sprachen mit Dr. Albert Rössler, CTO bei der Adler-Werk Lackfabrik, über Entwicklungen in diesem Bereich, weitere Trends und Herausforderungen bei Holzlacken und den Wood Coatings Congress.

Im Interview spricht Albert Rössler über den Wood Coatings Congress sowie Trends im Holzlacksektor. Quelle: Adler-Werk Lackfabrik

Der letzte Wood Coatings Congress musste leider auf Grund der Corona-Pandemie ausfallen. Wie wichtig ist es für unsere Branche, dass wir uns in diesem Jahr wieder in Präsenz treffen dürfen?

Rössler: Aus meiner Sicht ist sehr wichtig, sich wieder in Präsenz zu treffen. Es entstehen ganz andere Kontakte, man lernt andere Teilnehmer besser kennen und kann viel besser Netzwerken. Web-Veranstaltungen haben natürlich auch ihre Berechtigung, aber das Netzwerken ist dort nicht so möglich wie in Präsenz. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass sich die Holzlackbranche in diesem speziellen Format trifft, weil sich die Anforderungen von anderen Substraten, die lackiert werden, deutlich unterscheiden. Ich habe dieses Format in Amsterdam immer in guter Erinnerung.

Da sind Teilnehmer aus der Rohstoffindustrie, Anwender und Lackproduzenten, auch Teilnehmer aus dem wissenschaftlichen Bereich und der Forschung vor Ort. Diese spannende Mischung sorgt für viele interessante Diskussionen und Fragen und deshalb finde ich es auch wichtig, dass diese Veranstaltung wieder stattfindet. Das Thema Holzlacke ist ausreichend groß und speziell und braucht seinen Branchentreffpunkt.

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Eventtipp: Der Wood Coatings Congress findet am 8. und 9. November in Amsterdam in den Niederlanden statt. Der Kongress bietet ein umfangreiches Programm zu den neuesten Entwicklungen im Bereich Holzlacke.

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Was hat sich in den letzten vier Jahren nach der letzten Veranstaltung in der Branche getan?

Rössler: Es hat sich in den letzten Jahren enorm viel getan, womit niemand gerechnet hat. Es hat Alle in der Branche ausreichend gefordert, um Antworten auf die vielen Fragen zu finden, die da gekommen sind.  Ein sehr wichtiges Thema ist natürlich das gesamte Rohstoffversorgungsthema, das alle Branchen bei der Suche nach Alternativen gleich hart getroffen hat. Daneben sind auch die Preise enorm gestiegen und der Wareneinsatz wird damit zu einer Existenzthematik, auch weil man die gestiegen Preise nicht so einfach an den Kunden weitergeben kann.

In den letzten Jahren sind somit Situationen entstanden, die wir bisher in der Branche nicht hatten. Ich kenne Schwierigkeiten in der Versorgung mit Acrylatbindemitteln, dem ein oder anderen Photoinitiator oder mit einem Pigment, aber immer einzeln. Doch in dieser Zeit hat die Versorgungsproblematik eine Breite erreicht, die ich noch nie erlebt habe. Das war und ist ein enormer Kraftakt neben allen Herausforderungen der Pandemie und neben den Fakten, dass der Markt in Russland und Belarus faktisch weggebrochen ist.

Diese vielen Veränderungen haben insgesamt eine Unruhe in die Branche gebracht und geben Anlass zur Sorge. Dazu ist die Abhängigkeit von Asien noch offensichtlicher geworden, viel stärker als das vielleicht Manchen bewusst war – in der gesamten Rohstoffkette. Da hat sich in Europa in den letzten Jahrzehnten viel zu viel verlagert, was die Grundstoffindustrie betrifft und das ist jetzt der Preis, den man dafür bezahlt. 

Was hat sich im Holzlackbereich zum Thema Nachhaltigkeit getan?

Rössler: Die Thematik Nachhaltigkeit, insbesondere das Thema Green Deal, bis hin zur Klimarelevanz hat enorm an Bedeutung gewonnen. Das Thema war natürlich immer präsent, denn auf Umweltschutz wird schon viele Jahrzehnte geachtet. Doch der Druck von außen ist derzeit extrem hoch mit einer Welle, die an Gesetzgebung in der EU mit der Chemikalienstrategie, aber auch mit der Kreislaufwirtschaft und dem Ökodesign von Produkten, etc. anrollt.

Diese Themen waren sicherlich bei der letzten Veranstaltung nicht in diesem Maße vorhanden und darüber wird die Branche noch viel sprechen müssen. Das sind Herausforderungen für die Forschung und Entwicklung, welche die Produkte nachhaltig designen muss, es ist aber genauso wichtig für die gesamte Rohstoffkette, den man benötigt nachwachsende Rohstoffe, Alternativquellen und alle sprechen darüber, wie man den CO2-Fußabdruck transparenter gestalten kann. Da sind ganz neue Fragen entstanden, die sicherlich die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zur Großindustrie fordert. Das hat es so in dem Maße bisher nicht gegeben. Die Gesetzgebung hat sich auch im Bereich der Biozide noch weiterentwickelt, im Holzschutz und der Topfkonservierung sind viele Wirkstoffe nicht mehr verfügbar. Das ist nicht neu, hat sich aber deutlich auch politisch verschärft. Man will von den Bioziden wegkommen und die Topfkonservierung weiter reduzieren. In der Entwicklung haben sich die Fragen neben dem Thema Nachhaltigkeit und dem Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft, über das ich in meinem Vortrag auf dem Kongress sprechen werde, immer mehr auch auf nachwachsenden Rohstoffe fokussiert.

Es gibt zudem einen starken Zug in Richtung der UV-härtenden Systeme und auch die Anlagentechnologie und die Anpassung der Lacke darauf hat sich stark weiterentwickelt. Es gibt viele spannende neue Verfahren, die auf den Markt gekommen sind, wie zum Beispiel das Intert-Verfahren oder den Excimer-Prozess in der Möbelindustrie. Die Elektronenstrahlhärtung hat wieder an Fahrt aufgenommen, auch wenn es diese Technik schon länger gibt und ebenfalls hat der Digitaldruck zugenommen für die Applikation von Lacken. Im Bereich der Anlagentechnologie, der Auftragstechnologie, der Härtung gab es richtige Innovationsschübe, die für die Branche sehr zentral sind. 

Ein weiteres Thema ist natürlich auch der Mitarbeitermangel. In dieser Breite kannten wir so etwas auch noch nicht. Bisher gab es einen Fachkräftemangel, aber dass man für jede Position, vom Produktionsmitarbeiter bis zur Logistik, Schwierigkeiten hat Mitarbeiter zu finden, das ist neu. 

Wie spiegelt Ihrer Meinung nach das Programm des Wood Coatings Congress diese Veränderungen wider?

Rössler: Ja, denn ins Auge stößt sofort die Vielzahl an Vorträgen zum Thema biobasierte Lacke, aber auch die funktionellen Lacke, insbesondere zum Thema anti-viral oder Brandschutz sind vorhanden. Neben neuen Bindemitteln und anderen Materialien sind auch die Testmethoden immer in Amsterdam präsent und bilden eine Basis, um objektiv entwickeln zu können. Damit wird der laufenden Entwicklung im normativen Bereich Rechnung getragen.

Simulation und Digitalisierung sind auch wichtige Themen, denn die Vorhersehbarkeit von Haltbarkeit schafft wieder Chancen für die Nachhaltigkeit. Was auf dem Kongress noch nicht so im Vordergrund steht, ist die neue Anlagentechnik.

Was ist Ihrer Meinung nach das Ziel unserer Veranstaltung?

Rössler: Ich wünsche mir wieder mehr mit der Branche in Kontakt zu treten und ich bin mir sicher, dass das auf der Veranstaltung gelingt. Außerdem freue ich mich darauf neue Ideen und Innovationen mitzunehmen, die ich aus den Vorträgen und Gesprächen gewinnen kann. Dabei geht es gar nicht um ein spezielles Thema, dass ich mitbringe, sondern ich möchte breiter denken und mich vernetzen, um die Breite der Innovationen aufnehmen zu können. Erfrischende Gedanken und die Sicht Anderer auf die Themen und wie sie bewertet werden können sehr hilfreich sein.

Wie nötig ist es, die Herausforderungen unserer Zeit firmenübergreifend und als gemeinsames Team anzugehen?

Rössler: Ich bin davon überzeugt, dass wir viele Dinge nur gemeinsam lösen können und da hilft so eine Veranstaltung das anzuregen. Aber die Lackbranche ist tendenziell sehr konservativ, das merkt man auch beim Einkauf, bei dem oft kleine Mengen einzeln gekauft werden. Absolut notwendig ist es aber, dass sich die Branche gerade bei den gesetzlichen Themen organisiert und eine wissenschaftliche und fundierte Basis in die politische Komponente einbringt, die ja manchmal sehr irrational sein kann. Da muss man zusammenarbeiten, es braucht zum Beispiel Studien, die sehr teuer sind und hier braucht man den Zusammenhalt von Rohstoffherstellern, Lackherstellern und von Instituten. Diese Mischung ist auf der Veranstaltung aber sehr gut gegeben. Naturgemäß tun sich Unternehmen mit der Zusammenarbeit schwer. Es gibt zwar übergreifende Branchenprojekte, aber das könnte noch mehr sein. Ich bin überzeugt, dass das auch notwendig ist, um die großen Herausforderungen zu stemmen. 

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