Schwierige Lage für Lackbindemittel

Die herausfordernde Situation am Markt für Bindemittel verschärft sich durch steigende Logistik- und Energiekosten weiter. Eine deutliche Verbesserung ist kurzfristig nicht in Sichtweite.

Der Druck auf die Lieferketten durch die Pandemie und den Krieg wirkt sich auf die Verfügbarkeit und Versorgung mit Rohstoffen aus. Bildquelle: vchalup - stock.adobe.com

Der Ausbruch von Covid-19 hat zu Unterbrechungen in der Lieferkette geführt. Preise und Verfügbarkeiten von Rohstoffen gerieten unter Druck. Bei vielen Bindemitteln, wie etwa Epoxidharzen, explodierten die Preise deutlich. Ein Anstieg im hohen zweistelligen Prozentbereich bildete nicht mehr nur die Ausnahme. Diese Entwicklung begann im letzten Quartal 2020 und setzt sich bis heute fort. Die Preise verharren auf hohem Niveau. Eine Entspannung ist nicht in Sicht, da neben der Pandemie nun weitere Faktoren auf den Markt auswirken. Laut dem Marktforschungsunternehmen Allied Market Research führte beispielsweise die unsichere Nachfrage aus Sektoren wie der Automobilindustrie und dem Baugewerbe zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. So kam es auf dem Farben- und Lackmarkt zu einem Überangebot bzw. zu einem Angebotsmangel. Dies hemmt das Wachstum des Marktes für Lackharze.

„Die Corona-Zeit war geprägt von großen Bedarfen und Problemen bezüglich der Verfügbarkeit. Der Renovier- und Bauboom ist deutlich zurückgegangen. Innovationsprojekte konnten daher nur schleppend umgesetzt werden, da die Kunden hierfür keine Laborkapazitäten hatten. Derzeit kann wieder stärker über Innovationen und Neuentwicklungen gesprochen werden“, sagt Lars Ossenschmidt von Worlée-Chemie. Sein Kollege Dr. Toine Biemans ergänzt, dass viele in der Corona-Zeit ihre Häuser gestrichen haben und weniger gebaut wurde. Auch der Industrie-Sektor habe mit Rückgängen zu tun gehabt. Dadurch sei der Bedarf runtergegangen. Gestiegene Rohstoffpreise und der Russland-Ukrain-Konflikt tragen nicht positiv dazu bei.

„Der Druck auf die Lieferkette aufgrund der Coronapandemie und des Ukraine-Kriegs wirkt sich auf die Versorgungssicherheit aus und treibt die Kosten in der Lackbindemittelindustrie in die Höhe. Dies verdeutlicht die Abhängigkeit der Branche von fossilen Rohstoffen. Darüber hinaus hat der Bedarf an nachhaltigen Lösungen an Dringlichkeit zugenommen, zusätzlich zu dem grundlegenden Wunsch nach einer Verringerung des CO2-Fußabdrucks entlang der Wertschöpfungskette sowie einer verbesserten Industriehygiene aufgrund zunehmender Regulierung“, sagt Dickon Purvis von Covestro. Auch Oliver Kossanyi von Evonik, teilt mit, dass Aufgrund der aktuellen politischen Lage eine gewisse Anspannung herrsche, was beispielsweise die Rohstoffverfügbarkeit und -versorgung angeht. Dies ziehe sich durch die gesamte Wertschöpfungskette. Er stellt aber auch eine hohe Innovationsfreudigkeit fest: „Viele Produktlösungen – auch nachgelagert vom Bindemittel – werden derzeit im Markt eingeführt – fast alle haben dabei einen Bezug zum Thema Nachhaltigkeit“. Dr. Ulrich Nauber von Dow bezeichnet die derzeitige Situation im Markt für Lackbindemittel ebenso als angespannt mit keiner optimistischen Prognose: „Sowohl aus makro- and als auch mikroökonomischer Perspektive steht der Markt weiterhin vor signifikanten Herausforderungen. Eine deutliche Verbesserung ist kurzfristig nicht in Sichtweite“.

Herausforderungen sind vielfältig

Aus Sicht von Ossenschmidt belasten die hohen Rohstoffpreise sowohl die Bindemittelhersteller als auch deren Kunden. Zusätzlich wird es durch den Krieg bei bestimmten Rohstoffen, wie z.B. einigen pflanzlichen Ölen zu Verschiebungen auf den Märkten kommen. „Die gestiegenen Anforderungen bezüglich der nachhaltigen Produktentwicklung erfordert einen hohen Einsatz von Ressourcen im Bereich der Innovationsabteilungen“, sagt Ossenschmidt. Nauber identifiziert die volatilen Marktentwicklungen als Herausforderung für Bindemittelhersteller. „Diese sind getrieben durch stark gestiegene Logistik- und Energiekosten sowie eine schwankende Nachfrage in den Märkten, bedingt durch geopolitische Spannungen, Inflationsängste und so weiter. Dies stellt alle Partner in der Wertschöpfungskette auf die Probe“, betont Nauber.

Für Purvis gibt es, bezogen auf die aktuelle Situation, derzeit drei Hauptherausforderungen. „Die vordringlichste von ihnen ist die Sicherstellung einer stabilen Versorgung mit Rohstoffen. Allerdings handelt es sich um eine sehr dynamische Situation, die eine ständige Anpassung erfordert. Ein weiteres Thema, das sich schnell entwickelt, ist die Regulierung der Industriehygiene. Die Bindemittelhersteller müssen versuchen, die Vorschriften in ihren Innovationsprozessen vorwegzunehmen, um ihren Kunden auch nach Einführung neuer Vorschriften weiterhin Handlungsfreiheit zu gewährleisten. Nicht zuletzt ist die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks ein Thema, das nicht von einem einzelnen Hersteller angegangen werden kann, sondern die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette erfordert. Grundlegende Themen innerhalb der Wertschöpfungskette wie die Ansätze, die Art der erforderlichen Nachweise und die Transparenz der Herkunft der bezogenen Rohstoffe entwickeln sich ständig weiter.“

Kossanyi spricht auch bei dem Thema Herausforderungen über Nachhaltigkeit: „Bindemittel sollen hier ebenfalls einen Beitrag leisten. So werden beispielsweise in der flexiblen Verpackungsbranche Heißsiegellacke für Mono-PET Verpackungen aktuell vermehrt nachgefragt. Die nachhaltige Produktlösung muss hier aber auch nachweisbar sein – sei es durch Berechnungen von Lebenszyklusanalysen für die Bemessung des CO2-Fußabdrucks oder durch externe Zertifizierungen.“

Anforderungen der Farben- und Lackhersteller an die Bindemittelhersteller

Die Hersteller von Farben und Lacken sind laut Purvis stets auf der Suche nach Innovationen, werden aber auch von ähnlichen Herausforderungen wie die Hersteller von Bindemitteln angetrieben: nämlich eine stabile Versorgung, die Gewährleistung ihrer Handlungsfreiheit und die Verringerung des CO2-Fußabdrucks. „Ein gemeinsames Element in all diesen Bereichen war in den vergangenen Jahren jedoch der Komfort. Drop-in-Lösungen, die die gleiche oder eine bessere Leistung als die bestehende Lösung bieten, aber einen geringeren CO2-Fußabdruck habe. Lösungen, die keine zusätzlichen Maßnahmen für eine sichere Handhabung erfordern, stoßen auf großes Interesse im Markt“, sagt Purvis.

Die Verfügbarkeit bestimmter Rohstoffe und insbesondere hohe Preise spiele eine große Rolle bei vielen Gesprächen mit unseren Kunden, teilt Ossenschmidt mit. „Bindemittel bestimmen zu einem sehr großen Teil die Eigenschaften der Lacke und Farben. Ebenfalls ist die Einsatzmenge gegenüber anderen Lackrohstoffen relativ groß. Bei der Weiterentwicklung der Lacksysteme hin zu nachhaltigeren Produkten liegt der Fokus somit auch bei diesem Rohstoff. Aufgrund der Vielfältigkeit der möglichen zukünftigen Anforderungen und der relativ langen Entwicklungs- und Umsetzungszeiten wird vom Bindemittelhersteller eine breite und weite Sicht verlangt.“ Eine weitere Anforderung sind biobasierte und nachhaltige Lösungen mit gleicher Qualität, fügt Biemans hinzu. Über Preise werde nicht gesprochen, da die Rohstoffpreise so hoch seien. Dies werde aber bestimmt entscheidend sein.

Zu Anforderungen die Farben- und Lackhersteller an die Bindemittelhersteller stellen, ist für Nauber die Versorgungssicherheit ein Gebot der Stunde. „Neben einer tragbaren Preisentwicklung, zählt ebenso die Entwicklung deutlich nachhaltigerer Produkte zu den wesentlichen Anforderungen“. Zusätzlich zu den Anforderungen für nachhaltige Produktlösungen besteht auch ein erhöhtes Anforderungsprofil an Produkteigenschaften, betont Kossanyi. Als Beispiel führt er Heißsiegellacke an, die auch bei Papierverpackungen zum Einsatz kommen und im besten Fall Barriere-Eigenschaften mitbringen. Neben Papier kommen viele neue Substrate auf den Markt die sich teilweise noch etablieren müssen. Auch hier gilt es, eine Funktionsfähigkeit mit dem entsprechenden Bindemittel sicherzustellen.

F&E fokussiert auf Nachhaltigkeit

Allied Market Research erwartet, dass die Nachfrage nach biobasierten Farben und Lacken in den kommenden Jahren steigen wird. Dies ist auf das wachsende Bewusstsein auf seiten der Endverbraucher sowie auf die strenger werdenden Vorschriften in Bezug auf den VOC-Gehalt zurückzuführen. Dies werde die Nachfrage nach Lackharzen ankurbeln, die diesen Anforderungen gerecht werden. Die Forschungsaktivitäten sind laut Kossanyi klar auf das Thema Nachhaltigkeit ausgerichtet. Dies beinhalte kurzfristige Themen wie Produktmodifikation um beispielsweise eine nochmals verbesserte CO2-Bilanz bei Bindemitteln zu erreichen. Aber auch mittel- und langfristige Forschungsarbeiten fokussieren sich auf die Entwicklung von nachhaltigen Produktinnovationen.

„Im Laufe der Jahre haben wir ein breites technologisches Instrumentarium entwickelt, das auch wässrige und 100 % UV-härtende Lösungen umfasst. Unser wichtigster Innovationsmotor ist es, sicherzustellen, dass wir Lösungen haben, die den CO2-Fußabdruck eines Produkts in jeder Phase des Produktlebenszyklus berücksichtigen, wie zum Beispiel: nachhaltige, nicht-fossile Rohstoffe, höhere Produktivität und geringerer Energiebedarf bei der Anwendung, die Verwendung leichterer, haltbarerer Materialien bei der Nutzung und die Möglichkeit des Recyclings von Produkten am Ende ihrer Lebensdauer“, sagt Purvis.

Bei Worlée-Chemie müssen alle aktuellen Projekte müssen mindestens einen Faktor der Nachhaltigkeit beachten, betont Ossenschmidt. Laut Biemans werden eigentlich keine Projekte mehr durchgeführt, die nicht irgendwie einen Nachhaltigkeitsaspekt berücksichtigen. „Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt uns auf allen Ebenen. Wir werden in den nächsten Jahren einen kompletten Umbau unseres Portfolios vornehmen. Zur Beschleunigung der Projektarbeit bereiten wir viele Technologien und Themen vor und gehen bereits frühzeitig mit Prototypen zu unseren Kunden. Wir müssen aufgrund der kurzfristigen Veränderungen agil reagieren können“, sagt Ossenschmidt. Auch Nauber stimmt hier ein: „Das Thema Nachhaltigkeit hat schon lange einen sehr großen Stellenwert in der F&E besessen und ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Entwicklung jeglicher Produktgruppen geworden. Neuentwicklungen müssen einen deutlichen Beitrag zu den vielen Themen der Nachhaltigkeit, wie zum Beispiel Kreislaufwirtschaft/Ressourcenschonung und Gesundheit/Wohlbefinden, leisten.“

Eventtipp

Nachhaltigkeit steht auch bei der European Coatings Conference Bio-based & Water-based am 22 -23 November in Berlin im Fokus. Das Programm beinhaltet zwei gemeinsamen Keynotes sowie 18 Vorträge hochkarätiger Referenten in zwei parallelen Sessions zu wasserbasierten und biobasierten Lacksystemen.

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