„Indien ist mittlerweile weltweit die Nummer vier im Automobilmarkt“

BASF hat das „Automotive Coatings Application Center“ im „Coatings Technology Center“ in Mangalore in Indien erweitert. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Bestandteil der bestehenden Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen des Unternehmens für Fahrzeuglacke. Sabrina Platzek, Vice President, Automotive OEM Coatings Solutions Asia Pacific, BASF, spricht über den Schritt und das Potenzial im indischen Markt.

Wir sprachen mit Sabrina Platzek Bildquelle: BASF

Sie haben Automotive Coatings Application Center in China, Japan, Thailand und Indien. Welche Rolle spielen diese?

Sabrina Platzek: Mit den Automotive Coatings Application Centern von BASF können wir verschiedenste Lackierprozesse, die in der Automobilproduktion weltweit eingesetzt werden, nachstellen. Die Prozessexpertise gewinnt bei der Arbeit an nachhaltigen Lösungen zunehmend an Bedeutung, da sie ein entscheidender Punkt ist, den Automobilherstellern bei der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu helfen. Basierend auf einer kürzlich von uns durchgeführten Lebenszyklusanalyse schätzen wir, dass rund 25-35 % der gesamten CO2-Emissionen des Herstellungsprozesses eines Autos aus der Lackierstraße stammen. Das zeigt, welch enormen Einfluss die Beschichtungsmaterialien und der angewandte Prozess auf die Reduzierung der CO2-Emissionen haben können.

Sie haben das Automotive Coatings Application Center in Indien erweitert. Wieso?

Platzek: Indien ist der viertgrößte Automobilmarkt der Welt für PKW und die Nummer eins bei Zweirädern. Die Wachstumsprognosen für die folgenden Jahre sind sehr positiv. In Indien werden verschiedene lösemittelhaltige Technologien verwendet und die europäischen, japanischen, koreanischen, amerikanischen, chinesischen und indischen Autohersteller vor Ort sind auf Agilität in der Forschung & Entwicklung der Lackproduzenten angewiesen. Das hat uns dazu inspiriert, in ein hochmodernes Application Center für Fahrzeuglacke zu investieren. Damit kann BASF eine Vielzahl von Liniensimulationen unter sämtlichen klimatischen Bedingungen Indiens für die Vielzahl der Autohersteller durchführen.

Wie sieht die Erweiterung im Detail aus?

Platzek: Wir haben unser bestehendes Automotive Coatings Application Center um neue hochmoderne Ausrüstung, wie hochpräzise, klimatisierte Spritzkabinen, elektrostatische Rotations-Glockenzerstäuber und ein modernes Schnellanschlusssystem für elektrostatisches Lackieren, erweitert. Hier werden die Lackierprozesse aller Fahrzeughersteller simuliert, unabhängig von Technologien und Roboter-Einsatz bei den einzelnen Herstellern. Dies befähigt uns auch zukünftig auf lokale Kundenbedürfnisse einzugehen und gemeinsam mit unseren Kunden neue Entwicklungen voranzutreiben.

Die Anlage wurde für kundenorientierte F&E-Aktivitäten konzipiert. Was ist zurzeit der Schwerpunkt der F&E in Indien?

Platzek: Wenn wir uns den Markt für Automobillacke in Indien ansehen, zeigen die Automobilhersteller ein erhöhtes Interesse an nachhaltigen Beschichtungslösungen wie integrierten Prozessen, Lacken mit hohem nichtflüchtigem Anteil sowie Low-Bake-Technologien.

Außerdem arbeiteten wir in Zeiten zunehmender Elektromobilität zusammen mit unseren Kunden an innovativen und exklusiven Farbdesigns, sowie an Produkten, die auf unterschiedliche Substrate wie Leichtbaumaterialien appliziert werden können. Gleichzeitig wird Indien ein kostensensibler Markt bleiben, das heißt, dass bei jeder Innovation Leistung und Kosten ausbalanciert sein müssen, um im Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.

Bitte beschreiben Sie den indischen Markt für Automobillacke.

Platzek: Indien ist zweifelsohne ein Markt mit enormem Wachstumspotenzial. Das wird deutlich, wenn man die indische Bevölkerung mit wirtschaftlichen Kennzahlen wie dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf oder Autos pro Kopf vergleicht. Einigen Marktstudien zufolge gibt es in Indien rund 40 Autos pro 1.000 Einwohner, während es in Deutschland über 570 Autos pro 1.000 Einwohner sind. Die Frage ist also nicht, ob Indien Potenzial hat, sondern eher, wann es sich entfaltet.

Die Vielfalt an Automobilherstellern in Indien unterstreicht das enorme Wachstumspotenzial. Während wir ein sehr starkes Wachstum bei indischen Herstellern wie Tata Motors und Mahindra Auto verzeichnen, sind auch europäische, japanische, koreanische, amerikanische und chinesische Produzenten vertreten. Darüber hinaus produzieren einige Automobilhersteller sowohl Modelle für den heimischen Markt als auch für den Export. Das erhöht die Vielfalt der Modelle.

Der Markt für Automobilbeschichtungen wird sicherlich von dieser Wachstumsperspektive profitieren, und es ist wichtig, geeignete Lösungen für die lokalen Marktbedürfnisse und die vielfältige Kundenlandschaft zu bieten. Mit dem Ziel der BASF, in der Automobilindustrie führend im Bereich Nachhaltigkeit zu sein, werden wir auch weiterhin proaktiv nachhaltige Lösungen anbieten, um den Wandel zu einer grüneren Industrie zu gestalten – sowohl in Indien als auch weltweit.

Wo sehen Sie in Indien Potenzial und Herausforderungen?

Platzek: In den letzten Jahren war der indische Automobilmarkt von starken Schwankungen geprägt, die durch neu eingeführte Emissionsstandards und andere Vorschriften, sowie vom Ausbruch von Covid-19 und den damit verbundenen Knappheiten und logistischen Herausforderungen, getrieben wurden. Wir gehen davon aus, dass sich diese Dynamik kurzfristig fortsetzen wird. Gleichzeitig sehen wir in diesem Jahr jedoch bisher eine starke Marktentwicklung, die sich darin äußert, dass Indien mittlerweile weltweit die Nummer vier im Automobilmarkt ist. In Kombination mit hohen Automobilexporten aus Indien sind dies sehr vielversprechende Indikatoren für eine starke zukünftige Marktentwicklung.

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