Harmonisierte Produktmeldung

Jenny Gerstmann und Dr. Clemens Jochem geben einen Überblick über nationale Notrufnummern vor dem Hintergrund der EU-weit harmonisierten Produktmeldung.

Notrufnummern im Sicherheitsdatenblatt (SDB) Bildquelle: Zerbor - stock.adobe.com

Neben der harmonisierten Produktmeldung sind in mehreren Ländern weitere nationale Zusatzpflichten zu erfüllen, die über die Anforderungen des Anhang VIII der CLP-Verordnung (CLP VO) hinausgehen. Auch das Thema Notrufnummer im Sicherheitsdatenblatt (SDB), die Übermittlung an die dort genannten Notrufnummernbetreiber und die ggf. in diesem Zusammenhang anfallenden zusätzlichen Gebühren und Prozessaufwände, sind durch die harmonisierte Produktmeldung nur teilweise abgedeckt. Wir geben einen Überblick und gehen auf die Sonderwege einzelner europäischer Staaten im Detail ein.

CLP-Verordnung vs. REACH-Verordnung

Während sich die harmonisierte Produktmeldung auf den Artikel 45 im Zusammenhang mit dem Anhang VIII der CLP VO stützt, sind die Anforderungen an SDBs und damit die Pflichten zur Angabe einer Notrufnummer in Artikel 31 der REACH-Verordnung (REACH VO) verankert. Um vollständig compliant zu sein, muss beiden Verordnungen Genüge getan werden. Durch die harmonisierte Produktmeldung wurde ein zentraler Verteilmechanismus mit einem einheitlichen Informationsformat geschaffen, über den die teilnehmenden Länder Informationen über die in ihrem Markt in Verkehr gebrachten Gemische erhalten. Insbesondere der Detailgrad der Rezepturinformationen ist im Vergleich zu den alten nationalen Meldungen in vielen Fällen gestiegen. Unglücklicherweise nicht harmonisiert ist demgegenüber die Notrufnummer-Thematik im SDB, die je nach EU-Staat nach wie vor mit unterschiedlichen Anforderungen einhergeht. In vielen Fällen ist der Notrufnummernbetreiber eine öffentliche Beratungsstelle des jeweiligen Mitgliedsstaates, der identisch mit der Empfangsstelle für die harmonisierte Produktmeldung ist. Insofern hat dieser Zugriff auf die im Rahmen der Produktmeldung übermittelten Informationen und kann eine qualitativ hochwertige Notfallberatung durchführen.

In einigen Fällen sind die Empfangsstellen der harmonisierten Produktmeldung und die Notfallberatungsstellen nicht identisch. Dennoch haben sie Zugriff auf die Datenbank der nationalen Empfangsstellen. Eine dritte Kategorie bilden Länder, in denen den privatwirtschaftlichen Notrufnummernbetreiber für SDBs keinen Zugang auf die nationalen Datenbanken gewährt wird. In diesem Fall bestehen zwei Verpflichtungen der Datenübermittlung: Erstens muss eine harmonisierte Produktmeldung durchgeführt werden. Zweitens muss ein separater Informationstransfer ggf. in einem abweichenden Format an den Notrufnummernbetreiber erfolgen. Hieraus resultieren auch Unterschiede hinsichtlich der Gebührenpflicht. In einigen Ländern ist sowohl die harmonisierte Produktmeldung als auch die Notrufnummernnutzung im SDB kostenlos. In anderen ist die Produktmeldung kostenlos, die Notrufnummernnutzung allerdings gebührenpflichtig, ggf. auch deshalb, da es sich um private Notrufnummernbetreiber handelt. Des Weiteren sind die Anforderungen an Stoffe und Gemische in Bezug auf die harmonisierte Produktmeldung und Artikel 31 REACH unterschiedlich. D. h. Stoffe sind gar nicht harmonisiert und ungefährliche oder nur umweltgefährliche Gemische auch nicht meldepflichtig. Dennoch unterliegen sie in vielen Fällen der SDB-Pflicht. Auch werden häufig REACH-konforme, freiwillige SDBs erstellt, die dann auch Notrufnummern beinhalten. Somit besteht eine Informationslücke, die nur teilweise und länderspezifisch durch die harmonisierte Produktmeldung geschlossen werden kann. Auf einige länderspezifische Ausprägungen gehen wir im Folgenden ein.

Nationale Zusatzpflichten bei der harmonisierten Produktmeldung

In Abschnitt 1.6.3 der aktuellen Leitlinien (Version 4.0) zur harmonisierten Produktmeldung wird einerseits beschrieben, dass über den Anhang VIII der CLP VO hinausgehende Informationen nicht von den Mitgliedsstaaten gefordert werden dürfen. Andererseits können einzelne Aspekte auf nationaler Ebene individuell entschieden werden. Als Beispiel werden die Annahmekriterien der Meldungen, die Erhebung von Gebühren, die zulässigen Übermittlungssysteme sowie der Anwendungsbereich aufgeführt. Detaillierte Informationen können auf den Webseiten der nationalen benannten Stellen abgerufen werden, wobei dies nur ür einige Länder gilt. In anderen ist ggf. eine Kontaktaufnahme notwendig. Im Folgenden werden die Zusatzpflichten einiger EU-Staaten sowie die damit verbundenen Gebühren näher erläutert.

In Belgien können die Daten für die Produktmeldung entweder über das ECHA Submission Portal oder das nationale System übermittelt werden. Für jede Initialmeldung erhebt die belgische Behörde eine Gebühr in Höhe von 200 Euro und für jede Aktualisierungsmeldung, die eine signifikante Änderung beinhaltet (Handelsname, Einstufung, Rezeptur), 35 Euro. Alle anderen Aktualisierungsmeldungen sind gebührenfrei. Des Weiteren fordert Belgien ausdrücklich dazu auf, freiwillige Meldungen von „ungefährlichen“ Gemischen (bezogen auf die Gesundheits- und physikalischen Gefahren) durchzuführen. Dafür werden keine Gebühren erhoben. Der Nachbarstaat Luxemburg empfängt die Daten der Produktmeldung über die nationale benannte Stelle Belgiens. Das bietet den Vorteil, dass bereits in Belgien gemeldete Gemische nicht erneut in Luxemburg gemeldet werden müssen.

Bestimmte Länder legen ein besonderes Augenmerk auf Detergenzien. So müssen in Deutschland, Griechenland, Italien und Portugal alle Wasch- und Reinigungsmittel gemeldet werden, unabhängig von der Einstufung. Falls diese Produkte nicht unter den Anwendungsbereich von Anhang VIII der CLP VO fallen, aber harmonisiert über die ECHA gemeldet werden, sind sie als freiwillige Meldungen zu kennzeichnen.
In Kroatien genügt die an sich kostenfreie harmonisierte Produktmeldung über das ECHA Submission Portal nicht. Zusätzlich müssen alle Produkt-SDBs in kroatischer Sprache per E-Mail an die nationale benannte Stelle gesendet werden. Diese werden zusätzlich in eine nationale Datenbank eingepflegt. Hierfür wird eine Aufnahmegebühr von umgerechnet ca. 32 Euro und für Aktualisierungen 16 Euro pro Dokument berechnet.

Schweden akzeptiert seit dem 1. Januar 2021 ausschließlich Meldungen über das ECHA Submission Portal, wenn es sich um Gemische für Verbraucher und Gewerbe handelt. Produkte für die industrielle Verwendung können weiterhin über das nationale System gemeldet werden. Eine Besonderheit ist der Umgang mit ungefährlichen Gemischen. Der schwedischen benannten Stelle und zugleich Giftinformationszentrale zufolge, sind bei Unfällen mit solchen Gemischen vollständige Rezepturinformationen ebenfalls notwendig. Somit sind für eine adäquate Notfallberatung auch nicht oder nur als umweltgefährlich eingestufte Produkte zu melden.
Die ungarische Behörde fordert neben der harmonisierten Produktmeldung von meldepflichtigen Gemischen auch Stoffinformationen. Hierfür müssen die SDBs von gefährlichen Stoffen in das nationale Produktregister (OSIR-KBIR) aufgenommen werden, sofern diese noch nicht enthalten sind. Hierfür wird eine Gebühr von umgerechnet 26 Euro pro Stoff fällig. Auch die harmonisierte Produktmeldung ist gebührenpflichtig. Jede Initialmeldung kostet umgerechnet ca. 45 Euro, jede Aktualisierung aufgrund einer signifikanten Rezepturänderung (UFI-Änderung) 34 Euro. Alle anderen Änderungen sind gebührenfrei.

Notrufnummer im SDB

In Deutschland ist die nationale benannte Stelle das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Die an die ECHA übermittelten Produktinformationen werden vom BfR heruntergeladen und verwaltet. Für die Erfüllung der Pflichten nach REACH Anhang II bieten zum Beispiel die regionalen Giftinformationszentren (GIZ) die kostenpflichtige Nutzung ihrer Notrufnummer im SDB an. Zusätzlich müssen alle SDBs, in denen die Notrufnummer enthalten ist, an die GIZ übermittelt werden. Erst dann ist sichergestellt, dass bei Notwendigkeit einer medizinischen Notfallberatung das jeweilige Produkt identifizierbar ist und eine passende Behandlung eingeleitet werden kann. Dies hat zur Folge, dass auch nicht unter den Anwendungsbereich von Anhang VIII CLP VO fallende Produkte an die GIZ gemeldet werden müssen, sofern deren Notrufnummer angedruckt wird. Bei gefährlichen Gemischen stehen der GIZ nach Anbindung an die BfR-Datenbank die über Abschnitt 3 des SDBs hinausgehenden Rezepturinformationen für eine verbesserte Notfallversorgung zur Verfügung.

Die österreichische Vergiftungsinformationszentrale (VIZ), welche die dort gültige Notrufnummer betreibt, verlangt ebenfalls die Zusendung aller SDBs. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass auch die Datenblätter von ungefährlichen Produkten übermittelt werden sollten, da bei einem medizinischen Notfall ansonsten keine zeitnahe Entwarnung gegeben werden kann. Je nach Anzahl der Dokumente werden gestaffelte Preise angeboten.
Schweden hat klargestellt, dass auch die Produktinformationen von ungefährlichen Gemischen der Giftinformationszentrale vorliegen müssen, um eine angemessene medizinische Notfallberatung gewährleisten zu können. Mit der harmonisierten Produktmeldung sind alle Verpflichtungen in Bezug auf Anhang VIII CLP VO und REACH Anhang II erfüllt, da die nationale benannte Stelle zugleich die Giftinformationszentrale ist. Zudem fallen keine nationalen Gebühren an. Ungefährliche Produkte müssen aber dennoch zusätzlich harmonisiert gemeldet werden, damit die Informationen vorliegen. Schweden geht somit über die Anforderungen des Anhang VIII CLP VO hinaus.
In Polen gibt es mehrere Notrufnummernbetreiber. Diese haben keinen Zugriff auf die Daten der harmonisierten Produktmeldung. Aus diesem Grund müssen je nach Anbieter unterschiedliche Anforderungen erfüllt und Kosten getragen werden, um die jeweilige Notrufnummer im SDB verwenden zu dürfen.

Fazit

Aufgrund der nach wie vor bestehenden hohen Komplexität sowie häufig mangelnden Verknüpfung von Produktmeldung und Notrufnummer, ist eine intensive Beschäftigung mit den einzelnen Absatzmärkten notwendig, um eine adäquate Notfallberatung sicherzustellen.

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