Mehr Transparenz: Wie nachhaltig sind Unternehmen wirklich?
Der Begriff Nachhaltigkeit wird häufig gebraucht. Was jedoch nachhaltiges Wirtschaften genau ausmacht, dafür gab es bisher keine einheitliche Definition. Mit der EU-Taxonomie-Verordnung vom Juli 2020 wurde erstmalig ein Klassifizierungssystem mit sechs Umweltzielen geschaffen. Unternehmen können so ermitteln, ob sie taxonomiekonform wirtschaften. Und für Kunden entsteht mehr Transparenz. Die Entscheidung für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen wird damit einfacher.
Warum eine Taxonomie-Verordnung?
Mit dem Green Deal hat die EU entschieden, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Nun müssen konkrete Maßnahmen folgen. Eine Grundlage dafür ist die Taxonomie-Verordnung, sie ist ein zentraler Bestandteil des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen und seit 12.07.2020 in Kraft.
Wesentliche Inhalte
Die Sustainable Finance-Taxonomie (kurz: Taxonomie) soll ein einheitliches Verständnis dafür schaffen, was nachhaltiges Wirtschaften konkret bedeutet: Festgelegte Kriterien sollen eine eindeutige und nachvollziehbare Bewertung ermöglichen. Greenwashing – also der Versuch durch Kommunikation, Marketing oder einzelne Aktionen ein „grünes Image“ zu erhalten, ohne entsprechende Maßnahmen umzusetzen – soll dadurch vermieden werden. Die Taxonomie gilt für nachhaltige Investitionen, Produkte und wirtschaftliche Aktivitäten.
Aktuell wird diskutiert, ob auch Gaskraftwerke und die Erzeugung von Atomstrom aufgenommen werden sollen. Damit würde die Idee des nachhaltigen Wirtschaftens allerdings ad absurdum geführt.
Die 6 Umweltziele der Taxonomie sind:
- Klimaschutz, z. B. ortsunabhängig Emission reduzieren
- Anpassung an den Klimawandel, z. B. an der Küste gelegene Produktionsstätten vor Überschwemmung schützen, Regenauffangbecken in einer dürreanfälligen Region errichten oder Erforschung, Vermarktung und Verwendung von hitzeresistentem Saatgut
- Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen
- Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung von Verschmutzung
- Schutz von Ökosystemen und Biodiversität
Wirtschaftsaktivitäten sind dann taxonomiekonform, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele leisten, den übrigen Umweltzielen nicht zuwiderlaufen („do no significant harm“), Mindestanforderungen bezüglich Menschenrechten erfüllt werden und festgelegte technische Bewertungskriterien erfüllt werden. Die Technical Expert Group (TEG) wurde von der EU-Kommission beauftragt, die Taxonomie-Verordnung zu konkretisieren, u. a. ermittelt sie technische Schwellenwerte bzw. Bewertungskriterien.
Wer ist betroffen?
Alle Unternehmen, die eine nichtfinanzielle Erklärung nach CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) abgeben müssen, also kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Beschäftigten müssen ab 1. Januar 2022 für das Berichtsjahr 2021 über Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel und ab 1. Januar 2023 über die weiteren vier Umweltziele berichten. Für Nicht-Finanzunternehmen gelten Ausnahmen: Sie müssen erst für 2022 einen Bericht erstellen.
Ab dem 1. Januar 2024 soll die Berichtspflicht ausgeweitet werden und dann für alle großen Unternehmen (Bilanzsumme mind. 20 Mio. EUR, Nettoumsatzerlöse mind. 40 Mio. EUR, mind. 250 Beschäftigte, wobei zwei dieser drei Merkmale erfüllt sein müssen) sowie für alle an der Börse gelisteten Unternehmen (außer Kleinstunternehmen) gelten.
Nutzen für Unternehmen
Die Taxonomie soll nachhaltige Investitionen und nachhaltiges Wirtschaften fördern. Ziele sind v. a. mehr Klimaschutz statt Greenwashing sowie nachhaltige Finanzprodukte (EU Green Bond-Standard). Unternehmen können durch ein besseres Image und Wettbewerbsvorteile profitieren. Kunden können Produkte und Dienstleistungen einfacher vergleichen, Kaufentscheidungen unter dem Aspekt Nachhaltigkeit werden einfacher.
Investitionen in taxonomiekonforme Unternehmen schaffen ein größeres Kapitalangebot für nachhaltige Projekte und ermöglichen eine günstigere Finanzierung. Eine aktuelle Studie schätzt das zusätzliche Umsatzpotenzial für mittelbar und unmittelbar klimaschonende Technologien z. B. für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau auf ca. 10 Bio. Euro bis 2050 (Quelle: BMWi).
Umsetzung in der Praxis
Alle Unternehmen, unabhängig davon, ob für sie eine Berichtspflicht besteht oder nicht, profitieren von einheitlichen Kriterien für Nachhaltigkeit. Es empfiehlt sich, mit den Zielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu beginnen. Ein erster Schritt kann ein Energieaudit sowie die Ermittlung der CO2-Emissionen sein. Die Umweltziele der Taxonomie können in bestehende Managementsysteme für Umwelt und/oder Energie integriert werden.
Beispiele für die Farben- und Lackindustrie
Zum Umweltziel „Klimaschutz“ können besonders solche Betriebe einen Beitrag leisten, die prozessbedingt hohe Energiekosten haben und hohe CO2-Emissionen verursachen z. B. Lackierbetriebe. Auch KMU können dabei von Fördermitteln profitieren: Die „Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft – Zuschuss“ fördert u. a.:
- Ersatz oder Neuanschaffung von hocheffizienten Anlagen für die industrielle und gewerbliche Anwendung sowie von Anlagen zur Bereitstellung von Wärme aus Solarkollektoranlagen, Wärmepumpen oder Biomasse-Anlagen
- energetische und ressourcenorientierte Optimierung von industriellen und gewerblichen Anlagen und Prozessen
- Soft- und Hardware im Zusammenhang mit der Einrichtung oder Anwendung eines Energie- oder Umweltmanagementsystems
- Transformation hin zur Treibhausgasneutralität
Weitere Informationen zu „Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft – Zuschuss“: www.bafa.de.
Zum Umweltziel „Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen“ können z. B. Verfahren zur Abwasserreinigung durch Vakuumdestillation beitragen, bei denen bis zu 99 % Destillat entsteht, das oft wiederverwendet werden kann. Nur bis zu 3 % fallen dann als Rückstände an und müssen entsorgt werden. Darüber hinaus schont die integrierte Energierückführung die Umwelt und senkt die Betriebskosten.
Langfristig erfolgreiche Unternehmen setzen auf eine Strategie, die Nachhaltigkeit bereits in die Produktentwicklung integriert. Unter dem Motto „Mit weniger mehr erreichen“ (Quelle: Deutsches Lackinstitut) sollen Anforderungen an Farben und Lacke erfüllt werden und dabei v. a. der Anteil an flüchtigen organischen Bestandteilen weiter reduziert, die Effizienz von Anlagen gesteigert, der Energie- und Ressourcenbedarf verringert und Wärme aus erneuerbaren Energien in gewerblichen Prozessen genutzt werden. Ziel ist Treibhausgasneutralität.
Fazit
Die Taxonomie liefert endlich einheitliche Kriterien für Nachhaltigkeit. Davon können Unternehmen und Kunden gleichermaßen profitieren. Investitionen, Produkte und Dienstleistungen werden bezüglich Nachhaltigkeit vergleichbar. Und Nachhaltigkeit macht Systeme besonders in Krisenzeiten widerstandsfähiger.