Interview: „Insgesamt ist die Lackindustrie sehr besorgt
Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf die Farben- und Lackindustrie aus?
André Vieira de Castro: Unsere Branche ist vergleichsweise stark von einer Vielzahl von Rohstoffen abhängig. Die aktuelle Verknappung und der Preisanstieg betreffen leider die wichtigsten Rohstoffe. Und fast alle Rohstoffe sind von der aktuellen Situation betroffen.
Was ist in diesem Zusammenhang noch eine Herausforderung für die Branche?
Vieira de Castro: Um einen sicheren Transport unserer Produkte zu gewährleisten, müssen diese angemessen verpackt werden. Da Kunststoffpolymere und Weißblech knapp sind, haben wir es mit zusätzlichen Kostentreibern zu tun. Auf der Importseite ist die Situation noch schlimmer. Die Industrie bezieht viele Rohstoffe per Container aus Asien. Allerdings führte die Covid-19-Pandemie zu einer unregelmäßigen Nachfrage im internationalen Handel, was sich auf die Containerbewegungen auswirkte.
Die derzeitige weltweite Knappheit an Containern an den richtigen Stellen hat zu einem starken Anstieg der Transportkosten geführt: Die Preise für Container zwischen China und Europa sind seit dem vierten Quartal 2020 um mehr als 400 % gestiegen.
Was bedeutet die Situation für die Wettbewerbsfähigkeit Europas?
Vieira de Castro: Insgesamt ist die Lackindustrie sehr besorgt über die Entwicklung des derzeitigen Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage. Wir verfolgen aufmerksam die Entwicklungen in der Lieferkette, die aufgrund ihrer globalen Natur von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst werden kann, darunter geopolitische, logistische, preisliche und kapazitätsbezogene Komponenten. Während die Lackindustrie versucht, mit den derzeitigen Unsicherheiten so gut wie möglich fertig zu werden, sollte der Druck des Weltmarktes den europäischen Entscheidungsträgern zu denken geben. Während mehr Nachhaltigkeit unbestreitbar der Weg in die Zukunft ist, sollte der globale Wettbewerb bei den Maßnahmen des EU Green Deal nicht ignoriert werden.
Europas allumfassende Wachstumsstrategie wird das EU-Chemikalienrecht tiefgreifend überarbeiten, obwohl es bereits die strengste Chemikaliengesetzgebung der Welt hat. Da der Anteil der europäischen Chemieindustrie an der globalen Industrie immer kleiner wird, ist es für Europa unerlässlich, eine starke Chemieindustrie mit Fabriken in Europa zu haben, um unabhängiger zu sein, da sonst die europäische Wirtschaft insgesamt gefährdet ist.