Wasserlacke: „Umdenken der Unternehmen ist notwendig“

Bautenfarben auf Wasserbasis sind fest etabliert, aber die Nachfrage steige zusehends auch in anderen Segmenten, sagt die Produktmanagerin Kathrin Jordan von Biesterfeld Spezialchemie. Daher werde der Anteil an Wasserlacken kontinuierlich zunehmen.

Katrin Jordan Biesterfeld
Kathrin Jordan arbeitet als Produkt Manager CASE bei Biesterfeld Spezialchemie. (Foto: Biesterfeld) -

Für welche Segmente sehen Sie weiteres Potenzial für Wasserlacke?

Kathrin Jordan: Dank des gestiegenen Umweltbewusstseins und der Umweltanforderungen spielen wässrige Lacksysteme neben der Verwendung im Segment der Bautenfarben zunehmend auch in der Automobilindustrie eine tragende Rolle. Besonders im Interieur-Bereich und bei Basislacken steigt die Nachfrage zusehends. Aber auch in den Segmenten Holzlacke, Möbellacke sowie Verpackungen und Druckfarben gewinnen Wasserlacke mehr und mehr an Bedeutung.

Bei Industrielacken ist der Anteil an wässrigen Lacksystemen dagegen zurzeit noch deutlich geringer. Eine Umstellung auf Wasserlacke wird in diesem Bereich sicherlich noch einige Jahre dauern, das Entwicklungs- und Marktpotenzial ist allerdings hoch.

Wo werden Wasserlacke in Zukunft weiterhin keine tragende Rolle spielen?

Jordan: Tatsächlich werden sich Wasserlacke in naher Zukunft nicht flächendeckend durchsetzen können. Insbesondere im Marine-Segment, aber auch im Bereich ACE (Land-, Bau und Erdbewegungsmaschinen) wird der Anteil an Wasserlacken auch in den kommenden Jahren kaum dazugewinnen. Dies hängt vor allem mit den erzielbaren technischen Eigenschaften und der aufwändigeren Verarbeitung zusammen.

Wasserbasierte Lacke Marktsegemente

Internationaler Markt für Wasserlacke nach Segment. Mehr Daten dazu: Fünf Fakten über wasserbasierte Lacke.

Im Bereich Bautenfarben hat die Verlagerung zu wässrigen Systemen am besten funktioniert. Wieso ist dies in anderen Segmenten nicht der Fall?

Jordan: Die regulatorischen Anforderungen sind in anderen Marktsegmenten weniger streng, sodass dort auch weiterhin zu einem hohen Anteil lösemittelhaltige Lacksysteme verwendet werden. Hinzu kommt, dass lösemittelhaltige Systeme gegenüber den wässrigen in einigen Anwendungsbereichen technisch überlegen sind.

Zwar weisen wässrige Lacksysteme deutlich bessere Umwelteigenschaften auf und sind gesundheitlich unbedenklich, erfordern aber einen deutlich höheren Aufwand bei der Applikation und im Trocknungsprozess. Auch hinsichtlich des visuellen Erscheinungsbildes erreichen die wässrigen Lacksysteme häufig noch nicht denselben Standard wie lösemittelhaltige Systeme.

Genau darin besteht auch die Herausforderung: Die Eigenschaften von wässrigen Lacksystemen müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden, damit sie auch in anderen Segmenten mit dem Endergebnis ihrer lösemittelhaltigen Kontrahenten mithalten können. Andererseits ist dafür auch ein grundsätzliches Umdenken der Unternehmen notwendig, um in neue, umweltfreundliche Systeme zu investieren.

Inwieweit wird sich der Trend von lösemittelhaltigen Systemen zu wässrigen Systemen dennoch fortsetzen?

Jordan: Der Anteil an Wasserlacken wird kontinuierlich, aber mit kleineren Schritten als noch vor zehn Jahren erwartet, wachsen. Die Entwicklung der technischen Eigenschaften von Wasserlacken verzeichnet kontinuierliche Fortschritte. Zudem steigt die Nachfrage der Endverbraucher und Endkunden nach umweltfreundlicher Technologie, möglichst ohne VOC-Gehalt.

Darüber hinaus wächst auch der Druck auf Lackhersteller, aufgrund der immer strengeren Kennzeichnungspflichten und Regularien, umweltfreundliche Systeme zu entwickeln.

Sie arbeiten sowohl mit den Lackherstellern, als auch mit den Rohstofflieferanten zusammen. Aus welcher Richtung kommen die stärkeren Impulse wässrige Lösungen zu finden?

Jordan: In Bezug auf die Entwicklung von wässrigen Lacksystemen, lassen sich Impulse aus beiden Richtungen erkennen: Lackhersteller müssen, getrieben von Regularien und Kundenanforderungen, zunehmend umweltfreundlichere Farben und Lacke entwickeln. Aber auch Lieferanten sind darum bemüht, notwendige Rohstoffe und Additive für wässrige Systeme anzubieten, um ihrerseits mit zukunftsweisenden Produktlösungen einen Marktvorsprung zu erzielen.

Als technischer Distributeur von Spezialchemiekalien beschäftigen wir uns stetig mit den Entwicklungen am Markt und stehen im ständigen Austausch mit Herstellern und Lieferanten. Sowohl durch unser technisches Know-how und unsere Laborarbeit als auch unsere jahrzehntelange Erfahrung sind wir in der Lage, beide Seiten zielgerichtet zu unterstützen und zu beraten.

Da Sie, wie angesprochen beide Seiten gut kennen: Wo liegt derzeit der Fokus bei Entwicklungen für wässrige Systeme? Was wird von den Lackherstellern verstärkt nachgefragt? 

Jordan: Zweifellos liegt der derzeitige Fokus bei der Entwicklung von Wasserlacken auf der Angleichung der technischen Eigenschaften an Lösemittelsysteme. Dies betrifft vorwiegend den Einsatz von Additiven wie Netz- und Dispergiermittel, Grenzflächen Additive, Hydrophobierungsmittel sowie Entschäumer und Entlüfter. Neben der technischen Eignung müssen diese Additive gleichzeitig auch immer häufiger über Zulassungen wie FDA, BfR oder Swiss Ordinance verfügen.

Das Interview führte Damir Gagro

Eventtipp:

Auf der internationalen Fachtagung EC Technology Forum | Water-based Coatings werden anerkannte Experten und Branchengrößen die neusten technischen Trends und Innovationen rund um wässrige Beschichtungssysteme diskutieren.

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