Wasserlacke – ein historischer Rückblick
In der Kunst gibt es beide Wege: Ölmalerei und daneben die wässrige Aquarelltechnik. Bei letzterem werden Pigmente mit einem Pinsel und Wasser etwas angelöst und dann auf Papier übertragen. Wenn das Wasser verdunstet ist, bleiben die Pigmente wieder an Ort und Stelle und man kann das Bild bewundern. Ähnlich simpel war es mit den frühen Farben für Fassaden und Innenwandfarben. Die Kreide oder Bleiweiß wurde mit Wasser verrührt, wenn es gut lief, auch ein wenig dispergiert. Dann musste das Gemisch schnell an die Wand gebracht – geweißt – werden. Auch hier verdunstet das Wasser oder schlägt in den porösen Untergrund. Die Pigmente bleiben auf der Oberfläche sind dann allerdings maximal blickfest, wie Aquarelle.
Denn es gab noch kein Bindemittel oder Kleber, der diese auf die Wand klebte, ein großer Nachteil vor allem in der Außenanwendung. Ein kräftiger Regen konnte schon große Teile wieder abwaschen, also eine ziemliche Sisyphusarbeit. Unterschiedliche Entwicklungen schafften seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Abhilfe: Wasserglas- und Binderfarbe (Kasein oder Leim). Beim Wasserglas gibt es eine Vernetzung mit dem Untergrund durch Verkieselung und die Kasein -oder Leimfarbe bringt als erstes einen Binder/Klebstoff in die wässrigen Systeme. Diese waren dann ausreichend beständig um im Bereich der Bautenfarben bis heute (zumindest die Silikatfarben) genutzt zu werden.
Das Kasein konnte mit der Entwicklung von wässrigen Emulsionspolymerisaten nach dem 2. Weltkrieg abgelöst werden. Diese neuen Produkte, deren Markennamen wie Acronal oder Vinnapas auch noch heute allen ein Begriff sind, auf Basis von Styrol, Butadien, oder natürlich den Acrylaten brachten eine bisher nicht gekannte Beständigkeit von wässrigen Systemen.
Von Farbe zu Lack
Danach wurden auch Bindemittel mit unterschiedlichen Eigenschaften für andere Anwendungen in Wasser entwickelt und – natürlich mit den üblichen Marketingversprechungen – an den Markt gebracht. Machen wir uns nichts vor, die ersten wässrigen Lacke waren leider nicht das, was versprochen war. Und an dem Spruch: „Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck“ ist schon etwas dran. Handwerker nutzen die ersten Materialien und waren schon bei der Applikation enttäuscht: wenig Pinselbremse, zu wenig Lackauftrag, daher mehrmaliges Aufragen erforderlich. Und warum das alles? Die Lacke waren ja meist sogar noch teurer als der bekannte lösemittelhaltige Kunstharzlack.
Erst durch das steigende Umweltbewusstsein und die immer strenger werdenden Auflagen und Regularien im Bezug auf Lösemittel die der Gesundheit oder der Natur schaden können, wurden wässrigen Lacke interessanter. Es wurde mehr in die Entwicklung investiert und dank kontinuierlicher Weiterentwicklung in den Bereichen Bindemittel und wässrigen Additiven, z. B. für die Rheologie, sind hochwertige Lacke möglich. Gerade im Bereich Applikation wurden große Fortschritte gemacht, wenn auch ein „alkyd-ähnliches“ Fließverhalten noch immer das beste ist, was man bekommen kann.
Welche Herausforderungen bleiben?
Aber auch die Bindemittel haben sehr aufgeholt zu ihren lösemittelhaltigen Vorgängern. Die Wasserbeständigkeit ist mit modernen, hydrophoben Monomeren und der Optimierung des Emulgatorgehalts stark verbessert worden. Auch der unmögliche Schritt von Isocyanat in Wasser wurde gewagt und hat unter anderem zu wässrigen Automobillacken geführt. Allerdings muss bei der Formulierung noch immer drauf geachtet werden, dass die Filmbildung möglichst perfekt ist. Nur so kann ein gutes Eigenschaftsbild erreicht werden.
Von Nina Musche
Seminartipp:Dispergieren – Theorie und Praxis in der Lackherstellung
Buchtipp: Additive für wässrige Lacksysteme