Regularien für VOC-Emissionen aus Beschichtungen

Für die gesundheitliche Bewertung von VOC-Emissionen aus Beschichtungen und anderen Bauprodukten gibt es in der EU bislang keine einheitliche Regelung. Dies soll sich zukünftig ändern.

Regularien für VOC-Emissionen aus Beschichtungen. Bildquelle: contrastwerkstatt-AdobeStock
Regularien für VOC-Emissionen aus Beschichtungen. Bildquelle: contrastwerkstatt-AdobeStock -

Von Daniel Tigges, eco-Institut Germany GmbH und Karin Roth, freie Journalistin

Beschichtungen zählen zu den wesentlichen Quellen für flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC) in der Innenraumluft. Für die Messung von VOC-Emissionen gibt es mit der DIN EN 16516 seit Januar 2018 eine EU-weit einheitliche Prüfnorm. Die gesundheitliche Bewertung von VOC-Emissionen ist dagegen in der EU bislang nicht übereinstimmend geregelt: Die EU-Bauproduktenverordnung (BauPVO) schreibt zwar vor, dass Gebäude und die verbauten Materialien keine Gefahr für Umwelt und Gesundheit darstellen dürfen. In den harmonisierten EU-Produktnormen fehlen aber die entsprechenden Anforderungen, um gesundheitsgefährdende Risiken vollständig erfassen und bewerten zu können. Damit bleibt es den einzelnen EU-Mitgliedstaaten überlassen, wie sie die BauPVO in der Praxis umsetzen. Einige Länder wie Deutschland, Belgien oder Frankreich haben individuelle Vorschriften für bestimmte Bauprodukte wie Farben, Lacke oder Boden- und Wandbeläge erlassen. Diese Vorschriften enthalten – teilweise sehr unterschiedliche – Systeme zur gesundheitlichen Emissions-Bewertung.

Europäischer Gerichtshof kippt deutsche Sonderreglung zum Gesundheitsschutz

In Deutschland haben sich die Regelungen für Bauprodukte in den letzten zwei Jahren maßgeblich geändert. Bis Oktober 2016 galt: Innenraumrelevante Bauprodukte, für die eine harmonisierte EU-Produktnorm existiert (z. B. Brandschutzbeschichtungen), mussten im Rahmen ihrer Zulassung zusätzlich auf Emissionen geprüft werden. Im Anschluss erhielten sie – neben dem CE-Zeichen – das nationale Ü-Zeichen. Im Oktober 2014 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil diese deutsche Sonderregelung aus wettbewerbsrechtlichen Gründen für unzulässig. Die Folge: Seit 16.10.2016 dürfen CE-gekennzeichnete Bauprodukte das Ü-Zeichen nicht mehr auf der Verpackung führen. Damit war auch Schluss mit dem bewährten deutschen System der verpflichtenden Emissionsmessungen, mit dem Hersteller die Anforderungen der BauPVO an den Gesundheitsschutz für ihre CE-kennzeichnungspflichtigen Bauprodukte nachweisen konnten.

Novellierung des deutschen Bauordnungsrechts

Aufgrund des EuGH-Urteils war Deutschland gezwungen, sein Baurecht anzupassen und eine neue Musterbauordnung einschließlich einer neuen Verwaltungsanordnung – der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) – zu entwickeln (siehe Infokasten). In den überarbeiteten Vorschriften wird nun klar zwischen nationalen und CE-gekennzeichneten Bauprodukten unterschieden. Eine gleichzeitige Kennzeichnung von Bauprodukten mit dem CE-Zeichen und dem Ü-Zeichen ist damit – wie von der EU gefordert – nicht mehr zulässig.

Hersteller von Bauprodukten haben nun verschiedene Möglichkeiten, um den Gesundheitsschutz gemäß den Vorgaben der MVV TB in Deutschland nachzuweisen – abhängig davon, ob eine harmonisierte EU-Produktnorm für das betreffende Bauprodukt existiert oder nicht: durch eine Europäisch Technische Bewertung (ETA), durch freiwillige Nachweise, durch eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder durch Zustimmung im Einzelfall.

Für Bauprodukte ohne harmonisierte EU-Produktnorm, technische Baubestimmung oder andere technische Regel (sogenannte ungeregelte Bauprodukte), die gemäß MVV TB einen Verwendbarkeitsnachweis benötigen, muss in der Regel eine abZ beantragt werden (alternativ ist auch eine ETA möglich). Diese Produkte werden auf Emissionen geprüft und mit dem Ü-Zeichen (im Fall einer ETA mit dem CE-Zeichen) gekennzeichnet. Dies betrifft beispielsweise Vor-Ort-Beschichtungen für Holzbodenbeläge.

Für Bauprodukte ohne harmonisierte EU-Produktnorm, die ihre Verwendbarkeit nicht nachweisen müssen (ehemals „sonstige Bauprodukte“), ist bislang weder eine abZ verpflichtend noch eine Emissionsprüfung gemäß MVV TB. Generell sind aber auch hier freiwillige Emissionsnachweise sinnvoll, da die betroffenen Produkte (z. B. Wandfarben) einen erheblichen Einfluss auf die Innenraumluftqualität haben können.

Hersteller von Bauprodukten mit harmonisierter EU-Produktnorm können im Rahmen einer ETA die Anforderungen zum Gesundheitsschutz zusätzlich belegen oder – neu – mit Hilfe eines freiwilligen Nachweises, der unter anderem die technische Dokumentation und die Emissionsprüfung des Produktes umfasst. Darunter können z. B. Brandschutzbeschichtungen fallen. Diese Regelungen gelten aller Voraussicht nach solange, bis es eine EU-weit einheitliche Lösung gibt – erste Schritte sind hier bereits erfolgt.

In Planung: VOC-Deklarationspflicht für Bauprodukte

Im Januar 2018 hat die EU die deutsche Fassung der DIN EN 16516 veröffentlicht – eine Prüfnorm, die die Emissionsmessung von Bauprodukten einheitlich regelt (für Beschichtungen gilt zusätzlich die DIN EN 16402). Jetzt muss die DIN EN 16516 noch in den einzelnen harmonisierten EU-Produktnormen verankert werden. Damit verbunden ist eine Prüf- und Deklarationsplicht: Betroffene Hersteller müssen ihre Produkte zukünftig auf Emissionen prüfen lassen und die Messergebnisse in der CE-Leistungserklärung angeben. Wie genau die neue Deklaration aussehen wird, steht aber noch nicht fest. Geplant ist die Angabe in Form von VOC-Klassen – in Anlehnung an das Konzept der Brandklassen. Dieses Klassenkonzept wird derzeit von der EU entwickelt und soll die Leistungserklärungen für Produkte in Europa harmonisieren, aber auch Gebäudeplaner und Verbraucher besser informieren.

Bis die neue VOC-Deklaration auf CE-Leistungserklärungen zu finden ist, wird es noch eine Weile dauern: Eigentlich sollte die Prüf- und Deklarationspflicht für bestimmte Bodenbeläge und Deckenverkleidungen bereits ab 1.2.2019 eingeführt werden. Die angepassten Produktnormen befinden sich aber noch im Entwurfsstadium – die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt steht noch aus. Zudem gilt nach einer Veröffentlichung normalerweise eine Übergangszeit (sog. Koexistenzphase), in der die CE-Kennzeichnung auch nach „altem“ Schema erfolgen kann.

Praxis: Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen

Die neue Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) konkretisiert die neue Musterbauordnung (MBO) und damit die allgemeinen Anforderungen an Bauwerke. Sie ersetzt die bisherigen Bauregellisten sowie die Listen der technischen Baubestimmungen der Bundesländer. Neu ist insbesondere, dass die MVV TB Anforderungen, die sich in den alten Regelwerken auf Bauprodukte bezogen, nun auf Bauwerksebene definiert – analog zur EU-Bauproduktenverordnung. Die MVV TB weist für die Innenraumluftqualität aber explizit darauf hin, dass sich die bauwerksbezogenen Anforderungen aus den gesundheitsrelevanten Eigenschaften der verwendeten Bauprodukte ableiten. Eine Liste mit Bauprodukten, die VOC freisetzen und damit die Qualität der Innenraumluft beeinflussen können, findet sich in Anlage 3 zu Anhang 8 (Anforderungen an bauliche Anlagen bezüglich des Gesundheitsschutzes, ABG).

Weiterführende Informationen unter: www.dibt.de/de/aktuelles/novellierung-des-bauordnungsrechts

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