Regularien: „Es wird intransparenter als früher“

Vorschriften und Gesetze stellen die Branche immer vor neue Herausforderungen. Ulf Inzelmann, Geschäftsführer von UMCO, sieht eine zunehmende Komplexität auf Unternehmen zukommen.

Globale PFAS-Vorschriften: Ein komplexes Geflecht von Aufsichtsbestimmungen. Quelle: vege - adobe.stock.com

Wie hat sich das Aufkommen von Regularien verändert?

Ulf Inzelmann: Grundsätzlich ist es so, wie bei allem, wo der Staat anfängt zu regeln, wird es nicht weniger, sondern mehr. Man muss aber auch bedenken, dass immer neue Themen hinzukommen, die geregelt werden müssen.

Wo liegen heute die Schwerpunkte?

Inzelmann: Bei allem, was sich um die Stofflichkeit dreht, also dem Produkt. Aber ebenfalls bei allem, was mit den Anlagen zu tun hat. Hier kommt auch das Thema Umweltschutz dazu und damit noch viele weitere Themen. Der dritte Bereich ist Transport. Da alle Themen in einem globalen Kontext gesehen werden müssen, potenzieren sich diese dementsprechend. Über die Jahre ist die Branche immer internationaler geworden Es gibt fast kein Land dieser Welt, wo ich keine Gefahrstoff-, Gefahrgut- oder Anlagenvorschriften beachten muss. Unsere Kunden exportieren gut 50% ihrer Produkte, daher ist die Belastung für die Unternehmen maximal hoch.

Wie bewerten Sie die Harmonisierung? Wo sehen Sie Nachholbedarf?

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Ulf Inzelmann

Geschäftsführer Umco

Inzelmann: Wo Harmonisierung uns wirklich geholfen hat ist der Transportbereich. Im GHS aber nimmt sich jede Region in der Welt einen Teil heraus, der geregelt werden soll und andere Teile einfach weglässt oder weniger beachtet. Das Bauklotzprinzip macht es schwierig durchzublicken. Man weiß nie genau, wenn man in ein Land exportiert, ob es dort ist wie bei uns oder ob sich zusätzliche Vorschriften entwickelt haben. Das GHS ist gut gedacht, aber die Anwendung ist noch extrem unterschiedlich.

Auch die Europäer haben das GHS nicht eins zu eins übernommen, sondern Regelungen aus dem damaligen Chemikalienrecht in die CLP-Verordnung einbezogen, um das bestehende Schutzniveau nicht zu verringern. Das GHS hat einerseits schon zu Erleichterungen im internationalen Handel geführt, aber die vom GHS abweichenden Umsetzungen einzelner Staaten – auch in der EU – führen andererseits wieder zu Handelshemmnissen. Jeder macht es halt ein bisschen anders und so kommen wir nicht auf einen harmonisierten Weg. Die Abweichungen machen dann aber den aufwendigen Teil für die Unternehmen aus. Ich muss nicht nur die stofflichen Verordnungen für ein Land oder die EU beachten, sondern für zahlreiche Länder. Dadurch wird es komplexer und wesentlich aufwendiger. Denn alle anderen Themen bleiben ja da und wachsen wie etwa der Umweltschutz oder Arbeitsschutz.

Was sind aktuell wichtige Themen in Bezug auf Regularien?

Inzelmann: Das Thema Störfallrecht und Abstandsregelung treibt viele Unternehmen derzeit um. Die Urbanisierung betrifft immer häufger Gewerbe- und Industriegebiete und somit kommt es zum Konflikt. Immer mehr Unternehmen, die seit Jahrzehnten an einem Standort sind, müssen schauen, ob sich eine Investition am Standort noch lohnt. Weil es massive Restriktionen in Bezug auf die Abstandseinhaltung kommen kann. Im Zweifelsfall werden Kosten verursacht oder Standorte werden an anderer Stelle konsolidiert. Die Investitionen werden so in andere Länder umgeleitet.

Welche Stolperfallen sehen Sie künftig für KMU?

Inzelmann: Ein wesentlicher Punkt für KMU wird die strategische Ausrichtung sein, das beginnt schon ganz vorne bei der Rohstoffauswahl. Hier müssen schon die gesamten Konsequenzen bedacht werden. Mit welchen Roh- und Inhaltsstoffen arbeite ich? Sind diese irgendwo gelistet, stehen sie auf irgendwelchen Überprüfungslisten? Macht es überhaupt Sinn so einen Rohstoff weiter einzusetzen und damit zu testen, wenn dieser nur in wenigen oder bald keinen Anwendungen mehr eingesetzt werden darf? Das Gefahrstoffmanagement wird ein wichtiger Punkt für Unternehmen. Der Konsument als Stakeholder wird immer wichtiger. Neben den gesetzlichen Vorgaben machen Unternehmen bzw. ganze Branchen zusätzliche Vorschriften. Welche Stoffe nicht mehr in Produkten enthalten werden dürfen. Die Volatilität, ob ich einen Stoff in einem Produkt vermarkten kann, nimmt erheblich zu. Es wird viel intransparenter als es früher war.

Im Fall der Anlagensicherheit denkt man bei einem Störfall nur an gefährliche oder giftige Stoffe. Aber worüber viele Unternehmen stolpern, vor allem die kleinen Firmen, ist die Menge an wassergefährdenden Stoffen. Eine relativ harmlose Einstufung. Die Tendenz zeigt aber, dass wir immer mehr wassergefährdende bzw. umweltgefährdende Stoffe bekommen. Damit wächst das Thema in den kommenden Jahren an. Das muss im Auge behalten werden.

Welche Herausforderungen kommen auf die Branche zu?

Inzelmann:Titandioxid ist derzeit in aller Munde. Eine Einstufung wäre ein massiver Einschnitt für die Branche. Ansonsten sehe ich die Unwägbarkeiten beim Thema SVHC (Substances of very high concern). Akut ist auch alles, was verbunden mit dem Anlagenrecht ist. Sind Abstände von Anlagen zu Wohnbereichen ausreichend. Auch wenn es in den letzten Jahren bei Störfällen keinen Schaden für die Nachbarschaft gab, ist die Sensibilität der Bürger diesbezüglich sehr hoch. Es kann zu sehr unangenehmen Diskussionen mit den Behörden kommen, die im Zweifelsfall Konsequenzen und Auflagen bedeuten, die keiner mehr tragen kann.

Dieses Interview führte Damir Gagro.

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