Onlineverkauf: „Große Auswirkungen auf Farben- und Lackhersteller“

Der Online-Verkauf von Farben und Lacken ist noch immer ein Nischenmarkt, der jedoch ein starkes Wachstum vor sich hat. Wir sprachen mit Reinier Zuydgeest von USP Marketing Consultancy über die Chancen für Farben- und Lackhersteller.

Der Online-Verkauf von Farben und Lacken ist noch immer ein Nischenmarkt -

Der elektronische Handel oder Online-Verkauf von Farben und Lacken ist ein Nischengeschäft. Wie bewerten Sie das Potenzial für den Online-Verkauf von Farben und Lacken?

Reinier Zuydgeest: USP Marketing Consultancy führt den „Home Improvement-Monitor“ durch, eine Marktstudie zum Online-Kauf von Produkten für den Heimwerkerbedarf einschließlich von Farben und Lacken. Unser diesjähriges Ergebnis zeigte, dass 3,1% aller Farben- und Lackkäufe online erfolgten. Ist es ein Nischenmarkt? Ja, in der Tat. Vergleichen wir diese Zahl jedoch mit der vor 2 Jahren: 2015 lag sie bei 1,9%. Und ich erwarte, dass der Anteil in zwei bis drei Jahren 6% erreichen wird. Das ist darauf zurückzuführen, dass alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten stark in diese Entwicklung investieren. Aus diesem wesentlichen Grund sollten sich Farben- und Lackhersteller Gedanken machen, denn ihre Partner, die Farbenhändler und Heimwerkermärkte, investieren stark in ihr Online-Geschäft.

Gibt es in den verschiedenen europäischen Ländern Unterschiede in Bezug auf den Online-Verkauf von Farben und Lacken?

Zuydgeest: In Europa gibt es große Unterschiede. Die im Online-Verkauf führenden Länder sind Deutschland und Großbritannien – nicht nur in Bezug auf Farben und Lacke, sondern bei Heimwerkerprodukten im Allgemeinen. Sehen wir uns speziell Farben und Lacke an, dann heben sich diese Länder von den anderen europäischen Ländern, die ungefähr auf dem gleichen Niveau liegen, ab. Den beim Online-Verkauf von Farben und Lacken geringsten Wert von 1,2% weist Italien auf. In den übrigen Ländern liegt der Anteil bei ca. 2,5%. In Deutschland entfallen 5,3% auf den Online-Verkauf, in Großbritannien 4,4%.

Wie würden Sie sich das unterschiedliche Verhalten erklären?

Zuydgeest: Es gibt zwei Hauptgründe: Zuallererst ist Amazon nur in fünf europäischen Ländern aktiv, in Großbritannien und Deutschland jedoch am aktivsten. In allen Ländern, in denen Amazon präsent ist, haben wir beobachtet, dass die Menschen vermehrt online einkaufen – der Konzern hat zu einer Änderung der Mentalität bei den Verbrauchern beigetragen. Auch kulturelle Unterschiede sind vorhanden. In Großbritannien beispielsweise waren es die Menschen gewohnt, telefonisch zu bestellen – in den 1980er und 1990er Jahren war diese Art von Einkauf recht verbreitet. Der Übergang zum Online-Kauf von Farben und Lacken ging hier leichter vonstatten. Diese Entwicklung unterscheidet sich sehr stark von der in Ländern wie Belgien, wo die Menschen im Hinblick auf Heimwerkerarbeiten eine andere Mentalität haben: Das Heimwerken hat dort eine große Tradition, und die Menschen neigen dazu, ihre Produkte in den hiesigen kleinen Heimwerkergeschäften zu kaufen, in denen sie auch beraten werden. Darin liegt der Grund für den im Vergleich zu Großbritannien oder Deutschland sehr viel langsameren Wandel.

Was sind die Vor- und Nachteile des Online-Kaufs von Farben?

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Reinier Zuydgeest

USP Marketing Consultancy

Zuydgeest: In unserer Studie wurden die Verbraucher nach den Gründen für den Online-Kauf von Farben und Lacken gefragt. Die Hauptgründe waren der Preis, zweitens die einfache Lieferung nach Hause und drittens, dass ein Preisvergleich online leichter möglich ist. Andere Gründe lagen in der größeren Auswahl und der Erhältlichkeit von Nachfülleinheiten. Der wesentlichste Grund, aus dem die Verbraucher angaben, Farben und Lacke nicht online zu kaufen, liegt recht klar auf der Hand: Es ist schwierig, in einem Online-Shop den richtigen Farbton auszuwählen. Dies ist eines der größten Hindernisse für den Online-Verkauf von Farben und Lacken. Die Verbraucher wollen nach wie vor sehen, wie die Farbe an ihrer Wand aussieht. Ein Ansatz könnte sein, vor dem Kauf Farbmuster zu versenden, ähnlich wie die in großen Heimwerkermärkten wie OBI angebotenen „Mini“-Farbgebinde. Ein weiterer Grund liegt in ihrem Glauben, es gäbe online keine Möglichkeit, Beratung zu erhalten, und daher sei die Auswahl der richtigen Art der Farbe schwierig. Andere gaben auch an, in einem herkömmlichen Geschäft sei es einfacher, alles Benötigte zu finden.

Welches Potenzial sehen Sie für Farben- und Lackhersteller, von diesem Vertriebskanal zu profitieren?

Zuydgeest: Die Zunahme des Online-Verkaufs insgesamt hat große Auswirkungen auf die Farben und Lackhersteller, da damit eine Aushöhlung von Preisen verbunden ist. Dies ist kein Plus, sondern eine Herausforderung. Die Einzelhändler im Heimwerkerbereich stehen einer zunehmenden Konkurrenz von Amazon gegenüber. Eine beliebte Strategie ist es, anstelle von Produkten Lösungen zu verkaufen – was nicht nur Farben und Lacke umfasst, sondern auch Möbel oder Werkzeuge. Ein weiterer Ansatz ist das Angebot professioneller Dienstleistungen. Beide Ansätze erfordern die Unterstützung seitens der Farben- und Lackhersteller. Dies bietet zweifellos große Chancen.

Natürlich hängen die Chancen auch von der Größe des Farben- und Lackherstellers ab. Insbesondere kleinere Unternehmen könnten davon profitieren, Amazon als Plattform zu nutzen. Auf diese Weise können sie in Länder exportieren, in denen sie anderenfalls nicht präsent wären, und so mit ihren Produkten einen größeren Marktanteil in Europa erobern. Bei Nutzung der Geschäftsabwicklung über Amazon sind auch keine Partnerschaften oder ein Kundendienst erforderlich. Größere, bekannte Markten könnten auch vom Verkauf ihrer Farben und Lacke über ihre eigenen Online-Shops profitieren. Die Verbraucher möchten inspiriert werden, und das ist online einfach realisierbar – mit begleitenden Inhalten wie Artikel zur Verwendung des Produkts und Ähnlichem. Natürlich müssen dabei Konflikte zwischen Vertriebskanälen und Partnern vermieden werden – dies ist eine schwierige politische Entscheidung, doch eine Möglichkeit, die in Erwägung gezogen werden sollte.

Interview von Vanessa Bauersachs

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