Nachfrageentwicklung für den Additivmarkt ungewiss
Das Aufkommen und die rasche Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (Covid-19) haben zahlreiche Industrie- und Entwicklungsländer gelähmt. Die Nachfrage nach Farben und Lacken geht aufgrund des plötzlichen Lockdowns in vielen vom Coronavirus betroffenen Ländern und der Unterbrechung der weltweiten Lieferkette erheblich zurück, berichtet das Marktforschungsunternehmen Markets and Markets (MaM). Mit der Abriegelung und Unterbrechung der Lieferkette in den wichtigsten Ländern Nordamerikas, Europas und der Region Asien-Pazifik haben die meisten Industriezweige einen starken Rückgang erlebt.
Nach einer starken Nachfrage im 1. Quartal 2020 habe sich der Additiv-Bedarf durch die Covid-19-Situation in den letzten Monaten deutlich abgekühlt, laut Dr. Stefan Mößmer von Byk. „Bedingt durch viele temporäre Produktionsschließungen bei den Lackherstellern hat demnach auch die Nachfrage nach Lackadditiven gelitten. Nach einem schwachen Jahr 2019 für die Automobilindustrie sind die Produktionszahlen 2020 weiterhin gesunken. Andererseits ist der Bedarf an Additiven im Bereich der Maler- und Bautenlacke gestiegen, da durch den partiellen Lockdown viele Menschen zu Hause bleiben mussten und die Zeit genutzt haben, ihre Wohnungen bzw. Häuser zu renovieren“, sagt Mößmer. Alles in allem werde der Additiv-Markt im Jahr 2020 nicht wie in den vorherigen Jahren um 3 – 4 % wachsen, sondern deutlich zurückgehen, prognostiziert er. Über die aktuelle Situation im Markt sagt Jürgen Bauer von Münzing Chemie: „Bedingt durch die aktuelle Covid-19-Krise gehen wir weltweit von einer deutlich schwächeren Nachfrage aus, deren zeitliches und wirtschaftliches Ausmaß noch nicht abzusehen ist.“
Marktgröße bei 2 Mio. Tonnen im Wert von 7 Mrd. EUR
Bei der Einschätzung der Größe des Additivmarktes gibt es unterschiedliche Angaben. Diese Zahlen dürften jedoch etwas zu hoch liegen. Die Zahlen von unter anderem Kusumgar, Nerlfi & Growney (KNG) bewegen sich in einer anderen Region. Das Volumen schätzen die Marktkenner von KNG auf etwa 1,2 Mio Tonnen im Wert von 4,8 Mrd. EUR. MaM schätzt das Volumen auf 2 Mio. Tonnen im Wert von 7 Mrd. EUR ein. Die Diskrepanz scheint auf den ersten Blick enorm, lässt sich aber schnell erklären. KNG bezieht sich lediglich auf die fünf Hauptgruppe von Lackadditiven: Rheologieadditive, Entschäumer, Gleit-/Abriebadditive sowie Netz- und Dispergieradditive.
Geht es nur um diese fünf Additivtypen, dann liegen die Einschätzungen zum Anteil im Markt auch sehr dicht beieinander. Die Größte Gruppe sind Rheologieadditive, die einen Anteil von 42 % am Gesamtvolumen in 2019 hatten. Nicht einmal die Hälfte (20 %) entfallen auf Dispergieradditive. Dahinter folgen Entschäumer (15 %), Gleit-/Abriebadditive (12 %) sowie Netzmittel (11 %). Im Großen und Ganzen decken sich die Zahlen für diese fünf Hauptgruppen auch mit den Daten von MaM.
Trend zu nachhaltigeren Formulierungen hält an
Es wird geschätzt, dass das Segment der wasserbasierten Lacke etwa die Hälfte der Gesamtnachfrage nach Lackadditiven generiert. Dies ist auf das wachsende Bewusstsein für umweltfreundliche Produkte zurückzuführen, die die VOC- und APEO-Emissionen reduzieren, was die Nachfrage nach wasserbasierten sowie pulverbasierten Lacken in den nächsten fünf Jahren steigern dürfte. Und somit auch die Nachfrage nach Additiven wächst. „Es gibt nach wie vor einen andauernden Trend hin zu nachhaltigen Formulierungen. Hierzu gehören neben dem verstärkten Einsatz von biobasierten Rohstoffen auch Biozid- und emissionsarme Lösungen. Für uns stehen bei den Kundenanforderungen zunehmend multifunktionale Produkte sowie kundenspezifische Additivpakete im Vordergrund“, sagt Bauer.
Bautenfarben sind 2019 Haupteinsatzgebiet für Lackadditive
Das Segment Bautenfarben ist auch mit einem Anteil von 34 % das Haupteinsatzgebiet für Additive. Laut MaM hat Covid-19 den Bausektor vor viele Herausforderungen gestellt. Große Volkswirtschaften auf der ganzen Welt, wie die USA, Deutschland, Großbritannien, Italien, Südkorea, Spanien und Japan, gehören zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern. Mit Ausnahme von China, das Anzeichen einer Erholung zeigt, haben in den meisten Ländern Abstandsregelungen, Unterbrechungen in der Lieferkette und die Verlagerung von Arbeitskräften zum Stillstand der Bautätigkeit geführt.
Die Aktivitäten im Baugewerbe wurden in wichtigen Ländern gestoppt. Die Investitionen in diese Bauprojekte werden zur Bekämpfung von Covid-19 eingesetzt. Auch die vorübergehende Stilllegung von Produktionsanlagen zeigt einen negativen Trend auf dem Farben- und Lackmarkt. Auch bei den Lieferanten von Bautenanstrichmitteln ist ein negativer Trend im Geschäft zu verzeichnen. Eine anhaltende Verbreitung von Covid-19 wäre für die Hersteller von Additiven in diesem Segment ungünstig. Aber auch in anderen Bereichen wurden Produktionslinien gestoppt.
Mit 23 % sind Industrielacke das Segment, in dem Additive anteilig am Gesamtvolumen, am zweithäufigsten eingesetzt werden. Auf Holz- und Möbellacke entfällt ein Anteil von 15 %, Automobillacke folgen mit 10 % (siehe Abb. 2).
Die Schließung mehrerer Automobilwerke in Europa, Amerika und China die Nachfrage nach Autolacken und damit den Markt für Additive stark beeinträchtigt. Es wird erwartet, dass sich die Fahrzeugproduktion im zweiten Halbjahr 2020 verbessern wird; allerdings wird das niedrige verfügbare Einkommen der Verbraucher aufgrund von Kostensenkungen der Unternehmen inmitten von Covid-19 zu einem langsamen Automobilabsatz im Geschäftsjahr 2020 führen. Es wird erwartet, dass die weltweiten Automobilverkäufe im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 15 % bis 20 % zurückgehen werden. Die übrigen 18 % der gesamten Additivmenge werden in sonstigen Lacksystemen eingesetzt.
Neue Herausforderungen und Chancen
Mit dem Ausbruch von Covid-19 hat die Lieferkette für die Hersteller von Farben und Lacken Anlass zur Sorge gegeben. Es wird auch erwartet, dass die Automobil-, Bau- und Konsumgüterindustrie im Jahr 2020 stagnieren oder zurückgehen wird. Aufgrund des zunehmenden Bewusstseins für Beschichtungen auf antimikrobieller Basis eröffnen sich jedoch bis 2021 neue Marktchancen in diesen Sektoren sowie im Medizin- und Gesundheitssektor, wo solche Beschichtungen in chirurgischen und medizinischen Geräten Anwendung finden. Die unausgeschöpften Möglichkeiten für den Einsatz antimikrobieller Additive in verschiedenen Industrien in Schwellenländern werden also den Herstellern helfen, ihr Geschäft auszubauen.
Von Damir Gagro
Den ungekürzten Marktbericht lesen Sie in der Juliausgabe der FARBE UND LACK.