„Mit möglichst wenig Aufwand möglichst schnell und möglichst viel produzieren“

Der Übergang von traditionellen Formulierungskonzepten zu modernen, modular aufgebauten Arbeitsverfahren ist eine große Herausforderung für die Lackindustrie. Wir haben mit Frank Kother von TMC über die Vorteile und Hürden dieses Prozesses gesprochen.

Aufmacher zum Wilkenhöher FL 4/2016 -

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Veränderungen in der Lackproduktion der letzten Jahre?

Frank Kother: Wenn wir die Lackfertigung von heute mit der von vor 20 Jahren vergleichen, würde ich die Entwicklung von Pigmentkonzentraten zu nennen und die damit einhergehenden neuen Fertigungsverfahren. Zum Beispiel Mischverfahren von Halbfabrikaten, die den klassischen Batch-Prozess ersetzen können. Wir finden hier etwa Inline-Dispergierverfahren und großvolumige Mischverfahren.

Frank Kother TMC

Frank Kother ist Managing Director bei TMC – Technology and Marketing Consulting. Er wird das EC Technology Forum | Optimising cost and processes in paint formulation am 15. Oktober mit einem Shortcourse zum Thema moderne Lackfertigung eröffnen.

Und wie wird diese Entwicklung in der Zukunft weitergehen?

Kother: In letzter Konsequenz geht es darum, kontinuierliche Verfahren zu etablieren. Am Ziel ist hier bisher noch niemand, einige Leute denken aber schon in diese Richtung. Es soll dahingehen, dass wir von den großen Mischbehältern wegkommen.

Wenn wir also über Dinge wie Leitstrahlmischtechnik oder großvolumige Technik reden, geht es darum, zu überlegen, wie kann man das Material in möglichst kleinen Vormischgefäßen so mischen, dass mit möglichst wenig Aufwand möglichst schnell und möglichst viel produziert wird. Der Weg dahin ist für mich vor allem durch die Qualitätskontrolle bestimmt, die sich mehr und mehr in den Vorbereich der Produktion verschiebt.

Ganz von dem Batchprozess Abschied zu nehmen, stelle ich mir den Praxis schwer vor.

Kother: Ja, das kann ich mir vorstellen. Bisher denkt auch noch niemand komplett in diese Richtung. Stellen wir als Beispiel die Produktion eines einfachen Weißlacks vor. Hier haben wir im Wesentlichen ein Bindemittel und eine weiße Pigmentdispersion als Basis.

Da kann niemand wirklich erklären, warum es nicht möglich sein soll, die in einem statischen Mischer so mischen, dass da ein vernünftiger Lack rauskommt. Natürlich setzt das eine ordentliche Qualitätskontrolle und vernünftige Dosierungs- und Arbeitsverfahren voraus. Aber das ist die Richtung, in die man gehen sollte.

Ist das eher was für die großen Hersteller mit den entsprechenden Volumen oder kann das auch der Nischenhersteller umsetzen?

Kother: Auch da geht das. Nehmen wir einen lösemittelhaltigen Lack. Der wird aus neunzig Volumenprozent Standardbindemittel, ein paar Additiven und gut 10 % Lösemittel hergestellt. Dafür benötigt der Hersteller eine Ex-Anlage und besondere Reinigungsvorgänge. Wenn man sich nun vorstellt, dass man dies über eine kleine Dosiereinheit erledigt, die alles kurz vor Endabfüllung dosiert, dann hätte man den ganzen Reinigungsaufwand raus.

Sie hatten erwähnt, dass die Qualitätskontrolle weiter vorne im Prozess erfolgen soll. Können Sie das näher erläutern?

Kother: Der erste Schritt, den ich machen kann, ist Halbfabrikate vor der Produktion zu kontrollieren. Es gibt hier genug standardisierte Testmöglichkeiten. Zum Beispiel sind Festkörpermessungen vom Bindemittel oder Farbmessungen gut definiert. Wenn wir das alles nach vorne verlagern, dann kommen wir schon einen guten Schritt in Richtung kontinuierliche Produktion voran. Bei einem meiner Klienten produzieren wir schon seit einem Jahr in einem kontinuierlichen Verfahren.

Wenn man Richtung In-Line-Messung und Automatisierung denkt, geht es ja auch immer um große Datenmengen.

Kother: Das muss kommen, weil die Prozessdaten dann ja auch auswerten muss, etwa um Abweichungen festzustellen und zu verstehen, wo Veränderungen herkommen. Bisher läuft das Ganze noch eher wie der Blick in den Rückspiegel. Man sieht derzeit meist nur die Daten der Endprodukte. Ich habe noch nicht viele Anlagen gesehen, wo so etwas schon konsequent umgesetzt wird. 

Was bedeutet der Einsatz von Halbfabrikaten aus ihrer Perspektive für die eigentliche Lackformulierung?

Kother: Wie ich diese Halbfabrikate einsetze ist von Lackhersteller zu Lackhersteller und je nach Portfolio unterschiedlich. Man muss schauen, wo der kleinste gemeinsame Nenner ist und wie man das runterbrechen kann. Sei es auf gemischte Halbfabrikate oder einzeln pigmentierte Halbfabrikate oder Halbfabrikate im Bereich der Rheologie.

Wenn wir uns zum Beispiel den Dekobereich ansehen, kann man mit Calciumcarbonat- und Titanmischungen die gewünschten Qualitäten einstellen. Das Ziel dabei ist es, mit einer möglichst kleinen Anzahl an Rohstoffen, möglichst viele verschiedene Produkte herzustellen. Im Unbunten, weißen Bereich ist das natürlich am einfachsten. Das Ganze funktioniert aber auch, wenn Farben ins Spiel kommen. Hier können hochgefüllte Pigmentkonzentrate mit passenden Mischkonzepten zum Einsatz kommen.

Gibt es hier den genug Auswahl an Halbfabrikaten auf dem Markt?

Kother: Es gibt schon ein paar Firmen, die einiges Anbieten. Die Frage ist nicht, ob man die kaufen kann, sondern welche man braucht und wie man sie im Werk einsetzt. Man muss zum Beispiel die logistischen Kosten bedenken. Calciumcarbonat etwa, macht als Halbfabrikat vermutlich keinen Sinn. Das kostet 200 EUR pro Tonne, wenn da noch Wasser und Logistikkosten dazukommen, wird das zu teuer. Bei den Bunthalbfabrikaten sehe ich das aber schon, da gibt es schon die ersten Pigmentvormischungen.

Wie stark spielen denn der Blick in die Zukunft bei solchen Projekten eine Rolle?

Kother: Wenn ich Anfange so ein Projekt aufzusetzen, stelle ich den Klienten immer die Frage, wie viel wollt ihr denn so in drei Jahren produzieren? Dann kommt das Thema Forecasting ins Spiel. Da nimmt man dann häufig die Daten vom aktuellen Jahr und schlägt einfach 5 % oben drauf. Das ist natürlich nicht ausreichend, man muss genau sehen, welches Produkt habe ich heute und welche werden in drei Jahren gut laufen. Auf dieser Basis kann dann die Entscheidung für die die richtigen Halbfabrikate fallen.

Außerdem ist die Akzeptanz im Unternehmen immer noch ein Thema. Die Entwicklungsabteilungen müssen dann auch mit Halbfabrikaten formulieren. Ich habe zum Beispiel einen Kunden, der hat 13 verschiedene Titandioxidtypen im Haus und mein Wunsch ist es, dass auf einen zu reduzieren. Da muss man schon Widerstände überwinden.

Aber suchen nicht eigentlich alle nach Wegen, die Formulierungen weniger Komplex zu machen?

Kother: Ja, eigentlich schon. Und natürlich gibt es große Unterschiede, etwa wenn es um Titandioxid für Automobillacke oder Druckfarben geht. Die kann man nicht einfach austauschen. Aber wenn wir über eine Anwendung reden, dann sollte das schon möglich sein. Aber die Leute haben eben ihre Gewohnheiten und die muss man mitnehmen.

Das Interview führte Jan Gesthuizen

Eventtipp

Wie moderne und modulare Formulierungs- und Produktionskonzepte die Lackfertigung verbessern können ist eines von vielen Theman auf dem European Coatings  Technology Forum | Optimising cost and processes in paint formulation am 15. und 16. Oktober in Berlin.

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