Monika Wehling im Porträt: „Ich war mir für nichts zu schade
Im Vergleich zu den meisten Entwicklungsleitern der Farben- und Lackindustrie hat Monika Wehling einen besonderen Zugang zu ihrer Kundschaft. Sie begann ihre Karriere nämlich im Handwerk mit einer Ausbildung zur Malerin und Lackiererin und hat daher selbst mehrere Jahre auf der Baustelle verbracht. Frauen im Handwerk waren damals selten, sagt sie. „Die Männer haben auch nicht gewusst, was sie mit uns anfangen sollen“, erinnert sie sich. Eine Sonderbehandlung habe man ihr jedenfalls nicht zuteil kommen lassen. Ganz im Gegenteil. Es gab Zeiten, da wurde ihr etwa bei körperlich anstrengenden Aufgaben gesagt, „das hast Du Dir so ausgesucht.“ Trotzdem hat ihr der Beruf immer Spaß gemacht und es ist sicher kein Zufall, dass sie bis heute dem Thema Farben erhalten geblieben ist. „Ich wollte nie hinterm Schreibtisch arbeiten“, erklärt Wehling, warum sie sich damals für den Beruf Maler und Lackierer entschieden hat. Nach der erfolgreichen Lehre konnte sie den Beruf dann allerdings nicht lange ausüben, die Gesundheit machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie vertrug die Kälte auf der Baustelle nicht und verlor sogar eine Niere.
Bevor die 50-jährige Entwicklungsleiterin zu Dracholin kam, arbeitete sie einige Jahre als Verkaufsberaterin für Farben und Lacke. 1992 ergab sich dann die Möglichkeit, als Laborantin bei Dracholin anzuheuern. Eine Chance bei der sie dem Thema Farben treu bleiben konnte, als auch dem Hang zur praktischen Arbeit nachzugehen. Diese Veranlagung hat sie auch im privaten. Ein großes Hobby ist etwa die Gartenarbeit: „Zu sehen, wie aus kleinen Pflänzchen ein richtiger Salatkopf wird, das ist schon toll“, erzählt sie. Und nicht nur der Anbau macht ihr Spaß, es sei auch schön, mit dem selbst angebauten Gemüse zu kochen.
Leben für die Farbe
Seit dem Jahr 2000 ist sie nun schon Laborleiterin für Farben und Nassputze und verantwortet zum Beispiel die Entwicklung in diesen Bereichen. Dass sie diese Position erreicht hat, war ein hartes Stück Arbeit. „Ich habe mich engagiert und ich war mir für nichts zu schade“, begründet sie ihren Erfolg. Wer sich in der deutschen Lackbranche umsieht, wird wenige Entwicklungsverantwortliche treffen, die nicht studiert haben. Bei Monika Wehling hat es trotzdem geklappt. Wenn man für die Farbe lebe, dann sei das schon zu schaffen. „Sie sehen relativ schnell was funktioniert und lernen aus den eigenen Fehlern“, erklärt sie und ergänzt: „Wenn ein Laboransatz in die Hose geht, dann geht er eben in die Hose. Diese Erfahrung muss Jeder machen. Sonst lernt man nichts.“ Als ihre erste Innenwandfarbe dann in die Produktion lief, erinnert sie sich, war sie dann aber doch ziemlich stolz. Zudem hat ihr handwerklicher Hintergrund auch unbestreitbare Vorteile. Als vergleichsweise kleines Unternehmen lebt Dracholin von der Nähe zum Kunden. Dass die Maler mal ins Labor laufen, sei nicht ungewöhnlich. „Wer studiert hat, weiß nicht immer automatisch mehr. Unsere Maler streichen keine chemische Formel an die Wand, sondern Farbe“, bringt sie es auf den Punkt. Diese Nähe zum Kunden sei auch einer der Punkte, der ihr an ihrem Job besonders gut gefalle.
Auch wenn sie selbstbewusst über ihre eigene Leistung spricht, Monika Wehling ist sich bewusst, dass sie Hilfe hatte. „Ich hatte immer gute Lehrmeister“, sagt sie. Besonders dankbar ist sie Dorothee Fritz, der technischen Geschäftsführerin von Dracholin. Diese habe ihr zum Beispiel Mut gemacht, als die Anfrage zu diesem Porträt eintraf. „Viele haben ein Problem damit, dass ich nicht studiert habe“, habe sie zu ihrer Geschäftsführerin gesagt. Diese hätte entgegnet: „Die Einzige, die damit ein Problem hat, sind Sie selbst.“ Ähnlich äußert sie sich immer wieder über ihren Arbeitgeber. Sie ist dankbar ein Umfeld gefunden zu haben, das ihr die Möglichkeit gibt, ihre Stärken auszuspielen.
Baden in Dispersionsfarbe
Nicht, dass es nicht Dinge gäbe, die sie stören. Manche rechtlichen Vorgaben würden etwa übers Ziel hinausschießen. Etwa wenn es um Konservierungsmittel gehe. Das sei ein dominantes und sehr zeitintensives Thema. „Man erwartet immer, dass unsere Produkte dieselben Standards wie Kosmetik einhalten“, wundert sie sich. Aber man könne Bauprodukte doch nicht mit Kosmetik in einen Topf schmeißen, findet sie und sagt: „Kosmetik schmieren sie sich auf die Haut, aber sie baden ja nicht in Dispersionsfarbe.“
Anderen Branchentrends zu folgen fällt da viel leichter. Etwa wenn es um das Thema gesundes Wohnen gehe. „Da kann ich von mir selber ausgehen. Ich will ja selber auch keine tränenden Augen bekommen, wenn ich in einen Raum betrete“, erklärt sie. Wenn etwa nachwachsende Rohstoffe zum Einsatz kämen, sei das zwar noch teurer, aber das werde sich vermutlich irgendwann nivellieren, glaubt sie. Die Natur findet sich auch im Privaten wieder. Sei es der Garten oder ihre typischen Urlaubsziele. Früher wanderte sie oft mit ihrem Lebensgefährten im Bayrischen Wald, zuletzt reisten sie dann oft an die Ostseeküste – besonders Rügen hat es ihr angetan. Eine Schwäbin mit Herz für Norddeutschland, auch das sieht man nicht alle Tage. // Info: www.dracholin.de
Jan Gesthuizen