Lebensmittelkontaktmaterialien: Sensibilität für Gefahren wächst weltweit

Die internationale Konferenz "Residues of Food Contact Materials (FCM)" der Akademie Fresenius am 20.-21. Juni in Köln nahm neue Materialien für Lebensmittelverpackungen ebenso in den Blick wie neue Testverfahren in der Rückstandsanalytik und aktuelle europäische Gesetzgebungsinitiativen.

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Die Diskussion um Mineralölrückstände, die auch durch Altpapier in Lebensmittel gelangen können, hält an. So diskutierten die Experten auf der Fresenius-Konferenz Möglichkeiten, den Eintritt von Mineralölrückständen durch Aktivkohlebarrieren zu verhindern. Außerdem untersuchten sie Alternativen für polyfluorierte Verbindungen in Lebensmittelverpackungen und gingen der Frage nach, ob und wie Bioassays die von der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) verlangten Toxizitätstest ersetzen können.

Einheitliche Kriterien für Hersteller und Lebensmittelindustrie benötigt

Koni Grob vom Kantonalen Labor in Zürich zog eine Bilanz der Bemühungen, Übergänge von Kontaminanten aus Verpackungen aus Altpapier/Karton in die Lebensmittel auf ein tolerierbares Niveau zu senken. Kaum jemand würde heute in Zeitungspapier verpackte Lebensmittel kaufen wollen, doch Recyclingpapier und -karton sind nicht wirklich sauberer. Das Problem ist schon lange bekannt, doch Lösungen kommen nur langsam voran. Recycling ist wegen Nachhaltigkeit willkommen, setzt aber Maßnahmen voraus, um die Lebensmittelverunreinigung zu verringern. Innenbeutel mit einer Barrieren-Schicht können eine solche Maßnahme sein, ebenso Innenbeschichtungen von Schachteln mit einer Barriere oder Zusatz von Aktivkohle zum Karton, welche die Kontaminanten im Karton festhälten.

Als Voraussetzung für einen Durchbruch sieht Koni Grob ein einheitliches Kriterium zur Beurteilung der Wirksamkeit von Maßnahmen: „Wissenschaft und Technik können die Migration nicht völlig vermeiden. Umso mehr müssen die Produzenten wissen, welche Lösung für ausreichend gelten kann und der Einkäufer von Lebensmittelverpackungsmaterial benötigt Daten zur Beurteilung, ob ein angebotenes Material für seine Anwendung geeignet ist.“ Das Hauptproblem für die Definition einer minimalen Wirksamkeit liege darin, dass die kritischen Kontaminanten unbekannt und zudem variabel seien. Die Anforderungen müssten deshalb auf vorsichtigen Schätzungen fußen, so Grob.
Interne Beutel mit genügenden Barrieren sind auf dem Markt vorhanden und werden auch verbreitet eingesetzt. Problematischer seien Schachteln ohne Innenbeutel mit Barrieren-Beschichtung auf der Innenwand. Manche dieser Barrieren seien ungenügend dicht. Zudem ragen bei den Verschlüssen größere Außenoberflächen in den Innenraum, was möglicherweise alleine schon nicht tolerierbare Übergänge verursachen kann. Grob bedauert das geringe Interesse der Lebensmittelindustrie an entsprechenden Abklärungen. Vielversprechend sei dagegen Recyclingkarton mit eingebauter Aktivkohle: Bisherige Messungen zeigen ein gutes Rückhaltevermögen. Design und Verpackungskonstruktionen müssen bei dieser Lösung nicht geändert werden. Für eine abschließende Beurteilung sind weitere Abklärungen geplant.

Migration durch Küchenutensilien aus Polyamid

Nicht nur durch Verpackungen können Schadstoffe auf Lebensmittel übergehen, sondern auch durch Küchenutensilien aus Polyamid wie Kochlöffel oder Pfannenwender. Der Lebensmittelchemiker Rüdiger Helling vom sächsischen Verbraucherministerium beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dieser Gefahr. Er übte deutliche Kritik an der bisherigen Praxis der Industrie. Seit zehn Jahren sei weder für die Öffentlichkeit noch für Überwachungsbehörden eine Risikobewertung zu den Polyamid-Materialien verfügbar, noch die rechtliche Verpflichtung dazu. Dieses Manko widerspreche der EU-Verordnung 1935/2004, die die Verwendung von Materialien und Gegenständen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, regelt. Die Hersteller von Küchenzubehör aus Polyamid rief Helling weiterhin dazu auf, ihre Produkte zu optimieren, um die Migration von Polyamid-Bestandteilen zu reduzieren. Außerdem sollten sie die Verbraucher mit dauerhaft angebrachten Gebrauchshinweisen zur sicheren Anwendung informieren.

Übergang von endokrinen Substanzen durch Verpackungen

Die Wissenschaft diskutiert seit etwa zwanzig Jahren das Auftreten hormonell aktiver Substanzen mit schädlicher Wirkung („endokrine Disruptoren“). Manfred Tacker vom FH Campus Wien berichtete von verschiedenen Untersuchungen zum Nachweis endokrin aktiver Substanzen in Lebensmittelverpackungen. Etwa 70 Prozent der untersuchten Verpackungen seien nicht endokrin wirksam. Bei den gut 30 Prozent der Verpackungen, die positiv auf endokrine Aktivität getestet wurden, sei das Ausmaß der Aktivität zumeist niedriger als die Aktivität, die zuvor in Mineralwasser nachgewiesen wurde, so Tacker. Eine Untersuchung von PET-Flaschen zeige zudem, dass diese Aktivität, die in Mineralwassern nachgewiesen wurde, nicht von PET-Flaschen stamme. Zelluntersuchungen würden nur eine Bindung der aktiven Substanz an den Hormonrezeptor nachweisen. Eine direkte Schlussfolgerung dieser Untersuchungen auf die Aktivität im Organismus sei nicht möglich, betonte Tacker.

Dänemark: Gemeinsames Interesse bei Industrie und Behörden

Die internationale Fresenius-Konferenz blickte auch über die Grenzen Deutschlands und Europas. Aus der Praxis berichtete Mette Holm von der dänischen Lebensmittelbehörde, wie die DVFA Kontrollen und Inspektionen bei Herstellern von Lebensmittelkontaktmaterialien durchführt. In diesem Jahr steht die Verwendung von Lebensmittelkontaktmaterialien in Dänemark ganz besonders im Fokus. 1000 Inspektionen werden gezielt zu diesem Thema durchgeführt. Die dänische Industrie steht den Kontrollen aufgeschlossen gegenüber, wie Mette Holm berichtet. Die Unternehmen wollten Verantwortung übernehmen, so Holm. Allerdings wünschten sie sich, dass die Verordnungen weniger kompliziert seien und die EU-Rechtsvorschriften sowohl harmonisierter, als auch spezifischer. In dieser Hinsicht befänden sie sich in vollem Einklang mit den Behörden, räumte Mette Holm schmunzelnd ein.

China für Risiken durch Lebensmittekontaktmaterialien sensibilisiert

Auch in China ist das Bewusstsein für stärke Kontrollen der Lebensmittelkontaktmaterialien gestiegen. Marco Zhong, Direktor des Nationalen Referenzlabors für Kontaktmaterialien in Guangzhou stellt fest, dass Lebensmittelverunreinigung durch Kontaktmaterialien lange ein vernachlässigtes Thema in China gewesen sei. Mittlerweile seien aber „bemerkenswerte Fortschritte“ erzielt worden. In Zukunft sollen weitere Standards eingeführt und die Zahl der Kontrollen ausgeweitet werden. Benötig würden effektivere Instrumente für die Risikobewertung – insbesondere für den Nachweis von unabsichtlich eingebrachten Substanzen (NIAS).

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