Kritik an der Einstufung von Titandioxid als „möglicherweise krebserregend“

Die Einstufung von Titandioxid durch die EU-Kommission als "Stoff mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung durch Einatmen" vom 04. Oktober 2019 trifft auf starke Kritik von Seiten der Lack- und Farbenindustrie.

Weißes Pulver vor schwarzem Hintergrund.
Pulverförmige Produkte mit Titandioxid müssen nach einer Entschiedung der EU-Kommission jetzt eingestuft und gekennzeichnet werden. Quelle: Jag_cz – stock.adobe.com. -

Nicht nur der Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) kritisierte die Einstufung, sondern auch der Verband der Mineralfarbenindustrie (VdMi). Während bisher die Zustimmung der Experten nötig war, kann die Kommission durch eine Verfahrensumstellung auf einen sogenannten Delegierten Rechtsakt im Juli dieses Jahres nun auch im Alleingang eine solche Entscheidung treffen. Bereits im Vorfeld zur Sitzung im September kündigte die Kommission an, unabhängig von den Einwänden der Experten im Verfahren fortschreiten zu wollen. „Dies ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar. Die Einstufung ist weder aus toxikologischer Sicht begründet, noch wird sie einen positiven Effekt im Gesundheits- oder Umweltschutz haben“, sagt Dr. Heike Liewald, Geschäftsführerin VdMi.

Mit der Einstufung von Titandioxid würde damit erstmals ein Stoff auf Basis von stoffunspezifischen, allgemeinen Partikeleffekten eingestuft. Dies sei nicht im Sinne der CLP-Verordnung. „Die Brüsseler Behörden hätten gut daran getan, sich dem Vorschlag von Deutschland anzuschließen, Titandioxid über den allgemeinen Staubgrenzwert im Rahmen des Arbeitsschutzes zu behandeln. Deutschland hatte bereits vor über einem Jahr die Einrichtung einer Expertengruppe vorgeschlagen, die einen harmonisierten, europäischen Grenzwert für derartige Stäube erarbeiten sollte. Diese Chance ist nun vertan, stattdessen wurde ein Präzedenzfall geschaffen: Die zur Begründung der Einstufung herangezogenen Argumente lassen sich auch auf andere Stoffe mit ähnlicher Staubproblematik übertragen, was weitere Einstufungen einzelner Stoffe aufgrund von stoffunabhängigen Effekten zur Folge haben könnte“, begründet der VdMi die Kritik.

Zusatzkennzeichnungen für flüssige und feste Gemische mit Titandioxid

Pulverförmige Produkte mit Titandioxid müssen jetzt eingestuft und gekennzeichnet werden. Ergänzend sind Zusatzkennzeichnungen für flüssige und feste Gemische mit Titandioxid vorgesehen, dies sei unabhängig davon, ob überhaupt eine Freisetzung von Titandioxid am Arbeitsplatz oder beim Verbraucher zu erwarten ist. „Verbraucher kommen nicht mit Titandioxid-Staub in Kontakt, in nahezu allen Fällen ist Titandioxid in Lacken, Farben oder Kunststoffen in eine Matrix aus Bindemittel gebunden“, sagt Dr. Heike Liewald und schließt sich damit dem Gutachten des europäischen Gremiums zur Risikobewertung (RAC) an. „Eine Gefahrenkennzeichnung an Produkten, die nicht gefährlich sind, führt einerseits zu einer übermäßigen Verunsicherung der Verbraucher und birgt andererseits die Gefahr, dass die Verwender abstumpfen und solche Hinweise nicht mehr ernst nehmen.“

Gravierende Konsequenzen im Recycling- und Abfallbereich

Auswirkungen wird die Einstufung in vielen Bereichen und Anwendungen haben, auch dort wo Titandioxid gar nicht eingeatmet werden kann. Beispielsweise ergeben sich gravierende Konsequenzen im Recycling- und Abfallbereich: Produkte, die mehr als 1 % Titandioxid enthalten, werden zu gefährlichem Abfall. Dies betrifft zum Beispiel die Entsorgung rund der Hälfte aller Kunststoffprodukte und Bauschutt. Eine aktuelle Studie der Kunststoffindustrie, der Pigmenthersteller und der Recycler zeigt, dass in Deutschland beispielsweise etwa 400.000 t Kunststoffe wegen der Einstufung zukünftig nicht mehr recycelt werden können.

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