Industrie 4.0: „Weiter Weg zur vernetzten Fabrik
Farbe und Lack: Herr Patsakas, der Einstieg in die Industrie 4.0 scheitert oft daran, dass Unternehmen hohe Kosten für neues Produktionsequipment scheuen. Sie wollen hier Abhilfe schaffen.
Lazaros Patsakas: Genau. Wir haben die Orange Box entwickelt, um produzierende Betriebe wie z.B. Nestlé, Continental usw. zu unterstützen, die ihren Maschinenpark nicht komplett austauschen können und möchten. Angefangen hat das mit unserem Partner Nestlé, der weltweit über 400 produzierende Betriebe hat und diese natürlich nicht alle auf einmal umrüsten will. Das wäre eine gigantische Investition.
In diesen Betrieben stehen, wie bei anderen Unternehmen auch, oft Maschinen, die 10 Jahre oder älter sind und bisher keine Möglichkeit bieten, Produktionsdaten auszulesen. Da wird oft noch auf Papier aufgeschrieben, wann die Maschine geplante oder ungeplante Stillstände hatte. Also noch ein weiter Weg zur vernetzten Fabrik.
Die Unternehmen hätten es aber gerne so einfach, wie im Privatleben, wo alles über das Smartphone läuft und sie alle Informationen, wie das aktuelle Wetter oder auch den eigenen Puls, in einem Gerät finden. Eine solche Lösung muss außerdem universell sein, also für Maschinen aller Hersteller funktionieren, die in der Produktion zu finden sind. Dies war die Ausgangsituation, mit der wir mit unserem Partner Nestlé gestartet sind. Wir haben dann aber schnell erkannt, dass noch viel mehr Unternehmen vor den gleichen Herausforderungen stehen.
FuL: Und wie funktioniert Ihre Lösung?
Lazaros Patsakas betreut als Key Account Manager Endkunden beim Automatisierungsspezialisten B&R Industrial Automation und wird auf der Farbe und Lack Konferenz Industrie 4.0 als Referent weitere Details in einem Vortrag präsentieren.
Patsakas: Die Orange Box ist eine Lösung, die aus B&R Hard- und Software basiert. Mit ihr können wir Daten von einer Produktionsmaschine auslesen, ohne den Maschinencode ändern zu müssen. Wir können zum Beispiel über Ethernet oder auch hart verdrahtet über I/O´s Daten auslesen.
Die Orange Box ist die Lösungskomponente, welche an eine Bestandsmaschine angeschlossen wird und als Brücke zu einem übergeordneten System dient. Sie ist mit B&R Softwarkomponenten, sg. Mapps, ausgestattet, die der Nutzer nur noch parametrieren muss, um die Daten anschließend auszulesen.
FuL: Dieses übergeordnete System wird von Ihnen bereitgestellt oder ist das die Software des Kunden?
Patsakas: Das System kann aus unserem Hause sein, wir haben eine Prozessleitsystem namens Aprol, welches auch für die Fabrikautomatisierung genutzt wird. Die Kunden können die Orange Box auch mit SAP oder ein anderes bereits vorhandenes ERP-System nutzen, das sie über eine Schnittstelle, wie zum Beispiel OPC UA, anbinden.
FuL:Wir haben bisher über das Auslesen von Daten gesprochen, kann der Kunde seinen Maschinen über die Orange Box auch steuern?
Patsakas: Nein, die Orange Box dient nur zur Datenerfassung und KPI-Berechnung sowie die Bereitstellung der Daten für ein übergeordnetes System. Es geht also in erster Linie darum, Daten für die Analysen zu erstellen und so einzelne Maschinen oder ganze Fertigungslinien zu optimieren.
FuL: Können Sie Beispiele nennen, um welche Daten es genau geht?
Patsakas: Dies können alle denkbaren Daten sein, sofern Sie wissen, wo genau die entsprechenden Datenpunkte am Produktionsequipment liegen und wo Sie Signale auslesen können. Zum Beispiel können Sie einen Stück- und einen Ausschusszähler auslesen. Die Orange Box teilt Ihnen z.B. mit, dass während einer Schicht 10.000 Einheiten produziert wurden, davon waren 500 fehlerhaft und am Ende sind also 9.500 Stück fehlerfrei hergestellt worden.
Das smarte an dem System ist, dass man die eingelesenen Datenpunkte von mehreren Quellen (Steuerungen und I/Os) über eine visuelles Interfaces direkt in der Orange Box logisch miteinander verknüpfen und somit ohne Softwareänderungen an der Maschine Meldungen zur Weiterverarbeitung generieren kann. Ein Beispiel wäre, das Signal der Schutztür-1 und Schutztür-2 wird über das Logikinterface als neue Meldung „Schutzkreistüren“ miteinander verbunden. Der Benutzer erhält die Meldung Schutzkreistüren, wenn beide Signale anliegen. Die einzelne Signale der Schutztür- 1 und 2 stehen natürlich weiterhin zur Verfügung und werden auch gemeldet.
FuL: Und sind dafür spezielle Programmierkenntnisse erforderlich?
Patsakas: Nein, programmieren muss man nicht. Mitarbeiter produzierender Unternehmen müssen oft schon zwei oder drei verschiedene Softwareprogramme beherrschen, da sie Maschinen von verschiedenen Herstellern einsetzen. Die Orange Box stellt dem Kunden daher eine visuelle Oberfläche zur Verfügung, über die alle relevanten Parametrierungen vorgenommen werden.
FuL: Das klingt sehr einfach, aber ein gewisser Schulungsaufwand bleibt doch bestimmt, oder?
Patsakas: Ja und nein. Die Bedienung ist sehr einfach und sie erhalten ein Handbuch und eine Installationsanweisung. Theoretisch können Sie sich damit selbst weiterhelfen und in das System einarbeiten. Praktisch empfehlen wir dennoch einen gemeinsamen Workshop durchzuführen, der dauert allerdings auch nur einen halben Tag. Mehr Zeit ist nicht nötig. Die Inbetriebnahme einer Orange Box dauert 1-2 Stunden.
Das Interview führte Jan Gesthuizen
Weitere Informationen zu diesem System erhalten Sie auf der Farbe und Lack Konferenz Industrie 4.0. Dort werden auch weitere konkrete Lösungen sowie Erfahrungen von Lackherstellern präsentiert, die bereits spannende Projekte umgesetzt haben.