Interview: Spröde Farben mit Graphen flexibel machen

Der Braunschweiger Naturfarbenhersteller Auro Pflanzenchemie setzt seit kurzem Graphen in Kalkfarben ein, um aus den üblicherweise spröden Farben hochflexible Beschichtungen zu machen. Wir sprachen mit dem Forschungs & Entwicklungsleiter Dr. Markus Lettau über die neue Technologie.

Durch den Einsatz von Graphen ist es möglich Kalkfarben auch auf Fassaden zu nutzen. (Foto: Auro Naturchemie)

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Sie setzen seit neuestem Graphen in Ihren Farben ein. Welche Eigenschaften der Farben werden hierdurch verbessert?

Dr. Markus Lettau: Der Einsatz von Graphen in Kalkfarben ermöglicht es, diese Produktklasse in nie dagewesener Qualität anbieten zu können. Durch den Zusatz von mineralischem Graphen mit einer immens hohen Oberfläche, wird aus der sonst spröden Kalkfarbe eine hochflexible Farbe. So können wir eine Nassabriebklasse von 1 erreichen und sogar einen Einsatz als Fassadenfarbe ermöglichen, was sonst mit Kalkfarben so nicht möglich ist.

Können Sie den Wirkmechanismus erklären? Wieso sorgt Graphen für diese Verbesserungen?

Lettau: Graphen basiert auf Graphit und bildet sehr dünne, aber extrem große Flächen, die sehr flexibel sind. Sind diese in der Kalkfarbe homogen verteilt, so stabilisiert dieses großflächige Netzwerk den Kalk und die Füllstoffe in der Farbe, indem es diese umschließt. Weiterhin ist es chemisch quasi inert und in der Lage wasserabweisend in der Beschichtung zu wirken. Die hohe Flexibilität und Hydrophobie bewirkten die besonderen Eigenschaften der neuen Kalkfarben.

Markus Lettau Auro

Dr. Markus Lettau leitet die Forschung & Entwicklung bei Auro,

Sie bewerben Ihre graphenhaltigen Farben damit, dass jahrelange Forschung dahintersteht. Welche Herausforderungen hatten Sie bei Entwicklung der neuen Technik zu überwinden?

Lettau: Der schwierigste Prozess liegt bei der Herstellung in den oben beschriebenen Besonderheiten der neuen Produkte begründet. So sind hier flächenmäßig sehr große Teilchen, die zudem eine sehr große Hydrophobie aufweisen homogen in einem wässrigen Medium zu dispergieren, so dass sich diese im fertigen Produkt nicht wieder trennen und die Wirkung so dauerhaft ist.

Auro ist Naturfarbenhersteller. Daher müssen wir natürlich nach der Herkunft des Graphens fragen. Wie stellen Sie sicher, dass es aus nachhaltigen Quellen stammt?

Lettau: Für die Herstellung von Graphen existieren mehrere Herstellverfahren, die von einem reinen Laborverfahren bis zum Produktionsmaßstab reichen. Wichtig für den Herstellprozess ist eine gleichbleibende Produktqualität, um auch den oben beschriebenen Dispergierprozess dauerhaft im Griff zu haben. Um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten, wird das Graphen für die Auro-Produkte aus Graphit gewonnen. Der Herstellprozess ist dabei im Wesentlichen ein auf Pyrolyse beruhender Prozess.

Sie nutzen die Graphentechnologie in mineralischen Innen- und Außenanstrichen. Warum gerade in solchen Systemen und planen Sie auch andere Anstrichsysteme mit Graphen aufzuwerten?

Lettau: Der Einsatz des Graphens hebt die mineralischen Kalkprodukte auf ein neues, bisher unerreichbares technisches Level. Da unsere Kunden generell sehr stark auf mineralischen Anstrichstoffe fixiert sind, lag es nahe, diese Produkte für den Außenbereich oder den hochstrapaziösen Innenbereich durch die Graphentechnologie nutzbar zu machen.

Momentan stehen auch bei anderen Produkten Untersuchungen an, diese durch den Einsatz von Graphen positiv zu beeinflussen. Wir denken momentan darüber nach, Effekte auch an Lacken, Lasuren und/oder Wandfarben zu prüfen. Die Herausforderung liegt aber auch hier darin, das Graphen stabil in die Formulierungen etablieren zu können. Gegenüber reinen Kalkfarben sind diese Produkte in ihrer Zusammensetzung jedoch viel komplexer, was eben die Anstrengungen nicht leichter gestaltet.

 Das Interview führte Jan Gesthuizen

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