Interview: „Der Fachkräftemangel ist Fakt“

Alberdingk Boley feiert in diesem Jahr 190-jähriges Bestehen. Gleich zu Beginn des Jubiläumsjahres übernahm der Bindemittelhersteller einen neuen Produktionsstandort in Leuna. CEO Timm Wiegmann spricht über die Expansion, Wettbewerb und die Herausforderung, Fachkräfte zu gewinnen.

Zu Beginn des Jubiläumsjahres übernahm Alberdingk Boley einen neuen Produktionsstandort in Leuna. Bildquelle: Rido- Fotolia -

Das Jubiläumsjahr haben Sie gleich mit einer Akquisition eröffnet. Aus welchen Gründen haben Sie den Standort in Leuna übernommen?

Timm Wiegmann: Wir wollen wachsende Märkte bedienen und dem Wettbewerb auf Augenhöhe begegnen. Mit der Übernahme eines weiteren Produktionsstandortes sichern wir die Expansions-Strategie für unsere Polyurethan- und Acrylat-Dispersionen nachhaltig ab. Mit diesem Schritt erreichen wir die dringend benötigte signifikante Kapazitätserweiterung. Der neue Produktionsstandort ist im Chemiepark Leunawerke südlich von Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt und die Infrastruktur ist hervorragend.

Durch die erweiterten Kapazitäten festigen Sie Ihre Position im Bereich der Polyurethan- und Acrylatdispersionen. Wie entwickeln sich Nachfrage und Bedarf im Markt?

Wiegmann: Stetig nach oben! Im letzten Jahr haben wir erneut Rekord-Absätze erzielt. Wässrige Bindemittel sind stark gefragt, das steigende Umweltbewusstsein ist im Markt deutlich spürbar. Alberdingk Boley ist bekannt für ständig neue, innovative Produkte. Hier werden wir auch in Zukunft nicht nachlassen, eher noch mehr Kraft investieren. Durch die neue Akquisition bestätigen wir jedoch auch, dass wir großvolumige Bedarfe im Markt wettbewerbsfähig bedienen können.

Alberdingk Boley ist nun seit 190 Jahren aktiv im Markt. Wie bewerten Sie die Wettbewerbssituation aus Sicht eines Mittelständlers?

BB_Timm Wiegmann_Alberdingk_Boley_05_2018

Timm Wiegmann

CEO Alberdingk Boley

Wiegmann: Unsere Mitbewerber sind vor allem weltweit aktive Konzerne. Wir sind nach wie vor in privater Hand. Genau hierin sehen wir unsere Stärke: Kurze Entscheidungswege, flache Hierarchien, die Flexibilität eines Mittelständlers und die Fähigkeit, auf Veränderungen des Marktes schnell und innovativ zu reagieren. Auch, wenn es uns schon so lange gibt, weht durch unsere Hallen so etwas wie ein Pioniergeist. Nicht selten haben wir eine Vorreiterposition, wenn auch manche Idee dem Markt voraus ist. Wir müssen einfach schneller, flexibler und innovativer als unsere konzerngebundenen Wettbewerber sein und bleiben.

Wo sehen Sie im Markt Potenziale und Herausforderungen für Ihr Geschäft?

Wiegmann: Fast alle Gegenstände und Bauteile müssen über eine Beschichtung geschützt oder verschönert werden. Mit wässrigen Bindemitteln als Basis kann dieses für die Umwelt sehr schonend ermöglicht werden. In noch nicht allen Regionen der Welt sind die Umweltrichtlinien ausreichend verankert. Betrachtet man z.B. China, erkennt man, dass dort seit einiger Zeit große Anstrengungen unternommen werden. Hier entstehen für uns große Wachstumspotentiale. Aber auch in der „alten“ Welt gibt es stets neue Chancen.

Ein Thema, das die Branche bewegt, ist der Fachkräftemangel. Inwiefern sind Sie hier betroffen?

Wiegmann: Der Fachkräftemangel ist Fakt. Neue Mitarbeiter für die Chemieproduktion zu rekrutieren ist nicht leicht. Viele junge Menschen wollen lieber studieren und einen „coolen“ Job mit hoher Work-Life-Balance ausüben. Das wird in Zukunft nicht einfacher. Wir stellen uns dieser Herausforderung und tun viel für unsere Mitarbeiter.

Was kann der Mittelstand, aus Ihrer Sicht, dagegen unternehmen?

Wiegmann: So viel wie möglich ausbilden und allen Mitarbeitern ein höchstes Maß an Wertschätzung entgegenbringen.

Dieses Interview führte Damir Gagro

Hersteller zu diesem Thema