Intelligente Farbe unterstützt Flugzeugkonstrukteure
Millionen von Flugzeugen starten und landen jährlich weltweit.
Drucksensitive Farbe für den Tieftemperaturbereich
In einem dunklen, 2 Meter hohen und 2,4 Meter breiten Windkanal leuchten Teile der Test-Flugzeuge in fluoreszierender Farbe. An diesem Leuchten arbeiten Wissenschaftler der Universität Hohenheim: Sie entwickeln die spezielle Farbbeschichtung, die den Flugzeugkonstrukteuren während ihrer Tests exaktere Druckmessungen bei extremen Tieftemperaturen bei bis zu -160° C ermöglicht. „Die Versuche dienen der Entwicklung von effizienteren und umweltverträglicheren Flugzeugen, die weniger Energie benötigen“, erläutert Prof. Dr. Uwe Beifuß, Leiter des Projekts „Entwicklung drucksensitiver Farbe für den Tieftemperaturbereich“ und des Fachgebiets Bioorganische Chemie an der Universität Hohenheim. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert das Projekt insgesamt mit rund 1,2 Mio. Euro. Rund 250.000 Euro davon entfallen auf die Universität Hohenheim und machen das Projekt zu einem der Schwergewichte der Forschung.
Aerodynamische Ähnlichkeitsgesetze einhalten
Die Experimente in Windkanälen sind ein wesentlicher Teil der Flugzeugforschung. „Damit die Versuche möglichst nah an der Realität und den komplexen Flugbedingungen von Flugzeugen sind, ist die Einhaltung der sogenannten aerodynamischen Ähnlichkeitsgesetze von entscheidender Bedeutung“, erläutert Prof. Dr. Beifuß. Die Windkanalmodelle müssen um einen Faktor von bis zu 40 gegenüber dem realen Flugzeug verkleinert werden. Um Reibungseffekte an einem solchen Modell realitätsnah simulieren zu können, wird als Strömungsmedium reiner Stickstoff bei Temperaturen bis zu 160°C und einem Druck von bis zu 4,5 bar verwendet. Diese Forschungsbedingungen existieren außerhalb der USA lediglich im ETW (European Transonic Windtunnel) in Köln. Dort werden auch die Versuche mit der Farbbeschichtung aus Hohenheim gemacht.
Neue Farbe macht Druckunterschiede sichtbar
„Diese drucksensitive Farbe, die wir gerade entwickeln, ein Gemisch aus Polymeren, Farbstoffen und anderen Zusatzstoffen, soll so beschaffen sein, dass sie einerseits bei sehr tiefen Temperaturen problemlos eingesetzt werden und andererseits die Druckunterschiede sichtbar und messbar machen kann“, erläutert Prof. Dr. Beifuß. Die Farbe wird auf die Oberfläche des Testobjekts aufgesprüht und anschließend mit UV-Licht bestrahlt. Dies regt zur Fluoreszenz an. „Entsprechend dem lokalen Druck des Sauerstoffs an der jeweils besprühten Stelle wird die Fluoreszenz gesenkt oder gesteigert – und die Farbe ändert ihre Leuchtkraft“, sagt Prof. Dr. Beifuß. So könne die Druckverteilung in der Fläche sichtbar gemacht werden.
Neues Verfahren zur Druckmessung
Diese Art der Druckbestimmung ist neu: „Bisher mussten zur Druckmessung Sensoren an den Flügeln angebracht werden“, erklärt Prof. Dr. Beifuß. Damit sei bisher allerdings nur eine punktuelle Messung möglich gewesen, die sehr aufwendig und teuer ist. Mit der neuen Methode können der Oberflächendruck flächig und in bisher für Drucksensoren unzugänglichen Flügelbereichen bestimmt werden. Diese Daten wiederum nutzen die Flugzeugbauer: Sie ermöglichen ihnen die Effizienz von Flugzeugen zu erhöhen und damit letzlich den Kerosinverbrauch zu reduzieren.
Eine wichtige Herausforderung für die Wissenschaftler der Universität Hohenheim ist die Haftung der drucksensitiven Farbe an der metallischen Oberfläche der Flugzeugmodelle im Windkanal: „Die Farbe muss auch bei diesen sehr tiefen Temperaturen noch haften, damit die Ergebnisse eine Relevanz für den Flugzeugbau besitzen“, sagt Prof. Dr. Beifuß.
Hintergrund des Projekts
Das Projekt „Entwicklung drucksensitiver Farbe für den Tieftemperaturbereich“ läuft seit 2014 und ist auf zwei Jahre bis Herbst 2016 angelegt. Weitere Projektpartner sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der ETW (European Transonic Windtunnel). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert das Projekt mit insgesamt 1,2 Mio. Euro. Rund 250.000 Euro davon entfallen auf die Universität Hohenheim. Damit zählt das Projekt zu einem der Schwergewichte der Forschung an der Universität.