Interview: „LED-UV-härtende Systeme sind die Technologie der Zukunft“
Der wichtigste Teil der Aufbereitung von Altpapier entfällt auf das Deinking-Verfahren. Bisher haben UV-härtende Druckfarben die Kriterien für eine gute Recyclingbilanz jedoch nur selten erfüllt. Warum ist das so?
Glaser: UV-/LED-UV-Druckfarben bilden nach ihrer Aushärtung eine feste, chemisch und mechanisch resistente Schicht, vergleichbar mit einem Plastikklebefilm. Diese starke Verbindung von Farbe und Papierfaser führt zwar zur wünschenswerten, hohen Beständigkeit des Farbfilms, aber erschwert gleichzeitig auch die Entfernung der Druckfarbe im Recyclingprozess. Die vernetzten Farbpartikel der Standard UV-/LED-UV-Farben lassen sich bisher nur ungenügend aus der Papierfasermasse entfernen und hinterlassen dabei oftmals große Schmutzpunkte im Recyclingpapier, die als bunte Punkte mit dem bloßen Auge zu erkennen sind und demnach den Weißgrad des Altpapierstoffs und folglich die Qualität des recycelten Papiers negativ beeinflussen.
Sie haben jetzt ein UV/LED-Offsetfarbsystem entwickelt, das gute Deinking-Eigenschaften bietet. Um welche Eigenschaften ging es Ihnen?
Thomas Glaser, Leiter der Technology Business Unit Sheetfed EMEA, Siegwerk
Glaser: Wir haben bei der Entwicklung versucht ein Farbsystem zu formulieren, welches sich auf verschiedenen Papieren nachweislich gut deinken, sprich: entfernen lässt. Als Methoden zur Bestimmung und Beurteilung der Deinkbarkeit wurden hierbei die international anerkannte Prüfmethode INGEDE Methode 11 sowie die EPRC Score Card herangezogen. Die guten Deinking-Eigenschaften wurden dabei durch drei unabhängige Institute bestätigt. Zusätzlich ging es uns aber auch darum, weitreichende Erkenntnisse für zukünftige Entwicklungen zu gewinnen. Wir wollten verstehen, was genau gemacht werden muss, um einen UV-/LED-UV gehärteten Farb-/Lackfilm so einzustellen, dass dieser hinlänglich zerkleinert und in der Flotationszelle entsprechend gut aus dem Papierfaserbrei entfernt werden kann.
Wodurch genau zeichnet sich das neue Farbsystem aus?
Glaser: Neben den guten Deinking-Eigenschaften zeichnet sich die neue Farbserie SICURA Low NRGY UV/LED-UV durch eine sehr gute Druckperformance aus. Neben einer beachtlichen Druckstabilität und einem hohen Glanzgrad bestätigen Anwender sowohl eine überzeugende Punktschärfe und ein ausgezeichnetes Fließverhalten als auch eine sehr schnelle Aushärtung und eine gute mechanische Festigkeit.
Für welche Art von Papier gilt Ihre Neuentwicklung? Bietet sie sich nur für Zeitungs- oder auch Verpackungsdruck an?
Glaser: Für das Deinking werden in erster Linie graphische Papiere und keine Kartonagen verwendet. Wir haben im Rahmen dieses Projektes die Deinkbarkeit auf verschiedenen Papieren untersucht. Das neue Farbsystem erzielte dabei sowohl auf holzfrei gestrichenem Papier als auch auf frischfaserbasiertem aufgebessertem Zeitungsdruck- und gestrichenem holzhaltigem Papier sowie Recyclingpapier jeweils das Gesamtergebnis „gute Deinkbarkeit“. Die von uns entwickelte UV-/LED-UV-Druckfarbe wird heute hauptsächlich im Akzidenzdruck eingesetzt.
Welche Nachteile weist das neue Farbsystem auf, wo muss noch nachjustiert werden?
Glaser: Zahlreiche Anwender in Europa setzen die neue Farbserie bereits auf verschiedenen Druckmaschinenfabrikaten mit sehr gutem Erfolg ein. Es hat sich sogar bestätigt, dass sich „Sicura Low NRGY UV/LED-UV“ auch hervorragend für den alkoholfreien Druck eignet. Zu behebende Nachteile sind dabei bislang nicht ans Licht gekommen.
Welche Schwierigkeiten gibt es generell beim Papierrecycling?
Glaser: Die hohe Konzentration von nicht deinkbarem Material kann in Deinkingwerken zu deutlichen Problemen mit Schmutzpunkten führen, die zur Produktion von Ausschuss und damit einem großen wirtschaftlichen Schaden führen können. Jedes einzelne schlecht deinkbare Druckprodukt bedeutet für Deinkingwerke höhere Kosten und einen immensen Mehraufwand in der Herstellung von deinktem Faserstoff, um so die Zielwerte für den Weißgrad und andere Qualitätsparameter zu erreichen.
Welche neuen Anwendungsgebiete ergeben sich durch das neue Farbsystem?
Glaser: Im Rahmen unseres Forschungsprojektes mit Stora Enso konnten wir nachweisen, dass die neue Farbe sowohl mit standardmäßigen UV-, LED-UV- als auch eisendotierten UV-Trocknungsverfahren (LE-UV, H-UV, HR-UV und LEC-UV) gute Deinking-Eigenschaften zeigt. Aus diesem Grund kann „Sicura Low NRGY UV/LED-UV“ grundsätzlich auf jeder
UV-/LED-UV-Akzidenzdruckmaschine eingesetzt werden.
Wie hoch ist die Nachfrage nach UV-härtenden Druckfarben aktuell, wie wird sie sich Ihrer Meinung nach entwickeln?
Glaser: Die Nachfrage nach UV-härtenden Druckfarben ist nach wie vor hoch. Insbesondere LED-UV-härtende Systeme sind die Technologie der Zukunft.
Das Interview führte Kirsten Wrede.
Seminar Tipp
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