Guter Umgang mit gefährlichen Stoffen
Von Michael Dennerlein und Claudia Kölsche, Umco
Gefahrstoffe kommen in verschiedenen Arbeitsbereichen und bei verschiedenen Tätigkeiten zum Einsatz oder sie entstehen verfahrensbedingt. Typische Beispiele sind Kühlschmierstoffe, Kleber, Lösungsmittel, Harze, Lacke und Farben sowie Stäube, Reinigungsmittel und Kraftstoffe. Bei ihrer Herstellung und/oder Verwendung besteht ein erhöhtes Risiko für akute oder chronische Gesundheitsschäden beim Mensch und für negative Auswirkungen auf die Umwelt. Um die gefährlichen Eigenschaften der Stoffe weitest möglich zu kontrollieren und Mensch und Umwelt zu schützen, bedarf es eines durchdachten Gefahrstoffmanagements.
Es gibt aktuell keine gesetzliche Pflicht zur Bestellung eines GefahrSTOFFbeauftragten, jedoch wird beispielsweise bei der Gefährdungsbeurteilung eine gewisse Fachkunde vorausgesetzt. Anders verhält es sich bei den Belangen rund um den Transport gefährlicher Güter. Beim Überschreiten bestimmter Mengengrenzen müssen diese durch die Bestellung eines GefahrGUTbeauftragten betreut werden (siehe § 3 Abs. 1 Nr. 14 Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBefG) i.V.m. der Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV)). Der GefahrGUTbeauftragte ist in seinem Aufgabengebiet allerdings in aller Regel so spezialisiert und qualifiziert, dass er nicht ohne weiteres zusätzlich das innerbetriebliche Gefahrstoffmanagement übernehmen kann. Es müssen zudem andere Informationsquellen genutzt, grundlegende Strukturen geschaffen und innerbetriebliche Kommunikation über den praktischen Umgang mit Gefahrstoffen angestoßen werden. Eine Person sollte hier die Verantwortung übernehmen. Gerade klein- und mittelständische Unternehmen möchten für dieses Thema aber keinen weiteren Beauftragten bestellen, wenn er nicht ausdrücklich gesetzlich gefordert wird. Glücklicherweise ist ein Unternehmen frei, das betriebliche Gefahrstoffmanagement so zu organisieren, wie es zu den eigenen Möglichkeiten passt.
Aufgabenfelder des Gefahrstoffmanagements
Berührungspunkte mit Gefahrstoffen können in allen Gliedern der Wertschöpfungskette identifiziert und entsprechend in einem Unternehmen aufgespürt werden. Wenn ein Gefahrstoffmanagement etabliert werden soll, ist es daher sinnvoll, mit allen Verantwortlichen der betroffenen Glieder gemeinsam eine ideale Ausgestaltung der Prozesse zu ermitteln. Hier bietet sich die Durchführung eines Workshops an.
Ziel des Workshops ist es, herauszuarbeiten, welche Prozesse im Umgang mit Gefahrstoffen vorhanden und dokumentiert sind und auf welchem Stand das Bewusstsein der einzelnen Bereiche für das Thema ist. Im Ergebnis sollte ein Überblick über den aktuellen Stand und eine Auflistung der konkreten offenen Handlungsfelder stehen.
Im nächsten Schritt wird das Ergebnis des Initialworkshops in die einzelnen Bereiche zurückgespiegelt. Je Bereich müssen die gefahrstoffbezogenen Prozesse auf Rechtskonformität überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Insofern es zu einem direkten Kontakt mit Gefahrstoffen kommt, sind die konkreten Gefährdungen herauszustellen, zu dokumentieren, Schutzmaßnahmen zu etablieren und deren Anwendung und Wirksamkeit zu kontrollieren.
Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, parallel das Vorhandensein und den Stand des Rechtskatasters sowie den Prozess zum Umgang mit rechtlichen Änderungen zu überprüfen. Da sich die Umweltgesetzgebung laufend verändert, ist es wichtig, verlässliche Strukturen zu etablieren, die die Änderungen regelmäßig verfolgen und in das Unternehmen hineintragen. Abschließend sollte im Rahmen eines Audits der Umgang mit Gefahrstoffen unternehmensweit überprüft und offene Punkte dokumentiert und in das Änderungsmanagement überführt werden.
Detailbetrachtung: Prozessablauf zur Einführung eines neuen Stoffs
Die Prozessbetrachtung der Einführung eines neuen Stoffes zeigt, wie viele kleinteilige und im Unternehmen dispers verortete Aktionen erforderlich sind, um ein gutes Handling mit Gefahrstoffen zu gewährleisten:
- Wenn ein neuer Roh-/Hilfs- oder Betriebsstoff eingeführt werden soll, muss eine ausführliche Beschreibung der Spezifikation des benötigten Stoffes angefertigt werden. Auf Grundlage dieser Informationen ist eine Prüfung möglich, ob es sich um einen Gefahrstoff handelt oder nicht.
- Wenn es sich um einen Gefahrstoff handelt, muss bei der Beschaffung ein Sicherheitsdatenblatt beim Lieferanten bzw. beim Hersteller des Stoffes angefordert werden. Um Missverständnisse auszuschließen, ist dieses SDB anschließend mit den zuvor festgelegten Spezifikationen auf Plausibilität zu prüfen.
- Bevor der Gefahrstoff in das Portfolio des Unternehmens aufgenommen wird, muss eine Substitutionsprüfung durchgeführt werden. Zudem sollten alle Aspekte rund um die Lagerfähigkeit (Gebinde, Menge, Zugänge, Genehmigungsauflagen) und die Entsorgung geprüft und dokumentiert werden.
- Nach erfolgreicher Vorarbeit, kann der Gefahrstoff ins Gefahrstoffkataster aufgenommen werden. Hierbei ist die Bezeichnung des Stoffes, die Einstufung zu den gefährlichen Eigenschaften, Angaben zu den verwendeten Mengenbereichen sowie der Anwendungsbereich des Gefahrstoffs im Betrieb zu dokumentieren. Je nach Einstufung kann sogar das Anlegen eines Expositionsverzeichnisses erforderlich sein.
- Bevor mit dem Gefahrstoff gearbeitet werden darf, muss eine Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf die geplanten Tätigkeiten erfolgen. Erst wenn die erforderlichen Arbeitsmittel, die Betriebsanweisungen und die persönliche Schutzausrüstung vollständig verfügbar sind und eine Schulung stattgefunden hat, darf die Arbeit durch eine verantwortliche Person freigegeben werden.
- In regelmäßigen Abständen sind die Schutzmaßnahmen und deren Wirksamkeit zu überprüfen. Dies dient nicht nur der Dokumentation der vorgeschriebenen Kontrollpflicht des Arbeitgebers, sondern insbesondere der Schärfung des Bewusstseins der Anwender.
- Abschließend sollten wiederkehrende Prozessschritte als Maßnahmen formuliert und terminiert werden: Abfrage aktueller SDBs (Empfehlung: mindestens alle zwei Jahre), Prüfung der SDBs auf Plausibilität (fortlaufend), Anpassung der Gefährdungsbeurteilungen bei Änderungen in den Arbeitsbedingungen (z.B. bei neuen Maschinen, anderen Mengen, anderen Abläufen) (fortlaufend), Änderung von Betriebsanweisungen (fortlaufend), Schulung/Unterweisung vor Aufnahme der Tätigkeit für neue Mitarbeiter, ansonsten mindestens einmal jährlich).
Fazit
Sobald Gefahrstoffe im Unternehmen vorhanden sind, müssen viele Fragen geklärt werden. Was passiert zum Beispiel mit Gefahrstoffen, die durch Dienstleister ins Unternehmen kommen? Ist ein Notfallmanagement aufgesetzt? Sind die Verantwortlichkeiten und Kommunikationswege dargestellt? Sind Vorsorge- oder Angebotsuntersuchungen erforderlich? Gibt es Schnittmengen beziehungsweise Auswirkungen zu Umweltanforderungen (z.B. hinsichtlich der AwSV und/oder des Störfallrechts)?
Hier den Überblick zu behalten und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen einzuleiten erfordert Fachwissen und Erfahrung. Deshalb fordert der Gesetzgeber in der Gefahrstoffverordnung, zwar keine beauftragte Person, aber doch sehr deutlich und ausdrücklich eine fachliche Qualifizierung der beteiligten Person/-en. Ist dies im Unternehmen mit eigenem Personal, Know-how und Zeitbudget nicht vollumfänglich möglich, empfiehlt es sich punktuell externe Unterstützung einzusetzen.