Funktionalisierung: Hai-tech im Lack
Wäre es nicht prima, wenn die weiße Fassade länger weiß bliebe? Oder die Kratzer am Auto ohne viel Aufwand einfach wieder verschwänden? Solchen Fragen gehen die Entwickler von funktionellen Beschichtungen nach. Es geht also immer darum, neben den dekorativen und/oder schützenden Eigenschaften noch weitere Funktionen in eine Beschichtung einzubauen.
Seit ca. 15 Jahren werden immer wieder übergeordnete Projekte von Universitäten und Instituten, häufig in Kooperation mit der Industrie, auf den Weg gebracht, um die äußeren Eigenschaften von Gegenständen mit Hilfe eines Lackes zu verändern, diese „smarter“ zu machen. Alltagsprobleme wie Kratzer im Korrosionsschutz, Eis auf Autoscheiben oder Flugzeugflügeln sollen damit behoben oder zumindest erleichtert werden.
Von der Natur inspiriert
Dabei fokussieren sich viele Projekte auf bionischen Strukturen, die von der Natur abgeschaut sind. Eines der ersten Beispiele war die selbstreinigende Fassadenfarbe. Hier macht man sich den Effekt von Lotusblättern zu eigen. Dieses Vorbild der Natur hat eine Mikrostruktur, die verhindert, dass Schmutzpartikel an der Oberfläche aufliegen und damit anhaften können. Regenwasser kann diesen lockeren Schmutz einfach mitnehmen und so von der Blatt-oberfläche transportieren. Etwas Ähnliches ist Ende der 1990er Jahre einem Farbenhersteller gelungen.
Nach dem Trocknen der Farbe besitzt diese eine ganz ähnliche Mikrostruktur, die verhindert, dass der Schmutz auf der eher klebrigen Farbe aufliegen kann. Damit kann auch hier der Regen seine Arbeit machen und die Partikel abwaschen. Das Lotusblatt hat allerdings einen kleinen Vorteil gegenüber der Farbe: Seine Struktur kann sich unendlich erneuern, auch damit wird der resistentere Schmutz abgewaschen, bzw. fällt mit den abgestorbenen Pflanzenteilen zu Boden. Dies kann die Farbe leider nur sehr unzureichend darstellen, daher ist der Effekt nicht so langlebig wie bei der Pflanze.
Lebensdauer von funktionellen Beschichtungen
Auch andere Funktionalisierungen kämpfen mit der Langlebigkeit des Effektes. Wie häufig bekommt man Graffitis von „Anti-Graffiti“ Oberflächen? Und kann man es an irgendeinem Zeitpunkt wieder überstreichen?
In dieser noch recht jungen Disziplin gibt es noch weitere offene Fragen. Zum Beispiel: Warum muss der Lack immer ganz glatt für die besten Eigenschaften sein? Flugzeuge sollen effizienter werden, übersetzt: weniger Treibstoff verbrauchen. Zwei Möglichkeiten: Gewicht oder Reibung reduzieren. Der Lack trägt eher zum Gewicht bei, aber er könnte die Reibung reduzieren. Wieder ein Blick in die Natur: Fische oder Haie sind einerseits durch ihre Körperform schon stromlinienförmig (Flugzeuge auch), aber zusätzlich ist die Haut strukturiert und nicht glatt.
Weniger Treibhausgase dank funktioneller Beschichtungen
Dies ermöglicht ihm schnelleres und energieärmeres Schwimmen durch geringere Reibungsverluste. Reibungsverluste entstehen unter anderem, wenn die lamellare, gleichmäßige Strömung durch Turbulenzen und Strömungsabrisse gestört wird. Durch die Rauigkeit mit einer bestimmten Wellenlänge und Tiefe verlängert sich die lamellare Strömung, erzeugt damit weniger Widerstand und ist energieärmer. Übersetzt für Flugzeuge bedeutet es, dass vor allem auf den Flügeln eine strukturierte Schicht aufgebracht werden muss. Diese, intelligent konfiguriert, kann gut 6 % geringere Reibungsverluste für Flügel bedeuten. Auf alle Flugzeuge gerechnet, sinken die Emissionen damit deutlich.
Entwicklungen wie diese sind in vielen Fällen noch Zukunftsmusik für die realen Anwendungen. Die Konzepte sind verstanden und im kleinen Maßstab auch schon umgesetzt, müssen sich aber noch im Alltag bewähren, um breit genutzt werden zu können.
Nina Musche